Für den Ernstfall gerüstet sein

06.04.1999

ESSEN: In Zeiten leerer Staatskassen und sinkender Steuereinnahmen haben Betriebsprüfer und Steuerfahnder Hochkonjunktur. Wie soll sich jedoch der einzelne verhalten, wenn die Fahnder an die Tür klopfen? Tips dazu von Roland Franz und Heiko Scharlach*.Steuerfahnder treten aus den verschiedensten Anlässen in Aktion. Neben konkreten Hinweisen aus Betriebsprüfungen oder Kontroll- mitteilungen von Finanzämtern, Gerichten und Banken bringen in vielen Fällen auch Anzeigen aus dem unmittelbaren Umfeld des Steuerpflichtigen den gefürchteten Besuch ins Haus.

Nicht selten sind es enge Familienmitglieder oder Unternehmensmit-arbeiter, die vertrauliche Informationen über die finanziellen Verhältnisse, Privatinvestitionen und Vermögenstransaktionen besitzen. Nicht zu unterschätzen sind dabei Motive wie Rachsucht oder Neid, die den Steuerpflichtigen mit den Steuerfahndern Bekanntschaft schließen lassen. Auch private Geldtransfers über die Hausbank ins Ausland waren in den letzten Jahren wiederholt ein Grund für das Einschreiten der Außendienstmitarbeiter des Fiskus.

Was tun, wenn die Fahnder vor der Tür stehen?

In der Regel haben die Steuerfahnder einen richterlichen Durchsuchungsbeschluß. Nur in Ausnahmefällen, wenn Gefahr im Verzug ist, kann auch durch die Staatsanwaltschaft oder die Steuerfahndung eine Durchsuchung angeordnet werden. In den meisten Fällen muß sich der Betroffene der Durchsuchung beugen. Unmittelbare Rechtsbehelfe haben keine aufschiebende Wirkung, das heißt, sie hindern die Steuerfahnder nicht an der Vollziehung des Durchsuchungsbeschlusses.

Auch hat es meist keinen Sinn, sich gegen eine Durchsuchung zur Wehr zu setzen. Ein solches Verhalten ist in der Regel rechtswidrig und nach Paragraph 113 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Das bedeutet für den Steuerpflichtigen, daß die Hausdurchsuchung "durchgestanden" werden muß.

Der Steuerpflichtige sollte sich zu Beginn den Dienstausweis und den Durchsuchungsbeschluß zeigen lassen. In dem Schreiben muß durch tatsächliche Angaben der Tatvorwurf konkretisiert sein. Dies bedeutet, daß zumindest die Steuerart und das Jahr, für die die Durchsuchung vorgenommen wird, im Beschluß anzugegeben sind.

Durchsuchungsbeschluss genau lesen

Selbstverständlich ist auch der Ort der Durchsuchung im Beschluß anzugeben. So läßt sich auch genau nachvollziehen, für welche Räumlichkeiten der Richter einen Durchsuchungsbeschluß erlassen hat. Besonderes Augenmerk sollte der Steuerpflichtige auch auf den Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses legen. Sollten zwischen Erlaß des Durchsuchungsbeschlusses und der eigentlichen Durchsuchung mehr als vier Wochen verstrichen sein, spricht die Vermutung eindeutig für eine Änderung des Sachverhalts. In diesem Fall sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses angebracht.

Nachdem der Steuerpflichtige den Durchsuchungsbeschluß gelesen hat, sollte er sofort seinen Steuerberater und/oder Rechtsanwalt anrufen. Die Steuerfahndung ist nicht berechtigt, ihn an einem Telefonat zu hindern, auch wenn dies vereinzelt von einigen Fahndern bestritten wird.

Der Steuerpflichtige sollte sich darüber bewußt sein, daß die Fahnder oft viel mehr wissen, als der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Durchsuchung vermutet. Außerdem blicken sie nicht selten auf eine längere Praxiserfahrung bei der Durchführung von Hausdurchsuchungen zurück. Im besonderen richten sie ihr Augenmerk auf Briefe, Notizzettel, Notizbücher, Kalender, Verträge, Kontoauszüge, Bankmitteilungen und Schlüssel (Safe).

Der Beschuldigte ist nicht vogelfrei

Ist der Steuerpflichtige Beschuldigter, hat er ein Auskunftsver-weigerungsrecht, worüber er zu belehren ist. Von diesem Recht sollte der Steuerpflichtige in jedem Fall Gebrauch machen und ohne Beistand seines Beraters oder Verteidigers keine Aussagen machen. Selbst wenn die Fahnder eine niedrigere Strafe in Aussicht stellen, sollte sich der Angeklagte auf keinen Fall zu einer Aussage verleiten lassen. Denn am Ende sind es nicht die Fahnder, die über die strafrechtlichen Folgen entscheiden.

Familienangehörige des Beschuldigten haben ein Zeugnisverweigerungs-recht, von dem sie ebenfalls uneingeschränkt Gebrauch machen sollten. Für anwesende Dritte, die seitens der Fahnder als Zeugen in Betracht kommen, empfiehlt es sich, darauf zu bestehen, vor ihrer Aussage einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen.

Weder der Beschuldigte noch andere Personen sind grundsätzlich verpflichtet, bei der Durchsuchung anwesend zu bleiben. Ihre Abwesenheit stört die Durchsuchung nicht, so daß den Fahndern keine Befugnis zur Festnahme nach Paragraph 164 StPO zusteht. Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf bei der Durchsuchung anwesend sein. Ist er nicht anwesend, muß auf ihn nicht gewartet werden. Das Recht zur Teilnahme an der Durchsuchung kann der Inhaber auch einem Dritten gestatten.

Herausgabe von Beweisgegenständen

Da die Durchsuchung dem Auffinden von Beweisgegenständen dient, ist die Steuerfahndung befugt, die Durchsuchung der Papiere selbst vorzunehmen. Die Beweisgegenstände können von der Steuerfahndung im Wege der Beschlagnahmung oder aber durch freiwillige Herausgabe in die amtliche Verwahrung gelangen. Für den Steuerpflichtigen empfiehlt es sich, Unterlagen ohne vorherige Rücksprache mit seinem Berater nicht freiwillig herauszugeben. Denn in diesem Fall kann später keine Beschwerde mehr eingelegt werden.

Sind die zu beschlagnahmenden Gegenstände genau in der (richterlichen) Beschlagnahmeanordnung aufgeführt und tatsächlich in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten vorhanden (was in der Praxis eher selten vorkommt), sollten sie zum Zweck der Beschlagnahme zur Verfügung gestellt werden. Dadurch können andererseits sogenannte "Zufallsfunde" durch die Fahnder verhindert werden.

Die in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände sind nach Paragraph 107 StPO in einem Verzeichnis festzuhalten. Der Steuerpflichtige sollte darauf achten, daß alle Gegenstände, die die Fahnder mitnehmen, in diesem Verzeichnis aufgeführt sind. Der Steuerpflichtige kann und soll darauf bestehen, daß zumindest die Anzahl der Blätter, der Ordner und der Akten vermerkt wird. Auch die beschlagnahmten Gegenstände müssen "nach Art und Zahl" aufgeführt werden. Die Pflicht der Aufzeichnung der mitgenommenen Unterlagen wird nicht durch ihre Vielzahl eingeschränkt. Keinesfalls reicht die Bezeichnung "fünf Aktenordner" aus.

Sollten die Fahnder nicht bereit sein, ein den Wünschen des Steuerpflichtigen entsprechendes Verzeichnis aufzustellen, ist das in jedem Fall schriftlich zu vermerken. Nur so läßt sich die Art der Durchsuchung und die Weigerung, ein ordnungsgemäßes Verzeichnis nach Paragraph 107 StPO zu erstellen, gerichtlich überprüfen.

Beschwerde einlegen

Sollte der Steuerpflichtige während der Durchsuchung ernsthafte Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung haben, sollte er den Fahndern ankündigen, das Rechtsmittel der Beschwerde einlegen zu wollen. In der Regel sind die Fahnder dann bereit, die beschlagnahmten Unterlagen versiegeln zu lassen, um die sofortige Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen zu verhindern.

Auf keinen Fall sollte der Steuerpflichtige versuchen, die Fahnder von bestimmten Ermittlungen abzuhalten. Um bestehende Geschäfts-beziehungen nicht zu gefährden, ist es wichtig, Banken, Lieferanten, Kunden und sämtliche durch die Ermittlungen betroffenen Personen in Absprache mit den hinzugezogenen Beratern sachlich zu informieren. Dringend abzuraten ist dem Steuerpflichtigen von überstürzten Kurzschlußreaktionen, beispielsweise einer Reise ins Ausland und/oder der Auflösung von Bankkonten. Verhaltensweisen dieser Art können Haftgründe darstellen. Auch wer glaubt, daß der Besuch der Abgesandten des Fiskus und die sich anschließenden Ermittlungen nur von kurzer Dauer sind, liegt falsch. Erfahrungsgemäß muß sich der Steuerpflichtige darauf einstellen, daß das eingeleitete Ermittlungsverfahren meist zwischen zwei und drei Jahre dauert.

*Roland Franz ist Partner, Heiko Scharlach Partner und Fachanwalt für Steuerrecht in der Kanzlei Roland Franz und Partner Steuer-berater Rechtsanwälte in Essen (www.franz-partner.de)

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