Gehälter und Gehaltsfindung im IT-Vertrieb

11.01.1996
MÜNCHEN: Nicht nur die Verhandlung über Gehälter birgt Tücken. Auch die Bemessung und Erfüllung variabler Vergütungsanteile sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Konsequenzen bei der Führung und Personalstrategie lassen viele Unternehmen Fehler begehen.Jeder wird sich an das "Erste Mal" erinnern! Das erste Mal, wo eine unangenehme, aber unausweichliche Antwort von einem abverlangt wurde: Wieviel wollen Sie verdienen? Natürlich kennt auch jeder die Antwort, die man dabei unausgesprochen auf den inneren Lippen trug: Natürlich so viel wie möglich. Doch Bescheidenheit und Zurückhaltung bei dieser Frage sind im Verhalten der deutschen Bewerber eine hohe Tugend - und so überflüssig, wie ein Kropf. So antworten die meisten doch in Anlehnung an ihre IST-Gehälter und schlagen, meist zögerlich und mit skeptischem Blick auf den zukünftigen Boß, zehn bis 20 Prozent auf ihr derzeitiges Gehalt auf. Ist die Summe dann genannt, wird noch ein wenig "nachverkauft": Eine kleine Verbesserung sollte schon dabei für mich herausspringen - wegen des Umzuges, wegen des Anreizes, und überhaupt: In meiner jetzigen Stellung steht mir eh eine Steigerung in der nächsten Zeit bevor...

MÜNCHEN: Nicht nur die Verhandlung über Gehälter birgt Tücken. Auch die Bemessung und Erfüllung variabler Vergütungsanteile sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Konsequenzen bei der Führung und Personalstrategie lassen viele Unternehmen Fehler begehen.Jeder wird sich an das "Erste Mal" erinnern! Das erste Mal, wo eine unangenehme, aber unausweichliche Antwort von einem abverlangt wurde: Wieviel wollen Sie verdienen? Natürlich kennt auch jeder die Antwort, die man dabei unausgesprochen auf den inneren Lippen trug: Natürlich so viel wie möglich. Doch Bescheidenheit und Zurückhaltung bei dieser Frage sind im Verhalten der deutschen Bewerber eine hohe Tugend - und so überflüssig, wie ein Kropf. So antworten die meisten doch in Anlehnung an ihre IST-Gehälter und schlagen, meist zögerlich und mit skeptischem Blick auf den zukünftigen Boß, zehn bis 20 Prozent auf ihr derzeitiges Gehalt auf. Ist die Summe dann genannt, wird noch ein wenig "nachverkauft": Eine kleine Verbesserung sollte schon dabei für mich herausspringen - wegen des Umzuges, wegen des Anreizes, und überhaupt: In meiner jetzigen Stellung steht mir eh eine Steigerung in der nächsten Zeit bevor...

Den strategischen Vorteil bei derlei Fragen hat natürlich der künftige Arbeitgeber. Er läßt den Bewerber die Tonierung dieses Einstellungsgesprächsteiles anschlagen und kann selbst beruhigt den Inhalt der Antwort abwarten. Setzt der Bewerber auf Zurückhaltung, ist vielleicht ein "guter Personaleinkauf" machbar, zu womöglich doch wesentlich geringeren Gehaltsbedingungen als zunächst erwartet. Man kann sich so sehr schnell einigen - was dem zurückhaltenden Bewerber auch nicht so ungelegen kommt.

Gespräche auf des Messers Schneide

Setzt der Bewerber jedoch auf die "Offensive", frei nach dem Motto: herunterhandeln wird er mich ohnehin - so kann das beim künftigen Arbeitgeber leicht zu einer Abkehr von diesem Kandidaten kommen, da er vielleicht ja auch noch andere Bewerber hat, die gegebenenfalls weniger erwarten. Solche Gespräche bewegen sich daher oft auf des Messers Schneide und sind auch nicht durch die clevere Gegenfrage des Bewerbers zu optimieren, was denn seitens des Unternehmens geboten wird.

Es ist nun einmal leider in unserem Kulturkreis verpönt, über Geld und Gehälter zu sprechen. Und dabei kann niemand ohne. Jeder möchte so viel wie möglich verdienen und so nah wie möglich an seiner persönlichen Leistungserbringung vergütet werden. Allein eine solche Aussage allerdings - so ehrlich sie auch gemeint wäre und aufgefaßt werden kann - entspricht nicht den Gebräuchlichkeiten. Und an die muß man sich doch anpassen - oder?

Die Verhandlung über Gehälter und die Gehaltsbestandteile wird so verwässert, unehrlich und birgt bereits zu Beginn einer Zusammenarbeit ein hohes Risiko der Unzufriedenheit auf beiden Seiten. Ein neuer Mitarbeiter soll das Gefühl haben, daß er sich

"gut verkauft" hat. Mit "gut" ist dabei markt- und leistungsgerecht gemeint. Das Unternehmen soll auf keinen Fall nach der Devise verfahren: je weniger, desto besser. Mitarbeiter orientieren sich schneller als erhofft und warten am Tage nach der Probezeitbeendigung mit einer satten Erhöhungsforderung auf oder "stöbern" weiter auf dem Angebotsmarkt nach einem Schnäppchen herum.

Hohes Risiko der Unzufriedenheit

Auch wenn es betriebswirtschaftlich verlockend erscheint, individuelle Gehälter mit jedem zu vereinbaren, somit die Zögerlichen die überhöhten Forderungen der Draufgänger ausgleichen zu lassen, kann nicht darüber hinweggeholfen werden daran zu denken, daß eine harmonische Gehaltsstruktur im Unternehmen, ein klares Vergütungskonzept und ein attraktiver Anteil an variablen Gehaltsbestandteilen, die nach Leistung und wirtschaftlichem Erfolg ausgeschüttet werden, für die Zukunft und den Erfolg des Unternehmens, die Gerechtigkeit, das Wohlbefinden der Mitarbeiter und die geringere Fluktuation immer noch am ehesten geeignet sind. Auf dieser Basis lassen sich zudem viel leichter Gehaltsgespräche, sowohl bei der Neueinstellung, als auch bei der zyklischen Anpassung führen. Im Bereich des IT-Vertriebes verhält es sich ebenso wie in anderen Vertriebsberufen: Bezahlung nach Umsatz oder Deckungsbeitrag-Zwo. Das ist zunächst eine klare Aussage. Nicht vom Berechnungswert an sich, denn da steckt schon noch ein erheblicher Unterschied drin, begleitet von einer Menge Hasenfüße. Die Methodik allerdings ist deutlich beschrieben. Ein Fixum, möglichst gering und unschädlich, wird durch die individuelle und absolute Verkaufsleistung des IT-Vertriebsmitarbeiters aufgestockt. Die Machbarkeiten von potentiell erreichbaren Gehaltsgrößen können dabei astronomische Werte annehmen, die allein durch die Praxis ihre natürlichen Grenzen findet. "Verkaufste viel, dann vierdienste auch gut. Verkaufste wenig, verdienste auch wenig." Trivialer geht es nicht - ehrlicher jedoch schon.

Firmenwagen - das Finanzamt sitzt auf dem Beifahrersitz

Vertriebsgehälter sind dann doch schon komplizierter, als auf den ersten Blick vermutet. Kaum ein Sales-Mitarbeiter wird zum Beispiel ohne Firmenfahrzeug auskommen. Firmenwagen allerdings haben einen Wert - und zwar nicht nur aus Sicht des Leasinggebers. Firmenfahrzeuge sind auch ein Image-Träger, und der neue Mitarbeiter möchte vielleicht gerne einen kleineren BMW oder Mercedes fahren. Vergessen wird dabei allzu oft, daß das Finanzamt (gerade vor der neuen Regelung zum Beginn des Jahres 1996) es mit dem einprozentigen Anteil der Versteuerung des original Listenpreises ganz kräftig als Beifahrer mitfährt. Es rechnet sich also nur für den Mitarbeiter, wenn Wartung, Instandhaltung, Steuern, Versicherung und möglichst auch der Treibstoff auf Kosten des Unternehmens gehen. Ein Entgeltwert, der zwar keine Sozialabgaben nach sich zieht, jedoch eindeutig einen Personalbudgetblock darstellt. Dieses ist in die Gehaltsverhandlung offen und mit den korrekten Zahlenwerten für beide Seiten einzubeziehen, was sicherlich nicht immer leicht und problemlos vonstatten geht.

Des weiteren kann eine variable Vergütung nur dann funktionieren, wenn der Mitarbeiter konkrete Zahlenziele vorgegeben bekommt, die nachvollziehbar, realistisch und bewertbar gestaltet sind. Das Motto "Sie schaffen eine Mio. und ab dort erhalten Sie auf jede Mark einen zehnprozentigen Erfolgsbonus" kann leicht in die Hose gehen, weil die Wirtschaftlichkeit einer solchen Zielsetzung damit nicht gleichbedeutend zugrunde gelegt ist. Umsatz selbst kann kein Merkmal für Tantieme und Boni sein. Schließlich ist es schon des öfteren geschehen, daß zwar zweihunderttausend Mark Umsatzsteigerung erzielt wurden, doch hinter dieser Steigerung lag ein negatives Profitergebnis, da Verwaltungskosten, Einkaufsregularien, Gewährleistungen etc. den vermeintlichen Gewinnanteil erheblich minderten oder gar gänzlich eliminierten.

Es kann demnach nur angeraten werden, statt der Umsatzgrößen die Ergebniswirksamkeit und die Profit-Margen vorzugeben und in Zielvereinbarungen mit den Sales-Mitarbeitern zu kleiden. Dieses allerdings setzt voraus, daß das interne Controlling und die eigene Organisation derlei Rechnungen nachvollziehen kann und eine profitorientierte Tätigkeit zuläßt. Jeder profitabhängige Mitarbeiter wird mit größter Sorgfalt und Genauigkeit die Profitberechnungen aus seinem Controlling ebenso nachprüfen, wie er für eine Arbeitsorganisation sorgen wird, die aus seiner Sicht frei von negativen Wertschöpfungsbeiträgen anderer Sales-Mitarbeiter ist und möglichst wenige Profit-Abhängigkeiten bei den organisatorischen Schnittstellen aufweist.

Individuelle und Gruppenziele

Die eigene Leistung zählt dabei und steht bei der "Hemd-oder-Jacke-Betrachtung" auf jeden Fall im Vordergrund. Damit werden also kleine Egoisten, Kollegen-Mobber und Einzelkämpfer im Unternehmen gezüchtet. Deshalb gestalten viele Unternehmen auch ihre Vereinbarungen über variable Gahaltsbestandteile nicht ausschließlich über individuelle Profit-Ergebnisse. Es werden zunehmend Mixturen entwickelt, die ergänzend auch die sozialen Kompetenzen der Mitarbeiter (zum Beispiel Teamfähigkeit oder Kommunikation), das Entwicklungspotential (Fachwissen, Lernbereitschaft oder Führungseignung) oder - und das weist eine gewisse Würze in diesem Zusammenhang auf - das wirtschaftliche Denken und Handeln in die Zuweisung von variablen Gehaltsbestandteilen einflechten. Damit wird unter anderem der Mitarbeiter in seiner Rolle als "Teil eines ganzen Wertschöpfungsprozesses" betrachtet und bewertet. So kann ein "Kollegenschwein" - selbst bei den tollsten Geschäftsabschlüssen - durchaus nicht damit rechnen, auch am höchsten bezahlt zu werden oder die besten Aussichten auf den nächsten Führungsposten zu haben.

Darüber hinaus muß natürlich auch die Komponente berücksichtigt werden, die seitens der Personalentwicklung durch diese zusätzlichen Bewertungsfaktoren entsteht: die Förderung und Entwicklung von fähigen und erfolgreichen Mitarbeitern. In einem Unternehmen, in dem ausschließlich der Zahlenerfolg die Wertigkeit eines Mitarbeiters bestimmt, können auch nur Potentiale entwickelt werden, die eben genau diese Zahlen zeitweise produzieren. Ja, was will man denn mehr - höre ich den einen oder anderen nun sagen. Klar: Aus Sicht des Unternehmers betrachtet, zählen nun einmal ausschließlich die Zahlen für die Bemessung des Unternehmenserfolges. Aber eben genau darin steckt der Unterschied. Zum Produzieren von stimmigen Zahlen werden Menschen benötigt. Diese bilden die Kette eines ganzheitlichen Wertschöpfungsprozesses. Isoliert man die Kettenglieder und verursacht man einen Leistungsegoismus, der nur auf die eigene Verkaufsleistung fokussiert ist, kann die Wertschöpfungskette nicht lange bestehen. Zudem müssen Mitarbeiter in einem Klima wirken, in das sie passen und das sie mitprägen können. Sie müssen geführt werden, Orientierungshilfen, Förderungsmaßnahmen zur Optimierung der eigenen Leistungen und zur Ausbildung der weiteren Karriere erhalten, sonst kann die "Zahlen-Theorie" allein nicht lange bestehen.

Die Bezahlung von IT-Sales-Mitarbeitern ist demnach dann doch nicht so trivial wie angenommen. Leistung und Kompetenzen sind es, die einen erfolgreichen Mitarbeiter ausmachen. Leistungen und Kompetenzen sind es dann aber auch, die einer Bewertung und gehaltlichen Bemessung zugrunde zu legen sind. Dafür benötigen die Unternehmen nicht nur einen Absatzmarkt, sondern auch Führungsinstrumente, fähige Führungskräfte und offen kommunizierte Vergütungsregulative.

Keine Bezahlung nach Sitzfleisch

Für jeden Mitarbeiter eines jeden Unternehmens können Leistungsziele und Erfolgsbarometer festgelegt und vereinbart werden. Mit dem Grad der Zielerreichung und mit dem gezeigten Arbeitsverhalten und den sozialen Kompetenzen können dann eine ganze Reihe von variablen Gehaltszuwächsen vereinbart werden. Werden zum Beispiel der Profiterfolg - unter Gewichtung der Prioritäten - mit einer allgemeinen Beurteilung kombiniert, kann das Ergebnis direkt auf das Ausschütten eines bestimmten variablen Gehaltsbestandteiles wirken. Ob dabei Kennzahlen, Punkte oder sonstige Bewertungsgrundlagen herangezogen werden, ist an dieser Stelle völlig egal. Es gilt, das System zu verwirklichen.

Um den Besitzstand nicht permanent anwachsen zu lassen, werden zunehmend sämtliche Gehaltszuwächse (über das Fixum hinaus) im Sales-Bereich als variable deklariert. Das bedeutet, daß der Vertriebsmitarbeiter sich jedes Jahr neu zu bewähren hat. Erst bei einem kontinuierlich und über einen mittelfristigen Zeitraum gezeigten Erfolg steigt das Fixum und tritt somit in den Besitzstandszuwachs. Erwartungshaltungen, daß sich das Gehalt jedes Jahr grundsätzlich zu erhöhen hat, gehören nicht in moderne Unternehmen. Erhöhungen sind selbst zu erarbeiten und hängen ebenso zum Teil vom allgemeinen Unternehmenserfolg ab. Leistungen müssen stetig erbracht werden. Das Unternehmen unterliegt dabei nicht der Verpflichtung, jedem Mitarbeiter eine stetige Erhöhung zu gewähren, sozusagen mit dem Charakter der Vorschußlorbeeren. Denn erfüllt der Mitarbeiter seine Ziele nicht, hat das Unternehmen mit Zitronen gehandelt und darf für den nächsten Zyklus bereits wieder die nächste Erhöhung locker machen. Das gleicht einer Bezahlung nach Sitzfleisch, was in vielen Unternehmen aktuell zu gravierenden Problemen geführt hat.

Der gute Verkäufer zeigt kontinuierlich seine Erfolge auf. Honoriert werden diese durch wie auch immer gestaltete Provisionen, Tantiemen oder Boni. Diese bilden seinen Leistungsanreiz und müssen immer wieder "verdient" werden. Natürlich ist ein Karriere-Aufstieg und die nach vorne gerichtete gehaltliche Entwicklung von den meisten gewünscht. Hier greift das Prinzip der Gehaltsgruppenbildung, das an ein Laufbahnsystem im Unternehmen gekoppelt ist. Durch kontinuierlich gezeigte Erfolge steigt der erfolgreiche Mitarbeiter über zum Beispiel zwei oder drei Jahre von einer Gehaltsgruppe in die nächste. Nach mehreren Gehaltsstufenwechseln kann der Mitarbeiter in eine höhere Laufbahnstufe kommen und weist somit nicht nur Karriere auf, sondern empfiehlt sich im Unternehmen für zusätzliche Verantwortungen und natürlich gestiegene Erwartungshaltungen und Zielvorgaben.

Die gehaltlichen Bestandteile, neben dem Fixum und den variablen Anteilen, bleiben im Reglement des Unternehmens: Firmenfahrzeug, Fahrzeugkostenübernahme, Incentives, Provisionen, Boni, Tantiemen, Aktienzuweisungen, Betriebsrenten, Direktversicherungen etc.

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