Gemeinsames Pilotprojekt von Sun und Fresenius

12.03.1998

HAAR: Der Euro kommt - und mit ihm das Chaos? Für die Fresenius AG in Bad Homburg heißt die Antwort in jedem Fall "nein". Im Rahmen eines Pilotprojekts werden zusammen mit Experten für die verwendeten Hard- und Software insgesamt vier Testläufe zur praxisnahen Umstellung durchgeführt. Drei Tests wurden bereits erfolgreich beendet, der vierte soll Ende 1998 folgen. Die endgültige Umstellung auf die neue Hauswährung Euro soll bei Fresenius an Ostern 1999 über die Bühne gehen, wie Harald Rau* berichtet.Das Projekt, in Kooperation von Sun und Fresenius durchgeführt, liefert für alle Beteiligten wertvolle Erkenntnisse. Für Sun war der Freseniuskonzern die ideale Testumgebung, seine Eurolösung auf Praxistauglichkeit zu prüfen. Fresenius wiederum kann sich bereits nach diesem dritten Test ziemlich sicher sein, mit seinen Datenbeständen auch nach der endgültigen Umstellung reibungslos arbeiten zu können.

Um einen aussagefähigen Testlauf durchführen zu können, war es notwendig, mit einem großen Datenbestand zu arbeiten - schließlich sollten ja reale Bedingungen erzeugt werden. Der Fresenius-Konzern ist im Gesundheitsbereich weltweit mit Produkten und Dienstleistungen für die Dialyse, das Krankenhaus und die ambulante medizinische Versorgung von Patienten am Markt präsent.

Der Konzern setzt mit 1.300 Usern europaweit schon lange ein breites Spektrum von SAP-Anwendungen sowohl in Rechnungswesen und Controlling als auch in Personal- und Materialwirtschaft, Vertrieb, Qualitätsmanagement und Produktionsplanung ein. Die Struktur des Unternehmens erlaubt einen Umstellungstest im großen Maßstab mit zwei besonders unterschiedlichen europäischen Währungen - mit D-Mark und italienischer Lira.

Insgesamt sechs Informatiker sowie Experten für die verwendete Software, eine Informix-Datenbank und SAP R/3, Release 3.0, waren im Projektteam zur Hauswährungsumstellung versammelt. In konzertierter Aktion wurden Daten aus zweieinhalb Jahren Finanzbuchhaltung des Fresenius-Konzerns auf einen Sun-Enterprise-450-Server übertragen, der für den Praxistest bereitgestellt wurde. Der Testlauf ergab nur geringfügige Differenzen. Die Ausbuchung der Euro-Beträge war unproblematisch.

Lediglich 500 Euro mussten ausgebucht werden

Diesem dritten Test vorausgegangen waren bereits zwei Durchläufe, die der Programmoptimierung dienten. Im ersten Versuchsstadium - das war im Herbst 1997 - wurde mit einem bewußt unterdimensionierten, langsamen System noch zwei Wochen lang gerechnet, um die vielen Belege aus der Finanzbuchhaltung zu übertragen. Dennoch bestätigte sich hier die generelle Funktionalität der Programme, die inzwischen auch von Wirtschaftsprüfern in Bezug auf die Übereinstimmung mit den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung zertifiziert wurden.

Lediglich 500 Euro mußten nach dem ersten Durchgang ausgebucht werden. "Die Differenzen waren schon in diesem ersten Test durchgängig nachvollziehbar", bestätigt Dr. Heike Sonntag, Euro-Projektleiterin bei Fresenius.

Mit der Laufzeit allerdings waren die Experten noch nicht zufrieden. Doch schon einige funktionale Verbesserungen, zum Beispiel die Änderung von Update-Routinen und ein optimierter Austausch mit der verwendeten Informix-Datenbank, sorgten zwei Monate später - beim zweiten Test über die Weihnachtsfeiertage - für eine kleine Überraschung. Bei identischen Systemvoraussetzungen benötigte das SAP-Programm lediglich noch die halbe Zeit, also eine Woche, für die Übertragung.

Der Einsatz des von Sun Microsystems zur Verfügung gestellten Testservers brachte schließlich im dritten Versuch ein noch genaueres Bild darüber, wie schnell sich die Währungsumstellung vollziehen läßt. Der dritte Testlauf fand im Sommer 1998 statt. Das Ergebnis: 3,6 Millionen Belege pro Stunde wurden verarbeitet und auf Euro umgestellt. Die Hauswährung der Fresenius AG war innerhalb von gut zwei Tagen "eurofit".

Die Umstellung auf den Euro kann noch optimiert werden

Zusätzlich haben die Experten weitere Optimierungspotentiale ausgemacht: Der in diesem Fall längste Prozeß - die Umsetzung der Belege aus der Finanzbuchhaltung - lief insgesamt 13 Stunden länger als alle anderen notwendigen Prozesse. Wenn es nun gelingt, diesen Vorgang auf mehrere Prozessoren zu verteilen, reduziert das die Laufzeit noch weiter. Im Test wurden auch verschiedene Optimierungsmöglichkeiten über die Systemeinstellungen in SAP R/3 bewußt noch nicht realisiert. Das heißt, der Sun-Enterprise-Server könnte auf diesem Weg die vorgegebenen 260 Gigabyte noch schneller umsetzen. Die Projektbeteiligten halten es sogar für möglich, rund 30 Prozent mehr Belege in der Stunde zu verarbeiten, als es im dritten Test gelungen war. Bei einem Durchlauf von 3,6 Millionen Belegen in der Stunde wäre dies eine Steigerung auf rund 4,7 Millionen Updates bei gleichen Systemvoraussetzungen. Ende des Jahres soll ein weiterer Versuch mit dem R/3-Release 4.0b folgen.

Ee gibt kein allgemeines Erfolgsrezept für die Umstellung

Bei dem umfangreichen Versuch hat sich vor allem eines gezeigt: Vor der eigentlichen Umstellung muß unbedingt ein Probedurchgang durchgeführt werden. "Nur so kann gewährleistet werden, daß auch nach der Umsetzung das laufende Geschäftsjahr korrekt übernommen und mit dem Bestand vor der Umsetzung abstimmbar ist", erklärt Sonntag. Die hierzu notwendigen Arbeiten können einen erheblichen Zeitaufwand bedingen. Deshalb sei es auch sehr wichtig, die Analysephase als erste Maßnahme der zweistufigen Umstellung rechtzeitig durchzuführen. Dann können auch noch notwendige Nacharbeiten eingeplant werden. Fred Kühnhauser aus dem SAP-Team: "Die Hauswährungsumstellung kann keine Plug-and-Play-Lösung sein. Sie wird immer die individuellen Gegebenheiten berücksichtigen müssen." Beim Fresenius-Konzern ist man sich nach dem Pilotprojekt und den verschiedenen Testläufen sicher, daß die für Ostern 1999 geplante eigentliche Umstellung der Hauswährung auf Euro reibungslos in zwei Tagen klappt.

*Harald Rau ist freier Journalist in Schriesheim.

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