Gibt Microsoft Bertelsmann den Laufpass?

27.06.2002
Noch ist nichts unterschrieben und daher hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen. Es geht um Microsofts Consumer-Produkte und die Frage, wer sie demnächst in die deutschen Media-Märkte liefern soll.

Es ist wohl Sand im Getriebe: Seit rund zwei Jahren beliefert Bertelsmann Logistik die deutschen Media-Märkte mit Microsofts Consumer-Produkten: Software, Zubehör, und jetzt auch das neue Baby für die Gamer-Gemeinde, die X-Box. Die Zusammenarbeit scheint aber - entweder für das Softwareunternehmen oder die roten Riesen aus Ingolstadt - nicht so recht zu klappen.

Laut ComputerPartner-Informationen führt Microsoft hinter verschlossenen Türen Gespräche mit einem neuen Logistik-Partner aus der IT-Broadline-Distribution. Unternehmensnahen Kreisen zufolge sitzt Michael Kaack, Vorstandsvorsitzender von Ingram Macrotron, mit Microsoft am Verhandlungstisch. Zum jetzigen Zeitpunkt wehrt Kaack ab: "Kein Kommentar."

Ähnlich reagiert der Softwarekonzern: Hans Stettmaier, Mitglied der deutschen Microsoft-Geschäftsführung und zuständig für die Consumer-Sparte, hat für seinen Logistiker aus der Bertelsmann-Gruppe nur lobende Worte: "Wir arbeiten mit Bertelsmann-Logistik sehr gut zusammen: Sie liefern für uns die X-Box europaweit aus, was nur für das Unternehmen spricht", sagt Stettmaier gegenüber ComputerPartner. Ob aber Änderungen im Busch sind, was die Fulfilment-Leis- tungen für die rund 160 deutschen Media-Märkte betrifft, will Stett-maier nicht beantworten, der Consumer-Chef dementiert aber auch nicht eindeutig: "Kann ich noch nichts dazu sagen, und dieses Thema möchte ich auch nicht kommentieren." Stettmaier fügt aber hinzu: "Auf der logistischen Seite haben wir kein Problem mit den Media-Märkten, und Bertelsmann ist hier hervorragend aufgestellt."

Da fragt man sich, wo die Proble-me eigentlich liegen, wenn die Bertelsmänner ihren Job so "hervorragend" im Griff haben? Branchenkenner mutmaßen, dass die Logistiker aus dem Gütersloher Konzern, "doch um einiges teurer sind als IT-Distributoren". Das wussten die Microsoft-Manager zwar bereits vor Vertragsabschluss, sie hofften aber, diese Mehrkosten durch Mehrumsatz überkompensieren zu können. Eine Rechnung, die nicht aufging, wie man hört. Einer der Gründe: Mit der "zeitgenauen Präsenz der Microsoft-Produkte" bei den Roten soll es nicht immer geklappt haben.

Und bei Lieferverzögerungen oder Ausfällen versteht Media-Markt, trotz dezentraler Organisation, keinen Spaß: Die Ingolstädter werben monatlich mit ihren bundesweit erscheinenden Flyern (Auflage 23 Millionen Stück in 2001) und aufwändigen Werbekampag-nen. Wenn die Roten eine Kampag- ne laufen lassen, sollen die beworbenen Produkte auch zum angekündigten Zeitpunkt im Laden stehen. Sonst wird es für den Lieferanten ungemütlich. Eine vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe ist ihm bei Verzögerungen oder Ausfall sicher. Dabei geht es Media-Markt nicht mal in erster Linie um den schnöden Mammon: "Wir haben unsere Marketingmaschine angeschmissen: mit Flyern, TV- und Radiowerbung. Der Kunde wird so heiß gemacht. Wenn dann keine Ware im Laden steht, schadet das unserem Image. Einen Umsatzausfall kann ich hochrechnen, bei einem langfristigen Imageschaden sieht es schon anders aus", erklärte Media-Markt-Chef Klaus-Peter Voigt im ComputerPartner-Interview Anfang des Jahres (siehe ComputerPartner 03/02, Seite 20).

Sollten die Vermutungen von Branchenkennern also stimmen, dass die logistische Abwicklung von Bertelsmann nicht immer einwandfrei geklappt hat, ist der Wechsel des Logistikers für Microsoft vorprogrammiert.

www.microsoft.de

www.mediamarkt.de

ComputerPartner-Meinung:

Die bisherigen Ergebnisse der laufenden Gespräche werden von den beteiligten Parteien gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Klar, die Unterschriften unter den Verträgen fehlen noch. Bei einem Wechsel zu Ingram Macrotron könnte sich Michael Kaack die Hände reiben: Erstens ist Media-Markt bereits einer der größten Kunden des Broadliners - sprich: Man kennt die logistischen Ansprüche der Roten aus dem Effeff. Und zweitens hat Kaack erst vor rund zwei Monaten die IM-Game für den immer noch absatzstarken Spielermarkt gegründet. Mit einer Bereicherung um X-Box & Co. wäre das für die Dornacher ein dicker Fisch. (ch)

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