Geschäftsführer in der Bredouille

GmbH-Chef haftet für Nichtabführung von Lohnsteuer

17.04.2009
Der Bundesfinanzhof hat über die Pflicht zur Begleichung der Steuerschuld entschieden. Dr. Norbert Gieseler* nennt Einzelheiten des Urteils.

In einem dem Bundesfinanzhof vorliegenden Fall war der Kläger alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Er reichte die Lohnsteueranmeldungen für die GmbH für den Zeitraum April bis Juni 2003 fristgerecht beim Finanzamt ein. Die angemeldete Steuerschuld wurde durch Zahlung an den Vollziehungsbeamten des Finanzamts am 19. September 2003 beglichen.

Wegen anderer Steuerschulden beantragte das Finanzamt am 22. Oktober 2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Januar 2004 eröffnet.

Die Zahlung an den Vollziehungsbeamten focht die Insolvenzverwalterin nach § 131 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an. Daraufhin erstattete das Finanzamt diesen Betrag an die Insolvenzmasse. Wegen der demzufolge wieder offenen Steuerschulden aus den Lohnsteueranmeldungen April bis Juni 2003 sowie der Säumniszuschläge hierzu nahm das Finanzamt den Kläger mit Haftungsbescheid vom 7. April 2005 in Anspruch. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt.

Verletzung von Bundesrecht gerügt

Mit seiner Revision rügte das Finanzamt die Verletzung von Bundesrecht, nämlich von § 69 der Abgabenordnung (AO). Der Kläger habe die ihm als Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten dadurch verletzt, so die Richter, dass er die Lohnsteuer nicht zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten abgeführt habe. Diese Pflichtverletzung sei nach der insoweit maßgeblichen Adäquanztheorie auch kausal für den Steuerausfall gewesen. Weder der Insolvenzantrag des FA noch die Anfechtung des Insolvenzverwalters hätten nach der allgemeinen Lebenserfahrung außerhalb der Wahrscheinlichkeit gelegen. Der Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen GmbH müsse jederzeit damit rechnen, dass ein Gläubiger "von der Antragsmöglichkeit des § 17 InsO" Gebrauch mache.

Dieser Auffassung schloss sich der BFH an und hielt die Revision für begründet. Das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht (Urteil vom 25.02.2009, Az.: VII R 19/08).

Als Geschäftsführer hatte der Kläger in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S. von § 34 Abs. 1 AO die Pflicht zur Einbehaltung und fristgerechten Abführung der im Haftungszeitraum von der GmbH angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträge. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Finanzgerichts habe der Kläger für die Monate April bis Juni 2003 zwar fristgerecht Lohnsteueranmeldungen abgegeben, zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt aber die angemeldeten Beträge nicht entrichtet. Die in der nicht fristgerechten Entrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziere den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf. Diese schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers sei auch kausal für den Eintritt des Vermögensschadens beim Fiskus.

Adäquanztheorie als Grundlage

Es entspricht ständiger Senatsrechtsprechung, dass sich die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie richtet. Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, den Erfolg zu verursachen. Sofern - wie im Streitfall - ein Unterlassen in Betracht kommt, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, ein Hinzudenken der unterbliebenen Handlung zu dem Ergebnis führen, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre; die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts des Erfolgs genügen dazu nicht.

Hätte der Kläger die angemeldeten Lohnsteuern bis spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer für Juni 2003 (nach den unbestrittenen Angaben des Finanzamts am 15. Juli 2003) gezahlt, wäre es nicht zu dem Steuerausfall beim Fiskus gekommen, denn der Dreimonatszeitraum vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung, in dem nach § 130 Abs. 1 InsO Zahlungen des Schuldners anfechtbar sind (Anfechtungszeitraum), begann erst am 22. Juli 2003.

Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag. Der Zurechnungszusammenhang zwischen einer pflichtwidrig verspäteten Lohnsteuerzahlung und dem eingetretenen Schaden (Steuerausfall) ergibt sich daraus, dass dieser Schaden vom Schutzzweck der verletzten Pflicht zur fristgemäßen Lohnsteuerabführung erfasst wird. (OE)

Der Autor Dr. Norbert Gieseler ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht sowie Vizepräsident des DASV.

Kontakt: Kanzlei Scholz & Weispfenning, Tel.: 0911 244370, E-Mail: kanzlei@scho-wei.de, Internet: www.mittelstands-anwaelte.de

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