Going Public als Königsweg für schnelles Wachstum

19.11.1998

MÜNCHEN: Insbesondere schnell wachsende Unternehmen stoßen bei ihrer Expansion zunehmend an Eigenkapitalgrenzen. Der Gang an die Börse könnte finanzielle Engpässe abwenden helfen. Konrad Bösl und Rainer Mauer von der Münchner Unternehmensberatung Dr. Wiesel-huber & Partner GmbH stellen Motive und Nutzenüberlegungen für einen Börsengang vor.

Neben den bereits im letzten Beitrag vorgestellten Finanzierungseffekten, etwa finanzieller Flexibilität, zieht ein Börsengang auch eine Reihe von Organisationseffekten nach sich.

- Arbeitgeberattraktivität:

Für Mitarbeiter, insbesondere qualifizierte Führungskräfte, haben an der Börse gelistete Firmen eine größere Attraktivität. Dies liegt sowohl am höheren Image eines börsennotierten Unternehmens als auch an der durch aktienrechtliche Vorschriften vorgegebenen Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Vorstands (Paragraphen 76 und 83 Aktiengesetz).

Die Kontinuität der Unternehmensführung ist dadurch gesichert, und zwar unabhängig von der Person einzelner Gesellschafter. Die Ausgabe von Stock Options beziehungsweise von Belegschaftsaktien bietet zudem die Möglichkeit, Führungskräfte und Mitarbeiter an der Entwicklung des Unternehmenswertes zu beteiligen.

Mitarbeiterbeteiligungen werden darüber hinaus von der staatlichen Vermögensbildung gefördert. Gleichzeitig stärkt dieser Schritt die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen.

- Strategische Flexibilität:

Die strategische Flexibilität börsennotierter Unternehmen ist wesentlich größer als bei anderen Rechtsformen. Bei erfolgreicher Geschäftsentwicklung steht diesen Firmen der Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle jederzeit offen. Kooperationen und strategische Allianzen lassen sich über Kapitalverflechtungen leichter festigen.

- Laufende Unternehmensbewertung:

Durch die Kursfestsetzung an der Börse wird der Firmenwert laufend neu ermittelt. Die Kursentwicklung spiegelt die öffentliche Bewertung der Unternehmenspolitik wider und stellt damit ein Beurteilungsmaß für die Managementleistung dar.

Publizitäts- und Imageeffekte

Mit der Börseneinführung sind positive Publizitäts- und Imageeffekte für das Unternehmen verbunden. Going Public ist gerade für mittelständische Unternehmen ein hervorragendes PR-Instrument, da ihre Börseneinführung für die Wirtschaftspresse von großem Interesse ist.

Pressekonferenzen und Anzeigenkampagnen sind wichtige Instrumente, um Publizitätseffekte aktiv zu steuern und zu nutzen. Für den Aus- und Aufbau von Geschäftsbeziehungen kann dies eine wertvolle Unterstützung sein.

Die große Öffentlichkeitswirksamkeit hat aber aufgrund strenger gesetzlicher Publizitätsvorschriften auch ihre Kehrseite. So mag die im Zuge der Börseneinführung notwendige Offenlegung von Beteiligungen nicht immer gewollt sein. Das gilt ebenso für die Bekanntgabe der in der Vergangenheit erzielten sowie in der Zukunft anvisierten Umsatz- und Gewinnzahlen.

Unerwünschte Publizitätseffekte können sich nach der Börseneinführung beispielsweise durch das Verhalten bestimmter Aktionärsgruppen in Hauptversammlungen ergeben. Außerdem gelten für Kapitalgesellschaften strengere Rechnungslegungsvorschriften als für Personengesellschaften.

Grundsätzlich gilt, daß börsennotierte Aktiengesellschaften mehr als andere Firmen im Blickpunkt der Wirtschaftspresse und Öffentlichkeit stehen. Das erfordert eine kontinuierliche Berichterstattung über die Entwicklung des Unternehmens. Diese Kommunikation sollte möglichst über die generellen Publizitätspflichten hinausgehen (Investor Relations). Im Kern ist diese erhöhte Öffentlichkeit positiv für das Unternehmen. Dennoch sollten sich Firmen möglicher negativer Aspekte bewußt sein.

Dazu gehören spezifische Publizitätskosten. Im einzelnen resultieren diese aus der Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses und Geschäftsberichts, der Abgabe von Quartals- und Zwischenberichten oder der Durchführung von Bilanzpresse- und Analystenkonferenzen. Weitere Folgekosten sind mit der Organisation und Durchführung der jährlichen Hauptversammlung verbunden.

Mitbestimmung

Die Rechtsform der Aktiengesellschaft erfordert die Einrichtung eines Aufsichtsrats; er stellt das Kontrollorgan dar. Im einzelnen obliegt dem Aufsichtsrat:

- die Bestellung und Abberufung des Vorstands

- die Beratung und Überwachung des Vorstands in seiner Geschäftsführung

- die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses

Der Aufsichtsrat besteht aus mindestens drei Personen und wird in der Regel alle vier Jahre von der Hauptversammlung gewählt.

Bei weniger als 500 Beschäfigten besteht keine Verpflichtung, Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat aufzunehmen. Zwischen 500 und 2.000 Mitarbeitern ist er zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen. Bei mehr als 2.000 Beschäftigten ist nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 ein mit Arbeitnehmervertretern paritätisch besetzter Aufsichtsrat einzurichten und ein Vorstandsmitglied als Arbeitsdirektor zu bestellen (das gleiche gilt für die GmbH und die GmbH & Co. KG).

Der Aufsichtsratsvorsitzende ist immer ein Vertreter der Anteilseigner. Er hat bei Stimmengleichheit eine Doppelstimme. Alle Aufsichtsratsmitglieder unterliegen der Schweigepflicht. Die Erfahrung vieler Aktiengesellschaften hat gezeigt, daß Mißtrauen gegenüber den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat nicht angebracht ist.

Überfremdungsgefahr

Gerade bei Familienunternehmen ist die Wahrung des Einflusses der Alteigentümer eines der wichtigsten Kriterien für einen Börsengang. Vielfach wird jedoch befürchtet, daß Going Public eine Überfremdung oder feindliche Übernahme des Unternehmens begünstigen könnte. Eine solche Gefahr kann aber leicht ausgeschlossen werden, da es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, den Einfluß zu wahren.

Studie zu den Motiven eines Börsengangs

Die Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber führte bereits 1995 eine Untersuchung durch, die sich mit den Motiven potentieller Kandidaten und ihrer Börsenfähigkeit beschäftigt. Befragt wurden knapp 6.000 nicht börsennotierte deutsche Unternehmen, davon antworteten insgesamt 227 Firmen. Von den Untersuchungsteilnehmern wurden gut 17 Prozent in der Rechtsform der Aktiengesellschaft und jeweils etwas mehr als 37 Prozent in der Rechtsform der GmbH oder der GmbH & Co. KG geführt. KGs und OHGs spielten eine nur untergeordnete Rolle.

Unternehmen geht es beim Börsengang, wie die Studie ergab, vor allem darum, eine solide Eigenkapitalbasis zu schaffen. Die wichtigsten Motive für ein Going Public sind die Sicherung des Wachstums und der Wettbewerbsposition. Knapp 76 Prozent der Unternehmen sahen darin ein wichtiges oder sehr wichtiges Motiv.

An zweiter Stelle wollen Firmen mit dem Emissionserlös ihre Zukunftsinvestitionen finanzieren (71 Prozent). Den Schritt aufs Börsenparkett wagen sie aber auch, um ihren unternehmerischen Spielraum zu wahren (67 Prozent). Primär eigentümerbezogene Motive fallen dagegen weniger stark ins Gewicht. Für 52 Prozent steht die Lösung möglicher Nachfolgeprobleme durch einen Börsengang im Vordergrund. Eine untergeordnete Rolle (28 Prozent) spielt die Schaffung eines unternehmerrisikofreien Privatvermögens.

(In den nächsten Ausgaben von ComputerPartner erscheinen weitere Beiträge zu den Themen Börsenreife, Emissionskonzept und Going Public.)

Zur Startseite