GPRS und UMTS: Video-Übertragung per Handy wird ein absoluter Flop

02.08.2001
Gemessen an WAP - gerne als "Wait and Pay" belächelt - eröffnen die neuen Mobilfunkstandards GPRS und UMTS ungeahnte Einsatzmöglichkeiten. Da die hohen Investitionen für die neuen Technologien wieder hereingeholt werden müssen, stellt sich allerdings die Frage: Was will der Kunde überhaupt und wofür ist er zu bezahlen bereit?

Es gehört schon fast so viel Sportgeist dazu, WAP über GSM mit 9,6 Kbit/s zu nutzen wie ein Hochrad zu besteigen. Wer es bequemer und schneller mag, fährt Scooter beziehungsweise Motorrad oder - auf die mobile Welt übertragen - künftig GPRS mit Datenübertragungsraten von zwischen 30 und 115 Kbit/s oder UMTS mit 256 bis 2.000 Kbit/s. So wie sich keiner ein Motorrad kaufen würde, um mit zehn Stundenkilometer durch die Landschaft zu tuckern, ist UMTS zu schade und teuer, um damit nur SMS zu verschicken. Anders als beim Motorrad liegen die Kosten zunächst einmal aber hauptsächlich bei den Anbietern, und die müssen sich natürlich Gedanken machen, wie diese wieder hereingeholt werden können.

Marktforscher Gartner hat Erwachsene in Italien und Schweden befragt, für welche Services sie am ehesten zu zahlen bereit wären. Die Ergebnisse decken sich in etwa: Am größten ist die Zahlungsbereitschaft neben dem reinen Messaging bei der Bildübertragung, bei Ortsuch-Services und bei MPEG3 (Musik-Downloads). Video-Streaming beziehungsweise Bildtelefonie à la Raumschiff Enterprise, von den Handy-Anbietern und Mobilfunkbetreibern als die "Killerapplikation" der Zukunft gesehen, erteilt die Gartner-Studie eine eindeutige Abfuhr. Nicht gerade das letzte Hemd, aber immerhin 1,60 DM und mehr würden 31 Prozent der Italiener und 43 Prozent der Schweden für ein Musik-Download ausgeben. "Dass die Daten in zwei so unterschiedlichen Ländern derart ähnlich sind, ist schon erstaunlich und gibt einen Anhalt, welche Services beim Kunden am ehesten ankommen", betont Adam Daum, Gartner-Chef-Analyst für E-Commerce. Er weist aber darauf hin, dass die meisten der Befragten für solche Services höchstens doppelt oder dreimal soviel ausgeben würden wie für eine SMS-Message. Ein Foto-Handy darf gerne 50 Prozent mehr als ein herkömmliches kosten, vorausgesetzt dass die Bilder in ausreichender Qualität abgespeichert werden können und das Mobiltelefon auch E-Mails versenden kann.

Parallelen zum Online-Kauf

Trotz vieler Gemeinsamkeiten gibt es auch einige länderspezifische Unterschiede. So haben Vergleichsumfragen gezeigt, dass die Deutschen zwar die Möglichkeit begrüßen, zukünftig Kino- und Theaterkarten sowie Flug- und Bahntickets mobil zu bestellen. Bei der Suche nach einem geeigneten Restaurant würden sie sich aber nach wie vor lieber auf ihre Nase und ihr Auge verlassen. Was für das Internet, gilt für das Handy erst recht: Die Eingabe der Kredit- oder EC-Kartennummer für die Bezahlung lehnen die meisten Bundesbürger immer noch ab. Auch möchten sie den menschlichen Kontakt beim Einkaufsbummel nicht missen. Deshalb können sich die Deutschen zukünftige, schnellere WAP-Handys eher als Entscheidungshilfe und Suchinstrument denn als virtuelles Einkaufsparadies vorstellen. Das größte Interesse an den neuen WAP-Services zeigen neben den Schweden übrigens die Franzosen, was aber zum Teil daran liegt, dass der Markt dort noch relativ unterentwickelt ist.

Auch was die Einstellung zu Mobile Payment angeht, gibt es länderspezifische Unterschiede: Die Schweden vertrauen mehr ihrer Bank, wollen aber völlige Kontrolle über ihre Finanzen, während die Italiener Mobile Payment der Kreditkartenbezahlung vorziehen, aber sehr auf den Datenschutz bedacht sind.

Besonders bei jüngeren Leuten würde Mobile Payment gut an-kommen, sagt Gartner-Analyst Daum. Denn erstens seien sie aufgeschlossener. Zweitens verfügten sie eher selten über eine Kredit- oder EC-Karte. Drittens würden sie - vor allem Mädchen - nicht so gerne mit einem Portemonnaie herumlaufen. Und viertens stimme auch ihr Konsumverhalten: Musik, Kleidung, Diskotheken, Kneipen, was sie zu einfach identifizierbaren Geschäftspartnern macht.

Werbefinanzierung? Ja, aber mit Bedacht

Mit GPRS zielen die Mobilfunkbetreiber in erster Linie auf die Geschäftskunden. Bei UMTS müssen sie angesichts der enormen Investitionen breiter denken. Jedoch ist der "gemeine" Endverbraucher laut Debis-Tochter Diebold Management nicht bereit, monatlich mehr als 50 Mark für die neuen Unterhaltungs- und Servicedienste auszugeben, während bis 2006 pro Kunde mindestens 200 Mark im Monat hereinfließen müssten. Auch Gartner rechnet damit, dass der Endkunde in den kommenden Jahren eher weniger als mehr für mobile Services ausgeben wird (siehe Umsatzgrafik). Um UMTS für den Endkunden interessant zu machen, ohne selbst draufzahlen zu müssen, setzen die Mobilfunkanbieter daher auch auf Werbefinanzierung. Interessant sein könnte in diesem Zusammenhang, dass das EU-Parlament sich gerade gegen ein generelles Verbot von kommerzieller E-Mail-Werbung (Spam) ausgesprochen hat. Aber auch hier heißt die Gartner-Devise wieder: Schaut auf die Jugend. Gerade den Teens könne man die Werbefinanzierung am besten verkaufen, nach dem Motto: "Wer cool oder in sein will, muss nicht gleich sein ganzes Taschengeld opfern." Business-Kunden und Berufstätige über 30 würden E-Mail- oder Handy-Werbung eher ablehnen.

Niedrigere Tarife, Promotion-Aktionen wie Gewinnspiele und kreative Unterhaltung könnten die Akzeptanz von Werbebotschaften laut Gartner steigern. Ferner gelte es dem Marktforscher zufolge einige wichtige Regeln zu beachten: Die Anzeigen müssen personalisiert und optional, das heißt jederzeit kündbar sein (opt-in, opt-out). Sie dürfen nicht aufdringlich erscheinen (Text und Grafiken ja, Voice nein). Mehr als drei am Tag wären auf jeden Fall zuviel. Und last, but not least: Dem Kunden dürfen keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Fazit: Mit GPRS und UMTS wird das Handy als Entscheidungshilfe und Transaktionstool zunehmend unser Leben bestimmen. Gartner zufolge ist der Handel bereits in eine Phase der Hybridisierung getreten, in der alte und neue Wege des Verkaufs offline und online in so genannten Multichannel-Strategien Hand in Hand gehen. Im Zuge dieser Entwicklung wird das Handy, so Daum, eine wichtige Rolle spielen. An Ideen für zukunftsträchtige Services fehlt es nicht. Es bleibt jedoch bei der Frage, welche der vielen neuen Möglichkeiten, die GPRS und UMTS eröffnen, überhaupt in bare Münze umgewandelt werden können. Denn: "Auch wenn der Wert eines bestimmten Services erkannt wird, ist nicht unbedingt gegeben, dass der Kunde dafür auch zu bezahlen bereit ist", betont der Gartner-Analyst. (kh)

www.diebold.de

www.gartner.com

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