Grafikkartengeschäft in den Startlöchern für das Jahresende

10.07.1999

MÜNCHEN: Eine Prognose für das Jahresendgeschäft im Grafikkartenmarkt ist noch problematisch: Lieferengpässe nach dem Erdbeben in Taiwan werden erwartet. Die Preise ziehen bereits an.Die gute Nachricht zuerst: Der langersehnte "Vodoo 3 3500" trudelt langsam an der Verkaufsfront ein. Nach Verzögerungen scheint 3DFX die Auslieferung jetzt in den Griff zu bekommen. "Wir rechnen damit, daß sich die Situation in den nächsten zwei Wochen relativieren wird", so ein Retailmitarbeiter. Aber beim Nachfolgeprodukt, von den Entwicklern mit dem wenig geschmackvollen Codenamen "Napalm" benannt, hinkt 3DFX bereits wieder hinter seinem Entwicklungszeitplan her.

Ärgerlich die Situation bei Matrox: "Grafikkarten von Matrox stehen beim Endkunden nach wie vor für Qualität, und dafür zahlen die Kunden auch entsprechende Preise. Aber wir haben immer wieder das gleiche Problem: Die Münchner Zentrale kann einfach nicht ausreichend liefern. Wir könnten wesentlich mehr davon verkaufen, wenn wir die Ware hätten", so Klaus Rüther von Atelco.

Einschlagen soll dagegen der neue Grafikprozessor von Nvidia, "G-Force". Nicht umsonst wurde Intel von der kalifornischen Chipschmiede ausgestochen: Dem Vernehmen nach bringt Microsoft im Herbst 2000 eine eigene Spielekonsole mit dem Nvidia-Chip auf den Markt, deren Ankündigung noch im Oktober dieses Jahres erfolgen soll. Prozessorkrösus Intel bleibt außen vor (siehe dazu auch Artikel auf Seite 67 dieser Ausgabe).

Welcher Hersteller mit seinen Produkten das Absatzrennen im Jahresendgeschäft machen wird, steht noch in den Sternen: "Im vierten Quartal wird gekauft, was in den Regalen steht. Wer liefern kann, wird auch seine Produkte absetzen. Und wir haben im Grafikkartenmarkt bereits Engpässe durch das Erdbeben in Taiwan; die Preise ziehen an. Wie die Situation in vier Wochen aussieht, kann heute noch keiner sagen", so Rüther. Ein Kollege ergänzt: "Ein Monat Lieferverzögerung, das ist in unserem Geschäft normal. Wer sich als Grafikkartenanbieter auf einen fremden Chiplieferanten verlassen muß, ist meistens angeschmiert."

Speicherpreis wirkt sich auf Grafikkarten aus

Kaum eine Grafikkarte - zumindest im High-End-Segment - kommt heute noch mit weniger als 32 MB daher. Grafikkartenhersteller sprechen bereits von der nächsten Generation von 3D-Spielkarten, die 64 MB Speicher aufweisen sollen. Diese hochfliegenden Pläne werden wohl für die nächste Zeit in der Schublade verstauben. Denn zur Zeit kann es sich kein Hersteller leisten, soviel Speicher auf der Karte unterzubringen.

"Zur Zeit haben wir noch keine Probleme, den Preis unser Grafikkarten zu halten", gibt Andreas Müller, Geschäftsführer bei Guillemot, zu. "Wir haben vorgesorgt, und unsere Lager sind voll. Aber wie es im Weihnachtsgeschäft aussehen soll, wissen wir auch nicht."

Gerade hat Guillemot der Fachwelt die Grafikkarte "Prophet 3D" mit dem brandneuen Grafikchip "G-Force" vorgestellt. Diese Karte besitzt zur Zeit noch einen Speicher von 32 MB. Sie soll aber bald in einer 64-MB-Version verfügbar sein. Zur Zeit kostet die Karte noch 599 Mark Endkundenpreis. Für eine Hochleistungsgrafikkarte ist das zwar nicht zuviel, aber der Preis liegt hart an der Grenze dessen, was der Kunde noch akzeptiert. Steigen jetzt die Speicherpreise weiter oder bleiben sie auf ihrem jetzigen Niveau, wird Guillemot Schwierigkeiten haben, den Preis von 599 Mark zu halten.

Jetzt oder nie

S3 hat in Amerika bereits reagiert und die Preise für Grafikkarten um 35 Prozent angehoben. Angst und Hamsterkäufe erzeugen eine steigende Nachfrage, und das treibt eben den Preis in die Höhe. Andere Hersteller werden wohl in Kürze folgen und ihre Grafikkarten auch teurer anbieten.

Ob die Hersteller wirklich gezwungen sind, die Preise anzuheben, läßt sich so nicht beantworten. Vielleicht haben sie ja wirklich so knapp kalkuliert, daß sie um eine Preiserhöhung nicht herumkommen.

Aber wie jetzt ein Insider gegenüber ComputerPartner behauptet, schlägt auch die Distribution zu. Dem allgemeinen Trend folgend, haben einige große Distis den Preis ihrer bereits auf Lager liegenden Grafikkarten drastisch erhöht. Solche Maßnahmen führen zwar zu höheren Gewinnen beim Disti, treiben aber dem Handel die Zornesröte ins Gesicht. (ch/jh)

Welcher Hersteller mit seinen neuen Produkten das Absatzrennen im Jahresendgeschäft machen wird, steht noch in den Sternen.

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