Der "Spirit" entscheidet über den Erfolg

Gurkentruppe oder Spitzenteam?



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Beim Versuch, aus Unternehmen High-Performance-Organisationen zu entwickeln, ist neben Erfahrung und Können stets auch ein Schuss Magie gefragt, sagt Dr. Georg Kraus. Und verweist auf den berühmten "Ringelmann-Effekt".

Kennen Sie den Ringelmann-Effekt? Maximilian Ringelmann, ein französischer Agraringenieur, untersuchte 1882 die Leistung von Pferden. Er fand heraus: Die Leistung zweier Pferde beim gemeinsamen Ziehen einer Kutsche ist nicht doppelt so hoch wie die eines einzelnen Pferds.

Fasziniert von dieser Entdeckung dehnte Ringelmann seine Untersuchungen auf Menschen aus. Er ließ jeweils zwei Männer an den Enden eines Taus ziehen und maß die Kraft, die jeder einzelne entfaltete. Er kam auf eine durchschnittliche Zugkraft von 63 Kilogramm pro Person. Dann ließ er Zweier-Teams an den Tauenden ziehen. Ihre gemeinsame Zugkraft betrug im Schnitt nur 118 Kilogramm. Und bei Dreier-Teams 160 Kilo – also deutlich weniger als 3 x 63 Kilo.

Nur wenn das Top-Team des Unternehmens wie ein Uhrwerk funktioniert, greifen neue Strategien. Je größer eine Gruppe ist, umso weniger wird die individuelle Leistung wahrgenommen.
Nur wenn das Top-Team des Unternehmens wie ein Uhrwerk funktioniert, greifen neue Strategien. Je größer eine Gruppe ist, umso weniger wird die individuelle Leistung wahrgenommen.
Foto: Sergey Nivens - Fotolia.com

Aufgrund seiner Versuche entwickelte Ringelmann eine Formel, um zu berechnen, wie hoch die Leistung beziehungsweise Effizienz von Gruppen ist, abhängig von der Zahl ihrer Mitglieder. Dieser Formel zufolge erbringen zwei Personen, die gemeinsam eine Aufgabe verrichten, nicht 2 x 100, sondern nur etwa 2 x 93 Prozent Leistung – und drei Personen nur 3 x 85 und 8 Personen gar nur 8 x 49 Prozent.

Das heißt: Acht Personen erbringen gemeinsam nicht einmal dieselbe Leistung wie vier einzelne Personen. Ringelmanns Erklärung hierfür: Je größer eine Gruppe ist, umso weniger wird die individuelle Leistung wahrgenommen. Entsprechend sinkt der persönliche Einsatz.

Die Aufgabe der Top-Manager

Wie können wir diesen sogenannten "Ringelmann-Effekt", mit dem fast alle größeren Organisationen kämpfen, vermeiden? Diese Frage beschäftigt viele Manager – selbst wenn sie den Namen Ringelmann noch nie gehört haben. Sie fragen sich immer wieder: Wie können wir in unserer Organisation die nötigen "Vibrations" erzeugen, um Spitzenleistungen zu erbringen? Oder anders formuliert: Was kann oder muss ich als Top-Manager tun, um eine positive Leistungskultur in unserem Unternehmen zu erzeugen?

Genau an diesem Punkt kommt das Thema Change-Management ins Spiel, bei dem es letztlich darum geht, Wege zu organisieren, wie in einem Unternehmen der nötige "Drive" erzeugt werden kann, um Spitzenleistungen zu erzielen.

Das magische Dreieck der Veränderung

Was sind die Ingredienzien eines solchen Wandels? Klar ist: Damit ein Unternehmen eine High-Performance-Organisation wird, müssen die drei Zahnräder Strategie, Struktur und Kultur ohne Reibungsverluste ineinander greifen. Also gilt es Antworten auf die Fragen zu finden:

  • Wohin geht die Reise (Strategie)?

  • Welchen (organisationalen) Rahmen brauchen wir hierfür (Struktur)? Und:

  • Welche Menschen mit welcher Einstellung und Haltung benötigen wir hierfür (Kultur)?

Die Strategie? Sie lässt sich im Top-Management entwickeln. Und die Struktur? Sie lässt sich top-down etablieren. Doch wie sieht es mit den Menschen aus, die die Strategie umsetzen und die Struktur mit Leben füllen müssen? Um sie als Mitstreiter zu gewinnen und zu einer Einstellungs- und Verhaltensänderung zu bewegen, ist ein differenzierteres Vorgehen nötig – denn ihre Leistungsfähigkeit und -bereitschaft hängt von vielen Faktoren ab.

Den Kampf um die Köpfe gewinnen

Und genau das macht das Entwickeln von High-Performance-Organisationen so schwer. Beim Versuch, sie zu entwickeln, stehen Manager vor einer ähnlichen Herausforderung wie Jogi Löw beim Planen des Auftritts der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der anstehenden Weltmeisterschaft in Brasilien.

Löw kann mit seinen Assistenten basierend auf einer Analyse der Spielweise der anderen Mannschaften (also sozusagen einer "Marktanalyse") und der Kompetenzen seiner Spieler das tollste Spielsystem (sprich Strategie) für sein Team austüfteln. Er kann zudem die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen, dass sich seine Mannen während des Turniers voll auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Doch ist damit der Erfolg garantiert? Nein, denn hiermit hat Löw nur Erfolgsvoraussetzungen geschaffen. Wie berauschend und erfolgreich sein Team tatsächlich spielen wird, hängt primär davon ab,

  • inwieweit er die Köpfe seiner Mannen erreicht und

  • inwieweit es ihm gelingt, aus den verschiedenen (Spieler-)Typen ein "Team" zu formen, das sich ergänzt und für das gemeinsame Ziel "Weltmeister 2014 werden" brennt.

Vor derselben Herausforderung stehen Spitzenmanager beim Versuch, ihre Unternehmen zu High-Performance-Organisation zu entwickeln. Auch dann ist neben Erfahrung und Können stets auch ein Schuss Magie gefragt.

Kontakt und Infos: Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der international agierenden Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de), für die über 100 Berater, Trainer und Projektmanager arbeiten. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist u.a. Autor des "Change Management Handbuch" und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.

European Change Management Forum 2014

Am 6. Juni veranstaltet Dr. Kraus & Partner in Berlin das dritte European Change Forum mit dem Titel "Make change happen - learn to deal with resistance!". Bei dem eintägigen Kongress referieren und debattieren Wissenschaftler und Firmenvertreter darüber, wie Changeprozesse in international agie-renden Unternehmen effektiv gestaltet werden können und wie der nötige "Change-Spirit" erzeugt und bewahrt werden kann. Die Kongress-Sprache ist Englisch. Nähere Infos: europeanchangeforum.org

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