Gute Zeiten, schlechte Zeiten

17.05.2001
Erhöhte Aufwendungen, eine Unternehmenspleite und schlechte Baukonjunktur - die Gründe für die roten Zahlen bei der Nemetschek AG sind vielfältig. Bis zum nächsten Jahr will der siebtgrößte deutsche Anbieter von Standard-Software den Karren aus dem Dreck gezogen haben.

1999 schien die Zukunft des Münchener Spezialisten für die Bereiche Bauen, Planen und Nutzen noch rosig: Sprudelnde Unternehmensgewinne, interessante Firmenzukäufe und neue Geschäftsfelder in den Sektoren E-Commerce und Internet waren an der Tagesordnung.

Im vergangenen Jahr kam dann der Einbruch: Die Nemetschek AG korrigierte ihre Gewinn- und Umsatzerwartungen mehrfach nach unten. Das Geschäftsjahr 2000 endete schließlich mit einem leichten Umsatzzuwachs von 3,3 Prozent - auf 253 Millionen Mark. Statt des anvisierten Gewinns von 45 Millionen Mark kam letztlich ein Minus von 10,7 Millionen Mark heraus. Zwar kann der Hersteller immer noch auf einen mit 55,7 Millionen Mark gut gefüllten Finanzmittelfonds verweisen, doch im Vorjahr hatten die Reserven noch satte 133,1 Millionen Mark betragen.

Von einem schlechten Geschäftsjahr spricht nun sogar der Konzern selbst. Im Sog des Börsengangs seien Management-Kapazitäten zu stark gebunden gewesen, so dass Probleme bei der Produktentwicklung nicht früh genug erkannt wurden, bekannte auch Gerhardt Merkel, Vorstandsvorsitzender der Nemetschek AG, anlässlich der Bilanzpressekonferenz Ende März.

Weil alles sehr schnell gehen musste, wurde beispielsweise die Architekturlösung "Allplan V16" nicht in Blöcken, sondern an alle Kunden gleichzeitig ausgeliefert. Dummerweise enthielt diese Version einen kleinen Fehler, der später erst mit Hilfe eines zusätzlichen Patches nachgebessert werden musste. Neben solchen vermeidbaren Problemen dürfte die immer noch schlechte Baukonjunktur dazu beigetragen haben, dass die Umsätze der Kerngeschäftsfelder Architektur, Ingenieurbau und Bauwirtschaft mit knapp 220 Millionen Mark unter dem Vorjahresergebnis lagen.

Doch damit nicht genug: Die Geschäftssparte Facility & Immobilien-Management konnte die hohen Erwartungen ebenfalls nicht erfüllen. Und die S3 AG, an der Nemetschek mit immerhin 30 Prozent beteiligt war, musste Insolvenz anmelden, was dem Konzern 8,1 Millionen Mark Miese einbrachte.

Schließlich lief auch die Internet-Tochter Mybau.com nur sehr schleppend an. Dabei verschlang ihr Aufbau im Jahr 2000 Kosten in Höhe von knapp acht Millionen Mark. Im laufenden Geschäftsjahr sind laut Plan weitere Aufwendungen in Höhe von 15 Millionen Euro nötig.

In der Tat, Nemetschek hat ein düsteres Jahr hinter. Um den Turnaround zu schaffen, hat der Hersteller inzwischen erste Gegenmaßnahmen eingeleitet. Eine geplante Umstrukturierung soll binnen zwölf bis 18 Monaten Früchte tragen. So plant Merkel für dieses Jahr ein Umsatzwachstum von acht Prozent auf 275 Millionen Mark. Bereits im nächsten Jahr will der Konzern zu seiner alten Stärke zurückkehren.

Erste Hilfe ist schon unterwegs

Probleme, wie sie bei Allplan V16 auftraten, soll es künftig nicht mehr geben. Hierfür hat Nemetschek seine Qualitätssicherung verstärkt und das alte Auslieferungssystem wieder eingeführt. Trotzdem soll die zur Entwicklung von neuer Software benötigte Zeitspanne sinken, weitere Kosteneinsparungen in Höhe von 17 Millionen Mark sind geplant. Parallel dazu sollen die nach dem Börsengang akquirierten Unternehmen zügig in den Konzern integriert werden. Hierzu möchte der Firmenchef engere Führungsstrukturen, besseres Berichtswesen, höhere Transparenz und klarere Verantwortungszuordnung einführen.

Schließlich hat Nemetschek das Internet-Portal Mybau.com mit den Online-Aktivitäten von Strabag und Bilfinger + Berger gebündelt. Hieraus verspricht man sich eine gewisse Marktmacht und eine Minderung des Einzelrisikos. Merkel ist überzeugt: "In dieser Sparte werden künftig nur Firmen bestehen, die sich Partner suchen. Andere werden möglicherweise keinen so langen Atem haben."

Der Kommentar der Branche bleibt hierzu verhalten. Aufgrund der Beteiligung von zwei großen Baufirmen dürfte es schwierig werden, Mybau.com als unabhängige Plattform zu etablieren, lautet die einhellige Meinung im Markt. Frank Weise, Geschäftsführer der deutschen Landesgesellschaft von B2build, beargwöhnt gar die komplette Strategie: "Die Kooperation war ein strategisch zweifelhafter Schritt, weil Nemetschek damit seine Unabhängigkeit als Technologiebetreiber aufgegeben hat. Mybau.com dürfte künftig nur begrenzten Charme auf weitere Bauunternehmen ausüben, weil diese ihre sensiblen Einkaufskonditionen sicherlich nicht Wettbewerbern wie Bilfinger + Berger oder Strabag zur Einsicht geben möchten."

Und was sagen die Händler dazu? "Wir sind zufrieden", kommentiert Peter Simon, Inhaber von Simon EDV-Systeme, sein Business mit Nemetschek. "Für uns lief das zurückliegende Jahr genau wie die Jahre zuvor. Wir haben ein gesundes Wachstum verzeichnet - nicht mehr, aber auch nicht weniger."

Auch für Rainer Gerhardt, Inhaber von Gerhardt Datentechnik, lohnt sich das Geschäft mit Nemetschek nach wie vor. "Wenn die Zusammenarbeit mit allen Herstellern so gut liefe, wäre ich glücklich." Natürlich gebe es in einigen Bereichen Einbußen, aber die könne man leicht mit anderen Lösungen ausgleichen. Einzig die Prognosen des am Neuen Markt notierten Unternehmens seien wohl etwas zu hoch gegriffen gewesen. Doch auch das habe Nemetschek mit anderen Herstellern im IT-Bereich gemeinsam. "Ich kann einfach meinen Umsatz nicht ohne weiteres innerhalb eines Jahres verdoppeln oder gar vervielfältigen. Das klappt doch nur auf dem Papier", zieht Gerhardt sein persönliches Resümee.

www.nemetschek.de

ComputerPartner Meinung:

Guru Börse, wir huldigen Dir und geloben 100 Prozent mehr Umsatz, 80 Prozent mehr Gewinn und mindestens fünf Firmenzukäufe im nächsten Jahr. Die eigene Firma röllig den Börsengesetzen zu unterwerfen, das kann nicht gut gehen. Das dabei erbrauchte Opfer einfach zu groß. Nicht nur Nemetschek hat das zu spüren bekommen, auch IT-Riesen wie Cisco, EMC und andere sind an den überzogenen Erwartungen gescheitert.

Kehren wir doch bitte mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ein gesundes Wachstum heißt zehn bis 15 Prozent. Und im IT-Geschäft geht es um die Herstellung und den Vertrieb von Soft- und Hardware, nicht um die Produktion von Aktiencharts. Wenn diese Einsicht mal durchgedrungen ist, werden wir feststellen, dass es den meisten Unternehmen gar nicht so schlecht geht, auch Nemetschek nicht. (cry)

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