Händler-Programme der Netzwerkhersteller: Oft lohnt ein zweiter Blick

24.04.1998

MÜNCHEN: Alle größeren Netzwerkhersteller bieten dem Fachhandel heute spezielle Händler-Programme an, in deren Rahmen der Handel auf Marketing- und Support-Dienstleistungen des jeweiligen Herstellers zugreifen kann. Auf dem Papier sehen alle diese Programme wunderbar aus, doch ein Blick hinter die Kulissen lohnt sich allemal, schreibt Wolfgang Scherer*.Netzwerkkomponenten bilden nach wie vor eines der am schnellsten wachsenden Marktsegmente innerhalb der DV-Industrie. Ethernet- und Fast-Ethernet-Hubs sind mittlerweile Commodity-Produkte mit recht knappen Margen geworden, und viele Hersteller tun alles, um ihre Produkte über niedrige Preise und zusätzliche Sonderaktionen in den Kanal zu drücken.

Für den Fachhandel auf den ersten Blick eine schöne Situation, läßt sich doch durch Preisvergleiche im Einkauf so manche Mark sparen.

Rabatte kontra langfristige Bindungen

Doch, wie fast immer, trügt der schöne Schein. Vorteile im Einkauf lassen sich nur selten in höhere Margen übersetzen, da der Markt den Händler dazu zwingt, die entsprechenden Rabatte weitestgehend an den Endkunden durchzureichen. Zudem hindert die ständige Jagd nach Schnäppchen den Händler daran, langfristige und vertrauensvolle Beziehungen zu einem oder zwei Herstellern aufzubauen, von denen er langfristig sicher mehr profitieren kann als von drei zusätzlichen Rabattpunkten hier und da.

Diese Beziehungen werden um so wichtiger, als sich die großen Distributoren nach amerikanischem Vorbild immer mehr zu reinen Logistikunternehmen entwickeln. Sie sehen ihren Unternehmenszweck primär darin, möglichst viele Produkte möglichst schnell und effizient von A nach B zu befördern.

Hersteller und Händlerbetreuung

In der Folge dieser Entwicklung verändert sich die Arbeitsteilung zwischen Hersteller und Distributor. Die Händlerbetreuung im Sinne von Beratung und Information wird zunehmend auf den Hersteller verlagert, während der Distributor vor allem die Lieferfähigkeit sicherstellt. Natürlich gibt es am oberen Ende des Marktes nach wie vor hochqualifizierte Value Added Distributoren.

Doch im Bereich der Commodity-Produkte, in dem die Margen auch für die Distribution ziemlich knapp sind, kann der Fachhandel von dieser Seite nicht sehr viel Unterstützung erwarten.

Viele Hersteller haben daher spezielle Partner-Programme ins Leben gerufen, um den Händlern den erforderlichen Support zu geben und sie dadurch an sich zu binden. Regelmäßige Produktinformationen, technische und Marketing-Unterstützung bilden die Basis praktisch aller dieser Programme. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich nicht sonderlich voneinander, doch es gibt für den Händler genügend Grund für einen zweiten Blick.

Information

Je kürzer die Produktzyklen werden, desto wichtiger werden für den Fachhandel aktuelle Informationen über neue Produkte und deren Verfügbarkeit. Wer schneller über aktuelle Produkte informiert ist, kann sie auch schneller verkaufen. Und ein neuer Hub oder Switch, von dem der Händler erst Monate später aus dem neuen Katalog seines Distributors erfährt, ist zu diesem Zeitpunkt möglicherweise schon wieder überholt. Der Händler sollte daher darauf achten, daß sein Hersteller einen direkten Informationskanal zum Fachhandel unterhält und auch wirklich pflegt.

Doch Produktinformation ist nur die eine Seite der Medaille. Ebenso wichtig sind Informationen über technische Grundlagen, Netzwerkarchitekturen und Anwendungsbeispiele. Vor allem Händler, die sich aus der reinen Commodity-Nische befreien und möglicherweise auch Switching-Umgebungen realisieren möchten, sind auf diese Art von Informationen angewiesen. Sie sollten daher zumindest auf Anforderung verfügbar sein.

Marketing- und Vertriebsunterstützung

Während es beim Informationsfluß manchmal noch etwas hakt, kann der Händler sich heute ziemlich sicher sein, daß sein Wunsch nach Unterstützung im Marketing beim Hersteller auf offene Ohren trifft. Schließlich liegt es auch in dessen Interesse, wenn der Fachhandel seine Produkte promotet. Eine ordentliche Versorgung mit Datenblättern und POS-Materialien darf man heute überall erwarten, und viele Hersteller bieten ihren Händlern auch vorbereitete Mailingtexte an und stellen ihre Logos für Anzeigen und Marketingaktionen zur Verfügung.

Zum gehobenen Standard gehören vorbereitete Produkt- und Technologie-Präsentationen, mit denen der Händler zum Kunden gehen kann, um die Grundlagen seiner Lösungen vorzustellen. Wer von seinem Hersteller zudem bei Bedarf auch einmal leihweise ein Demogerät bekommt, kann sich glücklich schätzen.

Während sich die Marketingprogramme der Hersteller oft nur marginal unterscheiden, gibt es im Bereich der direkten Vertriebsunterstützung deutliche Unterschiede. Zwar versucht jeder Hersteller, über Anzeigen in Fachzeitschriften und Mailings die Nachfrage zu wecken. Doch wie mit den dadurch erzeugten Kundenadressen ("Leads") umgegangen wird, entscheidet darüber, wie sinnvoll solche Maßnahmen für den Fachhandel wirklich sind.

Direkte Unterstützung

Hersteller, die solche Endkunden-Anfragen - möglicherweise nach Wochen oder gar Monaten - mit einem Standardbrief und drei Datenblättern beantworten und vielleicht noch die Adressen ihrer Distributoren beilegen, sind für den Fachhändler nicht unbedingt eine große Hilfe. Gerade im sehr schnellen Netzwerkmarkt ist er auf eine zeitnahe Reaktion angewiesen. Zudem sollte der potentielle Kunde zumindest die Adresse des Händlers kennen und nicht nur die des Distributors.

Ideal ist es natürlich, wenn der Hersteller solche Leads direkt und schnell an den Fachhandel weiterleitet, so daß dieser proaktiv agieren kann. Einen solchen Service sucht man allerdings oft vergebens.

Technischer Support

Bei jedem Hersteller ist zunächst einmal der Händler selbst für die technische Unterstützung seiner Kunden und der von ihm installierten Produkte verantwortlich. Die hierfür erforderliche Expertise muß er vorhalten - nicht zuletzt ist sie auch ein entscheidendes Qualitätsmerkmal in einem immer enger werdenden Markt. Der Händler sollte sich jedoch darauf verlassen können, daß sein Hersteller ihn dabei unterstützt, diese Expertise aufzubauen und immer auf dem neuesten Stand zu halten. Hierzu gehören unter anderem Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter des Händlers sowie die regelmäßige Versorgung mit aktuellsten technischen Informationen und Treibern. Solche Angebote sollten die Mindestanforderung des Händlers an seinen Hersteller darstellen.

"Second Tier Support"

Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Herstellerauswahl sind die Supportangebote für den Fall, daß der Händler ein technisches Problem beim Kunden doch nicht lösen kann - der sogenannte "Second Tier Support". Hier sollte der Fachhandel unkomplizierten Zugriff auf eine Hotline des Herstellers haben. Schön, wenn am anderen Ende der Telefonleitung jemand sitzt, der nicht nur die Produkte im Detail kennt, sondern auch noch deutsch versteht und spricht - was durchaus nicht immer selbstverständlich ist.

Die nur selten zu findende Ideallösung ist ein dedizierter Ansprechpartner in der Hotline des Herstellers, der im Laufe der Zeit auch ein Verständnis für das Geschäft, die Kunden und die Installationen des Händlers aufbauen kann.

Persönliche Betreuung

Gerade für kleinere Fachhändler ist es wichtig, beim Hersteller eine persönliche und individuelle Betreuung zu finden, die seiner spezifische Situation gerecht wird. Ein dedizierter Fachhandelsbetreuer in der lokalen Niederlassung des Herstellers kann hier sehr hilfreich sein. Er sollte der primäre Ansprechpartner für alle Belange des Händlers sein und bei Bedarf andere Ressourcen innerhalb der Herstellerorganisation hinzuziehen, um den Händler zu unterstützen.

In diesem Zusammenhang lohnt sich auch ein Blick auf die Firmenphilosophie des Herstellers. Ist die Qualität seiner Händlerbetreuung umsatzunabhängig, oder hat er so viele Händler in sein Händler-Programm aufgenommen, daß er sich zwangsläufig nur um die umsatzstärksten wirklich kümmern kann? Besteht er vielleicht sogar auf Mindestumsätzen, die man wegen eines größeren Projekts in diesem Jahr zwar erzielen kann, im nächsten Jahr möglicherweise aber nicht mehr? Letztlich geht es dabei um die Frage, ob ein Hersteller auch kleinere Fachhändler und Integratoren wirklich ernst nimmt, und diese Frage sollte man schon mit einem eindeutigen "ja" beantworten können.

Fazit

Rabatte sind nicht alles - aber ohne Rabatte ist alles nichts. Trotzdem gibt es neben günstigen Konditionen und möglichst attraktiven Margen eine Vielzahl anderer Kriterien, die gerade kleine und mittlere Fachhändler bei der Auswahl ihrer Hersteller berücksichtigen sollten. Und wenn es schließlich doch um die Rabatte geht, sollte man wenigstens darauf achten, daß diese wirklich dem Händler zugute kommen und nicht nur dem Distributor. n

SMC-Manager Scherer: "Auf den zweiten Blick unterscheiden sich die Partner-Programme."

*Autor Wolfgang Scherer ist European Channel Marketing Manager des Netzwerkkomponentenherstellers SMC in München.

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