Handel schlägt Schnäppchen-Jägern ein Schnippchen

09.08.2001
In Sendungen wie "Spiegel TV" sind zurzeit wahre Horrorszenarien für den Handel zu sehen. Von Rabatten bis zu 30 Prozent ist die Rede - undenkbar bei den mageren Margen für Fachhändler. Doch ist es wirklich so schlimm? Könnte der Wegfall des Rabattgesetzes vielleicht sogar eine Chance sein?

Eigentlich ist ja nicht wirklich etwas passiert, nur dass es nun zwei Gesetze weniger gibt. Wir dürfen jetzt Rabatte geben, müssen aber nicht", spielt ein Fachhändler für Soft- und Hardware aus dem Münchener Raum den derzeitigen Rummel um das Rabattgesetz herunter. Dennoch möchte er wie die meisten nicht genannt werden. Es soll nicht so aussehen, als gäbe er gar nicht im Preis nach. Ja, in der letzten Zeit frage fast jeder zweite Kunde nach, erklärt ein anderer. Doch man gebe sich rigoros. "Wir haben gar nicht den Spielraum dafür. Unsere Margen sind nicht so hoch, wie immer behauptet wird. Außerdem wäre das ja unfair den anderen Kunden gegenüber - denen, die nicht handeln können oder wollen", erklärt er. "Bislang ist nur ein Kunde wieder gegangen, und der wollte doch tatsächlich Rabatt für ein Zehnmarkprodukt."

Alle Ladengeschäfte, in denen ComputerPartner nachgefragt hat, sind sich allerdings über eines einig: Keiner will die Preise erhöhen, um dann großzügig Rabatte geben zu können. Außerdem: "Die Schnäppchenjäger waren vorher auch schon da, und die wird es immer geben", so der Inhaber eines Fachmarktes mit zwei Filialen. "Wir haben intern besprochen, wie wir reagieren. Nicht dass uns ein besonders hartnäckiger Kunde gegeneinander ausspielt."

Ansonsten setzt der Kaufmann lieber auf Zugaben, die, wie er betont, allerdings vorher auch schon gang und gäbe waren. "Wir geben halt dann ein Spiel oder ein Mauspad dazu. Unsere Kunden kommen nicht zu uns, weil sie die günstigs-ten Preise haben wollen. Sie wollen den persönlichen Kontakt", erklärt er.

Wenn einer in den Preiskrieg zieht, verlieren alle

Zu diesem Schluss kommt auch die Unternehmensberatung OC & C, die sich eingehend mit dem Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung beschäftigt hat. Jedes Unternehmen muss seine Position im Wettbewerbsumfeld analysieren, so die Spezialisten. Daraus könne man dann die rich-tige Strategie im Umgang mit Schnäppchenjägern entwickeln.

OC & C sieht gute Chancen für alle Handelsunternehmen, sofern sie nicht den Fehler machen und einen Preiskrieg anfangen. Dann wären alle die Verlierer. Zum einen drehe diese Vorgehensweise die Preis-spirale nach unten, ohne langfris-tig Umsatzzuwächse zu gewähr-leisten. Zum anderen müssten die gewährten Rabatte mit unverhältnismäßig hohen Umsätzen wieder hereingeholt werden (siehe Grafik). Ein Spezialsortimenter mit mehreren Filialen müsste zum Beispiel bei der Vergabe von nur fünf Prozent Rabatt seinen Umsatz um 18,5 Prozent steigern. Bei 15 Prozent Rabatt wären es schon 88,2 Prozent mehr Umsatz, der wieder hereinkommen müsste.

Dies sehen auch die großen Retailer nicht anders. Ihnen ist durchaus bewusst, dass sie nur ein bestimmtes Rabattkontingent zur Verfügung stellen können. "Was nutzt es uns, wenn wir errechnen, dass wir zum Beispiel 5.000 Mark für Rabatte bereitstellen können? Damit kommen wir nicht weit, also geben wir keinen Rabatt", winkt ein Mitarbeiter der Olchinger Filiale des Retailers TV Markt 2000 ab. Dort wird nach Aussage der Mitarbeiter "fast gar kein Rabatt" gegeben. "Allerhöchstens geben wir drei bis fünf Prozent, und dann auch nur, wenn der Kunde den Laden leer kauft", so ein Berater.

Produkt-Bundling befreit von Ladenhütern

Die Nutzenpotenziale von vernünftigen Rabatt- und Zusatzaktionen müssen langfristig gesehen werden. Sie schlagen sich nicht direkt in höherem Umsatz nieder. OC & C führt vor allem an, dass man durch solche Marketing-Aktionen bessere Einsicht in das Verhalten seiner Kunden gewinnt, die man wiederum gewinnbringend einsetzen kann, zum Beispiel durch Kundenbindungsprogramme wie etwa Rabattmarken. Auch die Einrichtung eines VIP-Status mit umsatzabhängigem Staffelrabatt gehört in diese Kategorie.

Als nutzbringend stuft OC & C zum Beispiel auch Produktbündelungen ein. Damit könne man Ladenhüter unter die Leute bringen und seinen Kunden gleichzeitig das Gefühl geben, ein Schnäppchen gemacht zu haben. "In dieser Hinsicht wird im Oktober einiges von uns kommen", stellt der TV-Markt-Mitarbeiter in Aussicht. Für das 50. Jubiläum habe man schon einige Aktionen in dieser Hinsicht im Hinterkopf. Die kleinen Einzelhändler hingegen warten ab - immer mit einem Auge auf den Mitbewerb, aber im Großen und Ganzen relativ entspannt.

www.occstrategy.de

ComputerPartner-Meinung:

Wie immer wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Kundenbindung und Marketing-Aktionen gab es schon immer, auch im Zeitalter des Rabatgesetzes. Und dabei waren diese zwei veralteten Gesetze nur hinderlich. Außerdem: Geschützt werden sollte dadurch, nebenbei gesagt, nicht der Handel, sondern der Kunde. Und wenn ein Unternehmer die Rabattvergabe geschickt anstellt, zieht er einen nicht zu verachtenden Nutzen daraus. (gn)

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