Das Projekt makeITfair hat belastende Vorwürfe gegen die Elektronikindustrie erhoben. Bei Herstellern von Mobiltelefonen würden schwere Arbeitsrechtsverletzungen vorliegen und unwürdige Arbeitsbedingungen herrschen. Das von der EU geförderte dreijährige Projekt besteht aus neun Organisationen aus verschiedenen Ländern und hat die Zustände in sechs asiatischen Zulieferfabriken untersucht, die Bauteile für Nokia, Samsung, Motorola, LG, Sony Ericsson und das Apple iPhone produzieren. makeITfair zufolge verletzen die vorgefundenen Arbeitsbedingungen nationale Gesetze, Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation und selbst die eigenen Verhaltenskodizes der Handykonzerne.
"Junge Arbeiter hantieren ohne Schutzkleidung mit Chemikalien, leisten unmenschlich viele Überstunden, um Grundbedürfnisse zu decken und werden für Fehler bestraft. In den asiatischen Freihandelszonen, wo die Fabriken angesiedelt sind, werden Proteste oft brutal unterdrückt", lauten die Vorwürfe von makeITfair. Die Elektronikkonzerne erhielten dem Projekt zufolge die Möglichkeit, zu den Ergebnissen der Untersuchung Stellung zu nehmen. Das niedrige Lohnniveau in den Zulieferfabriken sei von keinem der Unternehmen bestritten worden. Dabei gehen mit den Niedriglöhnen weitere Probleme einher, die mit den Verhaltenskodizes der Markenkonzerne in Konflikt stehen. So sähen sich die Arbeiter gezwungen, unvertretbar viele Überstunden zu leisten, um über die Runden zu kommen. Aus Erschöpfung würden sie während der Arbeit einschlafen und Fehler begehen. Zur Bestrafung werde der ohnehin niedrige Lohn weiter gekürzt.
Nokia: "Wir nehmen den Bericht ernst."
"Wir nehmen den Bericht ernst und haben in den vergangenen sechs Monaten mit dem Projekt und den Fabriken zusammengearbeitet, um die Vorwürfe und Verbesserungsmöglichkeiten in den Fabriken zu diskutieren", heißt es von Nokia. Illegale Handlungen, wie sie in dem Bericht beanstandet werden, würden von dem finnischen Handykonzern in keiner Weise akzeptiert. "Neben der Erfüllung gesetzlicher Pflichten äußert der Bericht Bedenken über die Notwendigkeit, den Standard der Arbeitsbedingungen in den Fabriken an jenen in anderen Teilen der Welt anzugleichen. Nokia arbeitet bereits seit einigen Jahren mit seiner Zulieferkette zusammen, um Fortschritte in der Rechtseinhaltung und Verbesserungen in der sozialen und ökologischen Praxis speziell in Entwicklungsmärkten mit einer noch relativ jungen Industrie zu erreichen", so Nokia gegenüber pressetext. Weitere Verbesserungen seien vorgesehen und Nokia werde dort Maßnahmen ergreifen, wo sie erforderlich sind.
"Die Fabrikarbeiter in China und den Philippinen müssen einen hohen Preis dafür zahlen, dass wir Handys immer billiger kaufen können. Den zumeist jungen Frauen in den asiatischen Fabriken werden ihre Grundrechte vorenthalten. Oft haben sie kaum eine Chance, ihre Situation zu verbessern, da unabhängige Gewerkschaften zumeist verboten sind", sagt Cornelia Heydenreich, Referentin Unternehmensverantwortung bei Germanwatch, einer der beiden deutschen Trägerorganisationen von makeITfair. Pro Sekunde werden 36 Mobiltelefone produziert, etwa die Hälfte davon entfalle auf China. Der Großteil werde von Frauen im Alter zwischen 16 und 30 Jahren hergestellt.
Das geforderte hohe Arbeitstempo in den Fabriken zwinge einige Arbeiter, ohne Schutzkleidung zu arbeiten, obwohl sie mit Chemikalien hantieren, die ihre Gesundheit beeinträchtigen können. In vielen Fällen seien sie nicht ausreichend über die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen und den richtigen Umgang mit den Substanzen aufgeklärt. "Die Zulieferfirmen, die von makeITfair befragt wurden, beschweren sich über die kaum zu erfüllenden Anforderungen der Handy-Firmen. Einerseits sollen die Zulieferer die Herstellungskosten reduzieren. Andererseits sollen sie die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards bei der Produktion verbessern, aber diese Investitionen kosten Geld", heißt es vonseiten des Projekts. Die Fabriken seien nicht in der Lage, diesen Anforderungen zu genügen. Es falle in die Verantwortlichkeit der Handy-Firmen, Anreize für soziale und ökologische Investitionen zu schaffen, statt die bisherigen Einkaufspraktiken weiterzuführen. (pte)/(bw)