"Hat die Ameise erst einmal ausgekrabbelt?"

17.08.2000
Die Internet-Firma Letsbuyit.com hat am 24.07.2000 bekannt gegeben, dass sie wegen ihres Preismodells in Deutschland eine einstweilige Verfügung des Landgerichts erhalten habe. Hiergegen sei bereits Berufung eingelegt worden. Nichtsdestotrotz habe man die Preispolitik geändert. Volker Siegel* gibt Hintergrund-informationen zu diesen Thema.

Interessant ist, dass bereits im Jahr 1999 das OLG Hamburg ein Urteil zum gleichen Komplex gefällt hat. Seinerzeit war also schon die zweite Instanz mit diesem Sachverhalt befasst. Betroffen war in diesem Fall Powershopping.de. Die Entscheidung zeigt eine eklatante Schwäche des deutschen Wettbewerbsrechts, das zum Teil noch aus den 30er-Jahren dieses Jahrhunderts stammt und hier dem schwedischen Unternehmen in Deutschland den Wind aus den Segeln nimmt. Die Ameise krabbelt dennoch munter weiter.

Grundidee des Powershopping war im Fall des OLG Hamburg, dass in einem abgestuften Verfahren Kunden auch von der Kauflaune anderer Kunden profitieren konnten, indem die Preise mit zunehmender Käuferzahl kontinuierlich sanken (siehe Kasten).

Das System war in diesem Fall noch etwas komplizierter. So schrieb das Unternehmen unter anderem: Die Preise, zu denen wir zum Beispiel ein Fahrrad anbieten, liegen in Abhängigkeit von der Anzahl der Käufer zwischen 300 und 500 Mark. Finden sich nur weniger als 21 Leute, die bereit sind, das Fahrrad für 500 Mark zu kaufen, so erhält diese Anzahl von Käufern das Fahrrad für 500 Mark. Finden sich hingegen mehr als 20 Käufer, die 450 oder 500 Mark bereit sind zu zahlen, so erhält jeder dieser Käufer das Fahrrad für 450 Mark, selbst dann, wenn er ursprünglich 500 Mark angeboten hat. Finden sich mehr als 40 Käufer, so erhalten alle Käufer, die bereit waren, 400 Mark oder mehr zu bezahlen, das Rad für 400 Mark. Die aktuelle Preisstufe erkennnt man am schwarzen Pfeil.

Powershopping ist in den meisten Ländern der EU und den USA längst üblich geworden. In Deutschland ist ihm in der oben dargestellten Form seit der erfolgreichen Klage eines Mitbewerbers erst einmal ein Riegel vorgeschoben worden. Jetzt hat es auch die Ameise aus Schweden getroffen.

Verstoß gegen §1 I und 7 des Rabattgesetzes

Das Unternehmen hatte nicht mehrere nebeneinander bestehende Angebote gemacht, sondern einen höchsten Preis als Normalpreis angegeben. Die darunter stehenden Preise wurden als Mengenrabatte beurteilt.

Nach dem Rabattgesetz ist es jedoch nur innerhalb sehr enger Grenzen (zum Beispiel Sommerschlussverkauf und ähnliche Aktionen) erlaubt, einen Rabatt von mehr als drei Prozent zu gewähren. Da nun die Leistung für den Bezieher der Ware stets die gleiche war (im Beispiel ein Fahrrad), war ein Mengenrabatt für den individuellen Kunden nicht gegeben. Außerdem konnte der Kunde bei der Abgabe seines Angebots nie sicher sein, dass er tatsächlich die Ware erhält, weil ja andere Kunden mitbieten mussten und es nicht zu viele Interessenten geben durfte (zumindest auf der unteren Preisstufe).

Auch der (erlaubte) Mengenrabatt, der ja hier durch das Zusammenwirken von vielen Käufern erzielt werden sollte, soll hier laut Gericht nicht vorgelegen haben: Hier nahm ja der einzelne Kunde keine bestimmte größere Menge ab und erzielte dadurch den Mengenrabatt, vielmehr geschah das durch das Zusammenfassen mehrerer Orders. Das Gericht sah auch keinen vernünftigen Grund, warum der Mengenrabatt greifen soll: Zum einen sei der Mengenrabatt in dieser Form nicht handelsüblich, zum anderen sei dies auch keine wirtschaftlich vernünftige Fortentwicklung des Mengenrabatts.

Kleine Händler schützen?

Dem Wortlaut des Gesetzes ist in der vorliegenden Entscheidung sicherlich Genüge getan worden. Es leuchtet aber nicht ein, warum nicht mehrere Kunden zusammen in den Genuss von Mengenrabatten kommen sollen: Wenn der potentielle Kunde sich selbst mehrere Kunden sucht und für diese mit einkauft, kann er ja auch einen Mengenrabatt erhalten. Das Gericht sieht auch keine "wirtschaftlich vernünftige Fortentwicklung". Dagegen spricht aber, dass Kunden die Möglichkeit haben, einen bestimmten niedrigeren Preis für eine Ware zu bezahlen, und Händler mehr Güter absetzen können. Das ist wirtschaftlich für beide Seiten vernünftig.

Das Rabattgesetz sollte ursprünglich kleine Händler vor übermächtiger erdrückender Konkurrenz schützen. Das tut es nicht mehr. Im Internet kann jeder Händler seine Waren beliebig anbieten und weltweit Kunden gewinnen. Damit kann er wesentlich größere Kundenkreise ansprechen als bisher und seinen Kundenkreis genau so erweitern wie jedes andere Unternehmen.

Pfiffige Ideen, die gerade junge und verhältnismäßig kleine Unternehmen gegenüber großen Unternehmen Marktnischen eröffnen, werden mit Hilfe des berühmten deutschen Paragrafendickichts verhindert. Zwar mag der Einzelhandel (noch) profitieren, jedoch sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass dieser mit Ausnahme der Schnäppchenpreise nicht teurer ist als der Großhandel oder die Angebote im Internet. Außerdem wird der Einzelhandel aufgrund fachlicher und persönlicher Ansprache immer den Vorteil der langjährigen Kundenbindung haben. Wenn er im Internet den Anschluss verliert, könnte sich das sehr schnell ändern.

Würden daher gerade kleine Unternehmen die Vorteile, die sie haben, auf E-Commerce übertragen, könnten sie derartige "Angriffe" leichter abwehren.

Auswirkungen innerhalb Deutschlands

Dieser Vorgang zeigt, dass Wettbewerber zunehmend versuchen, Wettbewerbsvorteile durch Prozesse zu erreichen. Unternehmen müssen daher bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten zunehmend mit juristischen Problemen rechnen und diese vorab klären. Die Firma Letsbuyit.com hat bereits angekündigt, ihr Angebot in Deutschland zu modifizieren. Sie ist nach wie vor aktiv.

Auf Dauer wird sich das deutsche Wettbewerbsrecht wohl den nicht nur EU-weit, sondern international geltenden Gepflogenheiten angleichen müssen. Die geplante EU-Richtlinie zum E-Commerce wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Teilen dieses Gesetzes den Todesstoß versetzen.

Das deutsche Wettbewerbsrecht verhindert (wieder einmal) innovative Ideen und behindert damit auch deutsche Unternehmen. Zunehmend bemühen Wettbewerber die Gerichte beim Kampf um Kunden und Marktanteile. Damit wird auch die Einbeziehung und Überprüfung rechtlicher Aspekte bereits bei der Planung von Marketing, und sonstigen kaufmännischen Aktivitäten immer wichtiger.

www.letsbuyit.com

www.powershopping.de

*Volker Siegel ist Rechtsanwalt in München. E-Mail: v.f.siegel@gmx.de

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