Headhunting oder seriöse Personalberatung

25.03.1999

MÜNCHEN: Im völlig leergefegten IT-Arbeitsmarkt ist die Direktansprache durch Personalberater oft die letzte Möglichkeit, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Headhunter erfreuen sich hierzulande nicht des besten Rufs und werden zumeist nur zähneknirschend mit der Suche geeigneter Kandidaten beauftragt. Zwischen seriösen Personalberatern und Headhuntern, die lediglich vom Run auf die rar gewordenen IT-Spezialisten profitieren möchten, gibt es jedoch große Unterschiede, wie Dr. Manfred Anton, geschäftsführender Gesellschafter der Franfurter Ciratel Consulting GmbH, zu berichten weiß. Mit ihm sprach ComputerPartner-Mitarbeiter Ulrich Kramer.Herr Dr. Anton, was zeichnet einen seriösen Headhunter aus?

ANTON: Die Frage ist zunächst, ob das, was man üblicherweise "Headhunting" nennt, überhaupt mit dem Attribut seriös in Verbindung gebracht werden kann. Während Headhunting im anglo-amerikanischen Sprachraum wertfrei das meint, was wir unter Personalberatung verstehen, verbinden wir hier in Deutschland mit "Headhunting" eher die weniger seriöse Variante der Personalberatung. Der Headhunter in diesem Sinne ist vor allem an "der schnellen Mark" interessiert und kümmert sich dementsprechend wenig darum, ob das, was und insbesondere wie er es macht, seriös ist. Der seriöse Personalberater versteht sich dagegen in erster Linie als kundenorientierter Dienstleister, der sein Tun und Handeln an den Zielen seiner Kunden ausrichtet. Kennzeichnend für ihn ist aus meiner Sicht insbesondere, daß er den Begriff Kunde in zweifacher Weise interpretiert. Kunde ist zum einen der Klient, in dessen Auftrag der Personalberater arbeitet. Doch richtig verstanden, wenn auch nicht im juristischen Sinn, ist auch der Kandidat ein Kunde.

Welche Vorbildung sollte ein guter Berater mitbringen? Eine prallgefüllte Datenbank potentieller Kandidaten reicht alleine wohl nicht aus?

ANTON: Mal abgesehen davon, daß eine prallgefüllte Datenbank noch längst nichts über die Qualität der Datenbestände sagt, ist auch die gut gepflegte Datenbank nur ein Instrument der Suchphase. Natürlich nutzen wir das Beziehungsnetz, das wir im IT-Markt zu Unternehmen und Kandidaten geknüpft haben. Doch darüber vernachlässigen wir nicht die anderen Suchinstrumente, insbesondere Executive Search und die medienbasierte Suche in Printmedien und im Internet. Während jedoch der typische Headhunter seine Aufgabe aus seiner Sicht, und wohl auch aus Sicht seiner Auftraggeber, erfüllt hat, wenn er Kontakte zu potentiellen Kandidaten hergestellt hat, beginnt für uns nun der für eine erfolgreiche Stellenbesetzung sehr wesentliche zweite Teil. Hierbei geht es vor allem um die Moderation der Interviews und die Beratung des Klienten bei der Entscheidung für oder gegen den Kandidaten und umgekehrt die Beratung des Kandidaten bei der Entscheidung für oder gegen die zu besetzende Position. Und damit komme ich zum ersten Teil Ihrer Frage, nämlich dazu, welche Vorbildung ein guter Berater mitbringen sollte. Meine Antwort lautet schlicht und einfach: Der erfolgreiche Berater muß über die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, die eine erfolgreiche Führungskraft auszeichnen. Nur wer die Geschicke eines Unternehmens auf den oberen Führungsebenen und mit voller Ergebnisverantwortung bestimmt hat, bringt die notwendige Führungserfahrung mit und ist ein adäquater Gesprächspartner des Managements und Topmanagements seiner Klienten.

Anspruch und Wirklichkeit im Berufsalltag eines Headhunters klaffen vielfach weit auseinander. Auf der Jagd nach der schnellen Mark im Notstandsgebiet IT-Personalmarkt ist so manche Rekrutierung fragwürdig. Bleiben da nicht allzu oft Kandidat und Auftraggeber auf der Strecke?

ANTON: Soweit sich Ihre Feststellungen auf den Berufsalltag eines Headhunters beziehen, kann ich Ihnen nur zustimmen. Der Berater, der sich seinen Kunden verpflichtet fühlt, kommt in dieses Dilemma nicht, wobei ich unter Kunde, wie bereits gesagt, Klienten und Kandidaten verstehe. Eine Position ist nur dann richtig besetzt, wenn damit die Ziele von Unternehmen und Kandidat bestmöglich erfüllt werden. Die Vorstellungen, Erwartungen und Ziele beider Marktpartner herauszuarbeiten und beiden Seiten transparent zu machen, ist die wohl wichtigste Aufgabe des den Rekrutierungsprozeß moderierenden Beraters. Nur so kann er für Unternehmen und Kandidat eine Plattform schaffen, die es beiden erlaubt, Entscheidungen zu treffen, die langfristig tragfähig sind.

Die Suche nach geeigenten Kandidaten beschränkt sich meist nur auf die Mitarbeiter großer und namhafter Unternehmen. Sind die Mitarbeiter kleiner und mittelständischer Unternehmen weniger geeignet?

ANTON: Die Frage, in welchen Unternehmen die geeigneten potentiellen Mitarbeiter aktuell tätig sind, hängt in erster Linie vom Anforderungsprofil der jeweils konkret zu besetzenden Position ab. Nur wenn die Unternehmensgröße ein wesentlicher Bestandteil des Anforderungsprofils ist, sollte sich die Suche auf die Mitarbeiter jener Unternehmen konzentrieren, die dem jeweiligen Charakteristikum entsprechen, also zum Beispiel groß und namhaft oder klein und mittelständisch. In diesem Zusammenhang sollte jedoch nicht verschwiegen werden, daß Executive Search durchaus dazu verleiten kann, nur große und namhafte Unternehmen in Betracht zu ziehen. Wie so häufig gilt auch hier, daß Qualität nicht zuletzt das Ergebnis systematischen Vorgehens ist. Die qualifizierte Besetzung von Positionen setzt eine sorgfältig erarbeitete Zielfirmenliste voraus.

Analysten gehen davon aus, daß die Nachfrage nach IT-Spezialisten nach dem Jahrtausendwechsel drastisch zurückgehen wird. Sind die Arbeitsvermittler von heute die Arbeitslosen von morgen?

ANTON: Es spricht einiges für eine derartige Prognose. Zumindest der Headhunter, der heute als Schaum-

krone auf den hochschlagenden

Wellen der Arbeitsmarktkonjunktur schwimmt, wird dann Probleme haben. Sicher ist für mich, daß sich der Markt der Personalberatung in den kommenden Jahren stark verändern wird. Langfristig erfolgreich war in der Vergangenheit und wird auch in Zukunft nur der sein, der sich an den Bedürfnissen seiner Kunden orientiert. Der professionell arbeitende, seriöse Berater wird auch im Personalmarkt von morgen seinen Platz haben.

Eine groteske Situation: Einerseits suchen Millionen Deutsche händeringend einen neuen Job, andererseits geben Firmen Unsummen aus, um auch nur einen geeigneten Kandidaten zu finden. Wäre es in manchen Fällen nicht sinnvoller, einen qualifizierten Arbeitslosen einzustellen und ihn aus- und weiterzubilden?

ANTON: Wenn man den Arbeitsmarkt insgesamt betrachtet, ist die Situation tatsächlich grotesk. Man übersieht dabei jedoch, daß es den Arbeitsmarkt eigentlich so nicht gibt. Er setzt sich vielmehr aus vielen Teilmärkten zusammen, in denen sehr unterschiedliche Gegebenheiten und Tendenzen bestehen. Was heißt, so betrachtet, schon "qualifizierter Arbeitsloser"? Qualifiziert im Hinblick auf welches Anforderungsprofil? Wenn das Thema so einfach zu lösen wäre, wie es Ihre Frage impliziert, wäre es schon längst gelöst. Die Arbeitsämter versuchen doch bereits seit Jahren, Arbeitslose unterschiedlichen Hintergrunds in sechs- bzw. zwölfmonatigen Kursen zu IT-Spezialisten auszubilden, zum Beispiel im SAP- oder Netzwerkbereich. Die Ergebnisse sind nicht gerade ermutigend. Vor einiger Zeit habe ich beispielsweise einen ehemaligen Opernsänger kennengelernt, der in einer vom Arbeitsamt geförderten Umschulung zu einem SAP-R/3-Organisator ausgebildet worden war. Ich kann nicht beurteilen, welche Chancen der Kandidat als Sänger hätte - als SAP-Spezialist hat er allenfalls geringe.

Mitunter hört man, daß Personalberater ein und dieselbe Position verschiedenen Kandidaten anbieten, die unterschiedliche Positionen bekleiden, unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen und auch eine unterschiedliche Vorbildung aufweisen - kurzum wenig gemein haben. Einzelfälle oder doch der Beweis für unprofessionelle Methoden so mancher Berater auf der Jagd nach dem schnellen Geld?

ANTON: Der seriöse Personalberater arbeitet im konkreten Auftrag. Ein klar definiertes Anforderungsprofil, professionelles Vorgehen und die Ausrichtung an den Zielen der beiden Kunden eines Personalberaters - des Klienten und des Kandidaten - vereinbaren sich nicht mit Vorgehensweisen und Methoden der von Ihnen charakterisierten Art. Unternehmen, die bewußt mit Headhuntern arbeiten, sollten sich nicht beklagen, daß Sie nicht das bekommen, was Sie nachgefragt haben.

Abschließend noch eine ganz andere Frage: Wie kann man sich als Unternehmen eigentlich vor den Zugriffen der Headhunter schützen?

ANTON: Wenn man die Methoden des Executive Search kennt, kann man auch Methoden erarbeiten, sich dagegen zu schützen. Entscheidender ist aus meiner Sicht jedoch etwas anderes: Der zufriedene Mitarbeiter ist kaum ansprechbar. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter wiederum steht nach meiner Erfahrung in engem Zusammenhang mit der Unternehmenskultur, was nichts anderes ist, als die von den Mitarbeitern gelebte Unternehmensphilosophie.

Dr. Manfred Anton, geschäftsführender Gesellschafter Ciratel Consulting GmbH: "Eine Position ist nur dann richtig besetzt, wenn damit die Ziele von Unternehmen und Kandidat bestmöglich erfüllt werden."

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