Hersteller von Speicherlösungen setzen auf Konvergenz und offene Standards

22.03.2001
Nachdem sie jahrelang ihre Pfründe heftig verteidigt haben, setzen führende Anbieter von NetzwerkSpeicherlösungen wie EMC, IBM, Compaq oder Hewlett-Packard neuerdings auf Kooperation und offene Standards. Eine Trendwende, der die Erkenntnis zugrunde liegt, dass das enorme Potenzial dieses Segments am einfachsten erschlossen werden kann, wenn man dem Anwender ein Höchstmaß an Investitionssicherheit bietet.

Die Mitte vergangenen Jahres zwischen IBM und Compaq vereinbarte weit reichende Kooperation bei netzwerkbasierenden Speichersystemen hat in der Branche ganz offensichtlich eine Art Initialzündung ausgelöst. Wurden in der Vergangenheit die Lösungsansätze jedes potenziellen Mitkonkurrenten umgehend und konsequent in Frage gestellt, gibt es heute über die Eckpfeiler moderner Speicherarchitekturen nur noch wenig Diskussionsbedarf.

Das leidige Thema, ob nun Network-Attached-Storage (NAS)-Lösungen oder Storage-Area-Network (SAN)-Architekturen das bessere Konzept für eine flexible und leistungsfähige Datenervorratshaltung darstellen, beschäftigt Entwickler wie Marketing-Strategen mittlerweile nicht mehr. "SAN und NAS ergänzen sich. Zusammen bilden die beiden Technologien eine unschlagbare Kombination für alle Anforderungen eines modernen Datenzentrums", bringt es Scott McIntyre, Business Line Manager beim Daten-Management-Spezialisten Legato Systems, auf den Punkt.

Proprietärer "Hardliner" EMC öffnet sich

Im Normalfall haben Kunden he-terogene Speicherinfrastrukturen und erwarten auf ihre Ansprüche maßgeschneiderte, sichere, ska-lierbare und herstellerunabhängige Lösungen - eine Tatsache, der mit EMC einer der letzten "Hardliner" in Sachen proprietäre Speicherlösungen jetzt Rechnung getragen hat. Das Unternehmen erweiterte seine Enterprise-Storage-Network (ESN)-Lösungen um den "ESN-Manager" - eine Software für die Verwaltung heterogener Speichernetze.

Zusätzlich bescheinigte EMC den Speichersystemen vier anderer Hersteller die Interoperabilität zum eigenen Enterprise Storage Network. Nach umfangreichen Tests wurden kürzlich die Platten-Lösungen von Compaq, Hewlett-Packard und Hitachi sowie Bandspeichersysteme von Storagetek für den interoperablen Einsatz in heterogenen Umgebungen mittels ESN-Management qualifiziert. Nach EMC-Angaben soll damit ferner sichergestellt sein, dass der Wert von Investitionen in vorhandene EMC-fremde Speicher erhalten bleibt, denn diese können nun weiterhin innerhalb EMC-eigener Speicherinfrastrukturen verwendet werden.

Brücke zwischen NAS und SAN

Die Tage proprietärer Speicherlösungen sind ohnehin gezählt. Die Zukunft von SANs besteht in echtem Data Sharing und der Inter-operabilität mit Servern und Speichersystemen unterschiedlicher Hersteller - da sind sich alle Marktteilnehmer inzwischen einig.

"In demselben Maße, wie E-Business und Internet die Datenspeicherung immer mehr zum Herz einer IT-Infrastruktur werden lassen, suchen Anwender nach Wegen, die vielfach vorhandenen Insellösungen in offenen Speichernetzwerken zu integrieren", argumentiert Dietmar Wendt, Vice President der IBM Storage Systems Group.

Im Vorfeld der Cebit stellte IBM jetzt eine ganze Reihe neuer Speicherlösungen vor, die eine Verbreitung von plattformunabhängigen Storage-Networking-Umgebungenweiter vorantreiben sollen. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem der Brückenschlag zwischen NAS und SAN.

Das Produkt "NAS 300G" stellt einen multiprotokollfähigen Datei-server dar, der ein IP-basierendes LAN mit einem SAN verbindet. Auf der Client/Server-Seite im LAN erscheint das Gateway als eine NAS-Einheit, obwohl die benutzten Speicherressourcen im SAN liegen. Im Gegensatz zu den meisten traditionellen NAS-Produkten, die ein geschlossenes Dateisystem und einen dedizierten internen oder proprietären Speicher ihr Eigen nennen, handelt es sich beim NAS 300G um eine offene Lösung, die mit einer Vielzahl externer Storage-Produkte zusammenarbeiten kann.

Handel spielt eine Schlüsselrolle

Zeitgleich mit IBM hat auch Compaq den konsequenten Paradigmenwechsel zu "Open Storage" vollzogen. Nach Auffassung des Marktforschungsinstituts Gartner Group hat sich das Unternehmen nicht zuletzt durch die Übernahme von Digital Equipment zum führenden Anbieter von SAN-Lösungen entwickelt. So verkaufte Compaq im vergangenen Jahr mehr SAN-Lösungen als jeder andere Anbieter und erreichte damit laut IDC einen Marktanteil von 19 Prozent. Die Gesamtkapazität der gelieferten Storage-Komponenten betrug weltweit 80 Millionen Terabyte, 26 Millionen entfielen dabei auf Europa.

Zentrales Element in der Compaq-Strategie ist die SAN-Technologie "Storage Work", die den SAN-weiten Einsatz virtueller Speicher unterstützt. Die Leistungsfähigkeit dieses Systems hat Compaq erst kürzlich auf das Fünffache gesteigert. Damit ist es jetzt möglich, vermaschte Speichernetzwerke mit bis zu 20 Switches und 320 Ports aufzubauen, was einer theoretischen Speicherkapazität von maximal 280 Terabyte entspricht.

Was die Vermarktung der Storage-Lösungen betrifft, setzt Compaq auf den indirekten Vertriebskanal. "70 Prozent unser Storage-Umsätze realisiert der Channel. Wir selbst können das sich uns bietende Marktpotenzial gar nicht ausschöpfen", bestätigt Olaf Swantee, Direktor der Compaq Enterprise Storage Group Emea.

Mehr Effizienz bei Speicherprodukten

Auch Hewlett-Packard verfolgt nach eigenen Angaben die Vision eines offenen SAN-Umfeldes mit freier Herstellerauswahl. Bereits heute bieten sich dem HP-Kunden in eingeschränktem Maße Wahlmöglichkeiten, was den Hersteller betrifft. Als SAN-Lösungen positiv getestet und freigegeben wurden unter anderem Plattensysteme von EMC und Symetrix sowie Bandbibliotheken von Storagetek.

Unter der Bezeichnung "Federa-ted Storage Area Management (FSAM)" stellt HP außerdem auf der Cebit eine neuartige Architektur für die Implementierung, den Betrieb und das Management von Speichersystemen vor. Nach eigenen Angaben soll sich damit die Effizienz dieser Lösungen bei gleich bleibendem Personaleinsatz um bis zu zehn Prozent steigern lassen. Die Architektur verwendet Server-, Storage- und Netzwerk-zentrierte Speicherprodukte. Die eingesetzten Komponenten reichen dabei vom großen Disk-Array bis zum Bandlaufwerk.

Ebenso wie Compaq plant auch Hewlett-Packard, seine Partneraktivitäten aufgrund der Marktentwicklung deutlich auszubauen. Laut Klaus Poklekowski, Vertriebsdirektor für Storage Solutions bei HP, sind entsprechende Partnerprogramme in Vorbereitung und werden voraussichtlich Mitte dieses Jahres vorgestellt.

Fibre Channel bekommt Konkurrenz

Ein neu entwickeltes Speicherprotokoll namens iSCSI, das den Aufbau und Betrieb von SANs einschneidend verändern könnte, hat IBM jetzt vorgestellt (ComputerPartner online berichtete darüber am 26. Februar 2001). iSCSI ermöglicht nämlich die Nutzung so genannter Storage Pools über all die Standard-Netzwerk-Topologien, die auf dem Netzwerk-Protokoll TCP/IP basieren, also auch Ethernet.

Der Einsatz von iSCSI bietet nicht nur Vorteile hinsichtlich der Anschaffungs- und Betriebskosten - IP ist bereits überall vertreten, in LANs genauso wie in MANs oder WANs -, sondern es gibt auch Vorzüge auf der Applikationsseite (Web, E-Business und E-Commerce) zu vermelden.

Ein weiterer Pluspunkt ist die hohe Skalierbarkeit eines derartigen Speichernetzwerks, sowohl was dessen Größe als auch die Entfernung zwischen den einzelnen Knoten anbelangt. Auch dessen Per-formance und die verfügbaren Bandbreiten sind inzwischen genau so hoch, manchmal sogar höher als in einem reinen Fibre-Channel-Umfeld.

Ermutigung für die iSCSI-Initiative bekommt Big Blue mittlerweile auf breiter Front. "Wir unterstützen IBM dabei, offene Standards, Gigabit Ethernet, IP und iSCSI-Lösungen für die Speicheranbindung an Netzwerke einzusetzen", bestätigt Peter Alexander, Cisco Vice President für Enterprise-Marketing. Auch Adaptec plant eine neue Produktfamilie für den IP-StorageBereich, zu der unter anderem iSCSI-fähige Multiport-Network-Interface-Cards (NIC) und intelligente iSCSI-Controller gehören werden. Bereits im Sommer 2001 sollen die ersten IP-Storage-Produkte auf dem Markt erscheinen.

"Many" statt "Any"

Während die iSCSI-Initiatoren mit schneller Markteinführung und breiter Akzeptanz von IP-Lösungen rechnen, bremsen unabhängige Marktbeobachter diesen überzogenen Optimismus. "Fibre Channel bleibt bis auf weiteres die bestimmende SAN-Netzwerktechnologie. In drei bis vier Jahren wird iSCSI allerdings einen Status erreicht haben, der diesen Standard zu einem ernsthaften Fibre-Channel-Konkurrenten macht", relativiert Nick Allen, Vice President und Research Director bei der Gartner Group, den Stellenwert der neuen Technologie. Seinen Vorhersagen zufolge wird das Ganze aber der geradezu explosionsartigen Entwicklung bei Netzwerkspeicherlösungen keinen Abbruch tun. 75 Prozent aller IT-Ausgaben und 90 Prozent aller Speicherinvestitionen werden nach Prognosen der Marktforscher bis zum Jahr 2003 auf die Segmente NAS und SAN entfallen. Trotz aller sich abzeichnenden Annäherung der Storage-Hersteller, macht sich Olaf Swantee von Compaq über den aktuellen Status im Storage-Markt allerdings keine Illusionen und sieht das Engagement der Hersteller weiterhin gefordert: "Open Storage bedeutet heute realistisch betrachtet many-to-many und leider noch nicht, wie es eigentlich sein sollte, any-to-any." (sd)

EMC: Halle 1, Stand 7f2

IBM: Halle 1, Stand 4g2 5d2

Compaq: Halle 1, Stand 4h2

HP: Halle 1, Stand 7i2

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