Vor allem die Distributoren sollten sich auf Software Defined Networking vorbereiten. ChannelPartner fragte Klaus Donath, Director Networking & Software Group (NSG), bei Ingram Micro, was in diesem Zusammenhang auf die Branche zukommen wird.
Herr Donath, in welchen Branchen macht es für Systemhäuser überhaupt Sinn, das Thema Software Defined Networking anzusprechen?
Klaus Donath: Wir gehen davon aus, dass SDN anfangs die größte Akzeptanz vor allem bei den großen Service-Providern und Carriern findet, da es gerade in diesem Segment erheblich zur Vereinfachung und Strukturierung der Infrastruktur und damit massiv zur Betriebskostensenkung führen kann. Über die Zeit wird SDN auch in den Mittelstand Einzug halten, speziell bei Kunden mit hohem Virtualisierungsanteil.
Was bringt SDN dem Anwender?
Donath: In erster Linie wird mit der Zentralisierung der relevanten Funktionen, wie Management und Services, eine Vereinfachung der Netzwerkkonzeption erreicht und damit eine Senkung der Betriebskosten. Darüber hinaus, und das ist nach unserer Einschätzung der maßgebliche Vorteil, wird SDN Dynamik in die Netzwerke bringen. Das heißt: Unsere bisher statischen Netzwerke werden auf Veränderungen dynamisch reagieren können. Auch auf unbekannte Lastszenarien kann bedarfsgerecht und kostenneutral reagiert werden. Das ist besonders wichtig im Zusammenspiel mit virtualisierten Umgebungen.
Ein zusätzlicher Aspekt ist die Möglichkeit der Einbindung in die Cloud und damit die Gestaltung nutzerbasierter Modelle. Nicht zuletzt ist SDN umfassend nur möglich durch standardisierte Protokolle und damit wird in Zukunft sicherlich die Auswahl an kompatiblen Produkten von unterschiedlichen Herstellern möglich sein, was wiederum eine Reduzierung der Kosten bietet.
Welchen Herstellern trauen Sie am ehesten zu, in diesem Segment eine große Rolle zu spielen, und was müssen diese Hersteller Ihrer Meinung nach dazu leisten?
Donath: Es ist zu erwarten, dass die drei marktführenden Unternehmen im Netzwerkbereich - Cisco, HP und Juniper - hier eine maßgebliche Rolle spielen werden. Alle drei haben entsprechende Strategien entworfen und befinden sich derzeit in der Umsetzung. Für Endkunden, aber auch Systemhäuser, ist es aktuell allerdings noch schwer zu erkennen, welche Form der Strategie am besten langfristig zur bestehenden Infrastruktur passen könnte.
Stehen bereits ausreichend Produkte der Hersteller zur Verfügung?
Donath: Definitiv stehen bereits SDN-fähige Produkte zur Verfügung, und die Roadmaps der Hersteller stellen gerade für die nächsten Monate viele weitere Produkte in Aussicht.
Gibt es aufseiten der Hersteller noch Stolpersteine?
Donath: Aus unserer Sicht steht SDN für die Vereinfachung und Automatisierung unserer Netzwerke. Entsprechend müssen die Positionierungen und Strategien der Hersteller vermittelbar sein. Hochkomplexe Strategiepapiere schaden eher. Der langfristige Mehrwert und der Weg dahin müssen erkennbar sein. Machbarkeitsstudien gibt es schon viele, allerdings fehlen noch konkrete Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die auf gegebene Probleme und deren Lösungen durch SDN eingehen.
Welche Voraussetzungen sollte ein Systemhaus mitbringen, um sich in diesem Umfeld bewegen zu können?
Donath: Ein Systemhaus sollte über ein gutes Netzwerk-Know-how und den Willen zu einer ganzheitlichen Sicht auf das Netzwerk mitbringen. Zudem sollte es bereit sein, in Software-Know-how zu investieren, um die Veränderung weg von "physikalischen" hin zu softwarebestimmten Infrastrukturen zu unterstützen.
Zudem ist eine enge, vertrauensvolle, auf allen Ebenen bestehende Bindung zum Endkunden wichtig, um frühzeitig auf SDN-kompatible Produkte umzusteigen und damit das Netzwerk für die Zukunft vorbereiten zu können. Außerdem sollte ein Systemhaus in diesem Umfeld die Fähigkeit mitbringen, entsprechende TCO-Kalkulationen aufzubauen und zu verargumentieren.
Arbeitet Ingram Micro mit Systemhäusern zusammen, die bereits in diesem Marktsegment aktiv sind?
Donath: Ingram Micro arbeitet seit vielen Jahren sehr intensiv mit den führenden Netzwerksystemhäusern in Deutschland zusammen. Wie bei allen neuen Technologien ist der enge Schulterschluss zwischen Systemhaus, Hersteller und Distribution unabdingbar, um bedarfsgerecht Informationen auszutauschen, Schulungen zu veranstalten und die Anforderungen des Endkunden zu erkennen und in den Mittelpunkt zu stellen.
Was unternimmt Ingram Micro, um den Handel für dieses Thema fit zu machen?
Donath: Als Partner des Handels ist es für uns selbstverständlich, gemeinsam mit unseren Industriepartnern den Wissensaufbau zu SDN voranzutreiben. Schulungen und entsprechendes Informationsmaterial sind zum Beispiel unterstützende Werkzeuge. So haben wir in das aktuelle Move Update 1/2013 einen ausführlichen Bericht zu SDN aufgenommen. Viel wichtiger ist aber die Beratungsleistung, die unsere fokussierten Cisco-, HP- und Juniper-Vertriebseinheiten im konkreten Projektfall anbieten können. (bw)
- Die SDN-Strategien führender Hersteller
Software Defined Networking (SDN) ist als heißes Thema für 2013 gesetzt. Nachdem wir in der vorigen COMPUTERWOCHE die Grundlagen beleuchtet haben, nehmen wir nun die Strategien führender Hersteller unter die Lupe. - Arista Networks
Die amerikanische Firma, die Ex-Sun-Chef Andreas von Bechtolsheim mitbegründet hat, setzt auf eine eigene SDN-Lösung auf Basis der Systemsoftware "EOS" und der Hochleistungs-Switches der Reihen "7050" und "7150". Die Switches arbeiten mit SDN-Controllern der Arista-Partnerfirmen VMware, Nebula und Big Switch zusammen. Die SDN-Strategie von Arista zielt derzeit vornehmlich auf Cloud-Computing-Umgebungen ab. - Big Switch Networks
Die amerikanische Firma hat eine eigene Version eines OpenFlow-Controllers entwickelt, der auf FloodLight basiert. Das Unternehmen arbeitet mittlerweile mit Netzwerkfirmen wie A10 Networks, Arista, Extreme Networks, Broadcom und Citrix zusammen. Im November stellte Big Switch drei SDN-Produkte vor: den "Big Network Controller" (BNC), "Big Tap", eine Network-Monitoring-Lösung, und den "Big Virtual Switch" (BVS). Big Tap und der BVS sind Beispiele für Anwendungen, die in einer SDN-Infrastruktur eingesetzt werden können. - Brocade
Das Unternehmen unterstützt bereits seit 2010 Software Defined Networking. Einen Schwerpunkt bilden die "NetIron"-Switches für den WAN- und Service-Provider-Markt. Im November 2012 übernahm Brocade zudem die Firma Vyatta. Sie hat einen Virtual Router entwickelt, der vorzugsweise zur Kopplung von virtualisierten oder physischen Netzdomänen eingesetzt wird, speziell in Cloud-Computing-Umgebungen. - Citrix
In diesem Jahr soll die nächste Generation des Application Delivery Controller (ADC) der Reihe "Netscaler SDX" verfügbar sein. Sie wird nach Angaben des Herstellers für SDN optimiert sein. Im Unterschied zu vielen anderen SDN-Spezialisten, die sich auf Layer 2 und 3 konzentrieren, favorisiert Citrix eine SDN-Lösung, mit der sich Layer 4 bis 7 steuern lassen. Als Partner hat Citrix Unternehmen wie Palo Alto, RSA, Trend Micro und Aruba Networks gewonnen. - Dell / Force10
Durch den Kauf von Force10 hat sich Dell einen Hersteller von Hochleistungs-Switches ins Haus geholt. Für Arpit Joshipura, ehemals bei Force10 und nun Chef von Dells Netzsparte, wird SDN allerdings erst in etwa drei bis fünf Jahren eine Rolle im Netzbereich spielen. Aber natürlich hat auch Dell eine SDN-Strategie: die "Virtual Network Architecture" (VNA) ist ein Framework, mit dem sich Netzdienste in Rechenzentren, dem Firmengelände und in Außenstellen virtualisieren, automatisieren und verwalten lassen. - Enterasys
Die Company setzt auf das hauseigene "OneFabric Control Center", das nicht auf neuen Protokollen wie OpenFlow basiert, sondern auf bereits etablierten Ansätzen wie VLANs und VRF/MPLS. Allerdings hält sich der Hersteller die Türe zu OpenFlow und vergleichbaren Spezifikationen offen. - Extreme Networks
Das Kernstück der SDN-Strategie des Switch-Herstellers ist das System "Diamond X8" mit der Systemsoftware XOS. Ähnlich wie Arista kooperiert Extreme mit Big Switch. Der Diamond X8 unterstützt Big Switch Network Tap und den Big Virtual Network Switch. Zudem arbeiten die Switches von Extreme Networks mit den SDN-Controllern von NEC zusammen. - IBM
Das Unternehmen will ebenso wie HP eine umfassende SDN-Produktlinie auf den Markt bringen. Ein erster Schritt ist der "Programmable Network Controller" auf Basis von OpenFlow, der für bis zu 300.000 Flows ausgelegt ist. Hinzu kommen Rack-Switches wie der "G8264". Was allerdings noch fehlt, ist ein Core-Switch mit OpenFlow-Unterstützung. Offen ist, ob IBM selbst ein solches System entwickelt oder als OEM-Produkt von einem andere Hersteller bezieht. - Juniper Networks
Im Juni 2012 veröffentlichte das Unternehmen seine SDN-Strategie. Die Schwerpunkte des Anbieters liegen auf Systemen für das Rechenzentrum und "Northbound"-APIs (Anwendungsschnittstellen). Das Software Development Kit (SDK) für Junipers Systemsoftware JunOS enthält zudem einen OpenFlow-Client. Im Lauf des Jahres will Juniper mit den Switches der "EX"-Reihe und den Routern der "MX"-Serie OpenFlow 1.3 unterstützen. - NEC
Das Unternehmen hat unter der Bezeichnung "NEC ProgrammableFlow" ebenso wie HP mehrere SDN-Produkte im Programm, etwa einen SDN-Controller sowie die Switches "PF 5240" und "5820", die für OpenFlow ausgelegt sind. Dazu kommt eine Management-Konsole. Geplant sind Applikatio-nen, mit denen sich Netzwerke auf Basis von SDN verwalten lassen. - VMware
Der Spezialist für Virtualisierung hat sich durch den Kauf von Nicira im Juli 2012 verstärkt. VMware selbst sieht sich als Protagonist des "Software Defined Data Center". Daher ist zu erwarten, dass der Hersteller Niciras SDN-Technologie nutzt, um in vCenter ein Management-Framework für virtualisierte und physische Netzsysteme zu integrieren.