Hohe Wachstumsraten für den europäischen Dokumentenmanagement-Markt

05.08.1998

MÜNCHEN: Der International Information Management Congress (IMC) ist der internationale Handelsverband der Dokumentenmanagement-Industrie. Ende 1997 veröffentlichte der IMC in Zusammenarbeit mit dem englischen Beratungsunternehmen Strategy Partners die Ergebnisse einer unabhängige Untersuchung des europäischen Dokumentenmanagement-Marktes. ComputerPartner-Mitarbeiter Siegfried Dannehl sprach mit Paul Carman, dem Präsident des IMC, über Trends und den daraus resultierenden Konsequenzen für den Anwender.

?Wie groß ist der europäische Markt für Dokumentenmanagement-Systeme (DMS)?

CARMAN: Die Gesamtausgaben für DMS-Produkte und -Dienstleistungen betrugen 1997 europaweit mehr als 5,5 Milliarden Mark. Und die Wachstumsperspektiven sind hervorragend. Bis zur Jahrtausendwende rechnen wir mit Wachstumsraten von 20 Prozent. Unsere Umsatzprognose für das Jahr 2000 beträgt 9,5 Milliarden Mark.

? Welche Bedeutung besitzt der deutsche Markt in Europa?

CARMAN: Deutsche Unternehmen sind beim Einsatz von DMS führend - ihr Anteil beträgt zirka 30 Prozent. Dahinter folgen Großbritannier mit knapp 25 Prozent und Frankreich mit 13 Prozent.

? Welche Chancen haben deutsche Unternehmen im Vergleich zu ihren amerikanischen Mitbewerbern?

CARMAN Sehr gute, wenn die deutschen Unternehmen in ihrer Unternehmens- und Produktpolitik zwei Dinge beachten: Die Unternehmen sollten in Deutschland über eine ausreichende Zahl von Installationen verfügen, spezielle Marktsegmente besetzen und rechtzeitig an die Internationalisierung ihres Geschäfts denken. Zielgruppenorientiert sollte das deutsche Produkt über die notwendigen Standardschnittstellen verfügen, eine ansprechende Oberfläche besitzen, innovative Ideen beinhalten und durch aggressive Marketing- und Vertriebsmaßnahmen unterstützt werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können sich deutsche Produkte auch in den USA erfolgreich durchsetzen.

? Welche Marktsegmente versprechen das größte Wachstumspotential?

CARMAN: Imaging-Hard- und -Software, wie Scanner, optische Speicher oder OCR-Systeme (Optical Character Recognition), machen gegenwärtig noch den größten Umsatz aus, momentan zirka 60 Prozent. Demgegenüber wachsen die Technologiesegmente Workflow und Software für die Informationsrecherche am stärksten. Aber auch Dokumentenmanagement-Dienstleistungen werden weiter boomen. Bereits jetzt beträgt ihr Anteil am Gesamtmarkt mehr als 60 Prozent.

?Wie erklärt sich dieser hohe Dienstleistungsanteil?

CARMAN: Archivierung, Workflow und vergleichbare Systeme sind für den Anwender von langfristiger Bedeutung. Er erwartet deshalb um das Produkt herum eine Reihe von Dienstleistungen, wie Systemberatung, Schulung und Wartung. Insbesondere Systemintegratoren mit vertikalen Marktkenntnissen werden für die Integration der einzelnen Komponenten einer Dokumentenmanagement-Lösung immer wichtiger. Anbieter ohne ausreichende interne Support-Infrastruktur oder den Zugriffauf externe Dienstleister werden das Wachstumspotential des Marktes kaum ausschöpfen können.

? Welche Rolle spielen Internet und Intranet für die Entwicklung der Branche?

CARMAN: Internet und Intranet werden die Nachfrage nach Dokumentenmanagement-Lösungen weiter beschleunigen. Workflow-Software zur Automatisierung von Arbeitsprozessen läßt sich oftmals durch Standard- Web-Browser ersetzen. Anwender können heute bereits über den Browser einen Arbeitsvorgang starten, beispielsweise einen Schadensantrag auf der Home Page des Versicherungsunternehmens stellen und sich jederzeit über den Status des Antrags informieren. Im Trend liegt außerdem sogenannte "Text-Retrieval-Software", die dem Anwender bei der Suche nach Informationen in unternehmensweiten Netzen hilft.

? Welche Bedeutung besitzen Standards und Normen für den Anwender von DMS?

CARMAN: Das Bewußtsein für die Bedeutung von Standards ist noch entwicklungsbedürftig. Immerhin betrachten 50 Prozent der von uns befragten Anwender europaweit die Standards der Workflow Management Coalation (WFMC) - des Standardisierungsgremiums für Workflow-Software - als wichtige Grundlage für ihre Kaufentscheidung. Allgemein gilt es noch, intensivere Überzeugungsarbeit zu leisten, bei den Anbietern und den entsprechenden Standardisierungsgremien. Besonders wenn es darum geht, Hard- und Softwarekomponenten unterschiedlicher Hersteller in unternehmensweiten DMS-Lösungen zu integrieren, sind Standards unverzichtbar.

? In welchen Anwendungsgebieten werden DMS-Lösungen hauptsächlich eingesetzt?

CARMAN: Bisher kamen digitale Archive größtenteils bei der Bewältigung von wachsenden Papierbergen zum Einsatz. Doch der Trend geht in eine ganz andere Richtung. Nicht mehr die Verwaltung der internen Dokumente ist der Hauptgrund für den Einsatz von DMS, sondern die Verbesserung des Kundenservices. Unternehmen nutzen auf der Basis digitaler Archive Dokumentenmanagement-Systeme für die effiziente Kommunikation mit Kunden und Partnerunternehmen. Dabei lassen sich die Unternehmen von der Vision des "Information Warehouse" leiten.

? Was versteht man unter "Information Warehouse"?

CARMAN: In einem "Information Warehouse" sind alle Informationen, ob strukturiert oder unstrukturiert, Teil des Informationsspeichers. Vom PC aus werden alle Informationen, ob Texte, Video- oder Audiodaten, dem Anwender sekundenschnell zur Verfügung gestellt. Ländergrenzen werden irrelevant, da das "Information Warehouse" im wahrsten Sinne des Wortes global ist. Informationen sind einfach erhältlich und schnell analysiert. Dies wird die Arbeitsproduktivität von Unternehmen deutlich steigern.

? Welche Ratschläge können Sie potentiellen Anwendern geben?

CARMAN: Dokumentenmanagement ist kein Nischenmarkt mehr, sondern gehört zum Mainstream. Wer heute auf diese Technologie verzichtet, wird mittelfristig Wettbewerbsvorteile verlieren. Damit der Anwender bei langfristigen Entscheidungen die richtige Wahl trifft, sollte er sich vorab umfassend informieren.

*Interessierte Anwender und Händler haben 1998 gleich zweimal die Möglichkeit, sich auf DMS-Fachmessen umfassend über das aktuelle Angebot von Dokumentenmanagement-Produkten zu informieren:

IMC '98

8. - 11. Juni 1998 in London Informationen: IMC European Office Fax: 0044/1753 592 770, www.iimc.org

DMS '98

8. - 10. September 1998 in Essen (Kongreß ab 7. September). Informationen: Gruppe 21 Informationssysteme GmbH, Tel.: 0201/871 64 00, Fax: 0201/871 65 00, www.gruppe21.de

Paul Carman, Präsident des International Information Management

Congress (IMC), hält das papierlose Büro trotz des wachsenden

DMS-Markts für eine Illusion.

Zur Startseite