HP nach der Fusion: erste Bewährungsprobe vor den Partnern

31.10.2002
Pünktlich zum Geschäftsjahresende lud HP vergangene Woche seine 250 wichtigsten Händler zum "Top-Partner-Event" nach Bonn ein. Traditionell präsentierte die Geschäftsführung ihre Marschrichtung für das kommende Geschäftsjahr. Fazit: Die Kosten müssen gesenkt, die Partner zu Loyalität erzogen und die Weichen für einen Angriff auf den SMB-Markt gestellt werden.

Die Stimmung hatte was von einem Familientreffen: Wie jedes Jahr waren auch diesmal rund 250 Händler der Einladung zum Top-Partner-Event der "neuen HP" gefolgt. Neue Gesichter sah man in Bonn allerdings kaum: Die meisten der Geladenen hatten schon vor der Fusion sowohl HP- wie auch Compaq-Produkte in ihrem Portfolio.

Dennoch roch der erste Partner-E-vent nach dem Merger ein wenig nach Bewährungsprobe: Würde das Management die Turbulenzen der letzten Monate ausreichend erklären, die künftige Strategie und Ausrichtung des Unternehmens vermitteln können?

Nach Meinung der Partner ist das durchaus gelungen: Kritische Stimmen ("ich bin genauso schlau wie vorher") blieben eher die Ausnahme, die meisten zeigten sich positiv überrascht. Vor allem Bärbel Schmidt, Geschäftsführerin der PSG und seit kurzem auch Vice President der Hewlett-Packard Deutschland GmbH, erntete für ihre Ausführungen viel Lob von den Partnern. Offen und ehrlich habe sie gewirkt, so der Tenor. "Man merkt einfach, hier ist Herz dahinter", so Jürgen Schäfer, Geschäftsführer der Bechtle Logistik und Service GmbH. Er stehe weiterhin fest zu dem Hersteller: "Hewlett-Packard war schon immer einer unserer wichtigsten Partner - und einer der zuverlässigsten." Beim Partner-Event habe ihn begeistert, was er auch im Tagesgeschäft an dem Konzern schätzt: "Die HPler kommen von sich aus auf uns zu, reagieren auf Fragen unbürokratisch, nehmen uns ernst", so Schäfer. "Wir fühlen uns bei HP durchaus zuhause und hoffen jetzt, dass sie die Riesenchance tatsächlich nutzen, aus beiden Unternehmen das Beste rauszuholen."

Die neue HP will an die Spitze

Genau das hat Bärbel Schmidt vor, wie sie den Partnern versicherte: "Unser Ziel ist es, die Nummer eins in Deutschland zu werden", so die Channel-Expertin, "und unsere Organisation wird sich auch daran messen lassen, ob wir das beste Unternehmen für Sie sind". Ab 1. November wird die Praxis zeigen, ob der Hersteller seine Versprechen halten kann: Dann beginnt das neue Geschäftsjahr des fusionierten Unternehmens.

In den nächsten Tagen soll zunächst jeder Partner informiert werden, wer künftig für seine Betreuung zuständig ist. In den vergangenen sechs Monaten, in denen die Fusion abgewickelt wurde, herrschte hier erhebliche Unsicherheit, wie die Händler berichten. Die meisten hatten in dieser Zeit zwei Vertreter - einen von HP und einen von Compaq - an ihrer Seite. Schade, dass viele diese Chance nicht genutzt haben, meint Jochen Erlach, Vertriebsdirektor Commercial Channel und SMB:"Wenn ich plötzlich zwei Betreuer habe, würde ich beide voll beschäftigen und meinen Laden pushen. Stattdessen ging es meistens nur um die Frage: Wer ist denn eigentlich später für mich zuständig?"

Alte HP-Werte im neuen Unternehmen

Solche Debatten soll es in Zukunft nicht mehr geben. Mit der Fusion sei man durch, beteuerten die vier Mitglieder der Geschäftsleitung. Man demonstrierte Zusammenhalt, auch wenn es bei den Details noch ein wenig hapert: So freute sich Regine Stachelhaus - als Geschäftsführerin für den Bereich Imaging und Printing zuständig - darüber, dass man im gemeinsamen Unternehmen weiterhin die "HP-Werte leben" werde. Das irritierte Rainer Kaczmarczyk, einziger Compaq-Mann in der Führungsriege und zuständig für die Enterprise Business Group, nur kurz. Er gab sich diplomatisch:"Was uns nach vorne treiben wird, ist das gemeinsame Ziel." Zwar habe man beim Thema Zusammenführung sicher noch einiges vor sich, doch immerhin sei zu keiner Zeit "das Gefühl von Gewinnern und Verlierern" aufgekommen.

Etwas turbulenter scheint Wolfram Fischer, HP Services, die letzten Monate in Erinnerung zu haben: Bei einer Fusion dürfe man "nicht immer alles ausdiskutieren, sondern muss auch mal entscheiden". Dabei gebe es eben doch Gewinner und Verlierer, aber Hauptsache sei: "Die Mitarbeiter ziehen an einem Strang." Und die Kunden machen mit, sagt Bärbel Schmidt. In entsprechenden Umfragen habe man nur positives Feedback bekommen: "Wir haben die Außendiensttätigkeit aktiviert, einen recht guten Job gemacht und nur an wenigen Stellen Kunden verloren. Und in einer solchen Zeit ist ein Wachstum wie unseres sicher nicht selbstverständlich."

31 Prozent Wachstum im dritten Quartal

HP hat nach eigener Aussage im PC-Bereich im dritten Quartal 2002 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Wachstum von 31 Prozent hingelegt, während der Markt gleichzeitig nur um 3,8 Prozent wuchs. "Wären wir in dieser Zeit wirklich nur mit Interna beschäftigt gewesen, wie der Wettbewerb gerne verbreitet, hätten wir das wohl so nicht geschafft", so Schmidt.

"Together we change the world" lautete das bedeutungsträchtige Motto der Veranstaltung, doch es sieht eher so aus, als würde das Unternehmen in nächster Zeit erst mal vor der eigenen Haustür kehren. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse man die Kosten senken, erklärte Schmidt, beispielsweise indem man die Vertriebsabläufe künftig vereinfacht. "Wir wollen sicher nicht das Modell von Dell kopieren", so Schmidts Seitenhieb gegen den Konkurrenten, der sich demnächst auch im Druckermarkt versuchen wird. "Allerdings müssen wir - gemeinsam mit unseren Partnern - ein neues Business-Modell erfinden, um auch weiterhin ein profitables Geschäft machen zu können." Immerhin: Die große Lagerhaltung bei den Distributoren habe man durch tägliches Abverkaufsreporting bereits in den Griff bekommen. "Früher hatten wir eine Lagerreichweite von sechs bis acht Wochen, heute sind es zwei", erzählt Jochen Erlach. Man müsse in gewissen Bereichen aber noch besser werden, meint der Manager. "Wir müssen gemeinsam mit den Partnern an einem neuen Konzept arbeiten. Denn der Kostendruck ist für beide Seiten da."

Etwa 30 Prozent der Partner in Europa seien derzeit "on risc", schätzt Erlach und auch Schmidt betont: "Die Partnerkonsolidierung ist noch nicht zu Ende." Die Kreditvergabe sei für die Partner derzeit deshalb das wichtigste Thema: "Die meisten Reseller haben heute ein Finanzierungsproblem", so Erlach. Banken würden sich heute nicht mehr für die Umsätze interessieren, sondern nur für das, was unterm Strich rauskommt. Das Händler- und Systemhaussterben könne und werde auch für Hersteller zum Problem werden: "Wir müssen gemeinsam Wege finden, um das Finanzierungsproblem zu lösen." Man habe hier bereits verschiedene Ideen im Kopf, die seien aber noch nicht spruchreif. "Es geht dabei nicht um die Frage direkt oder indirekt, es geht um die Finanzierung."

Erlach fordert konsequente Loyalität

Natürlich seien auch die Partner selbst gefordert: Jeder möge die eigenen Kostenstrukturen durchleuchten, dann könne man auch mit kleinen Margen Geld verdienen: Das sei alles eine "Frage der Anpassungsfähigkeit". Fortbildung sei wichtig und Loyalität mehr gefragt als früher. "Die Partner müssen sich genau überlegen, mit wie vielen Herstellern sie profitabel zusammenarbeiten können", so Erlach. "Das soll nicht heißen, dass wir von ihnen verlangen, nur noch HP zu verkaufen. Das wäre ziemlich blauäugig."

Erlachs Vorstellung von Loyalität bedeutet in erster Linie Konsequenz - und zwar für beide Seiten: "Wir sollten Projekte gemeinsam durchziehen, sie gemeinsam gewinnen oder verlieren." Soll heißen: HP werde sich nicht mitten im Projekt für einen anderen Händler entschieden, weil der den Service vielleicht günstiger macht, erwartet im Gegenzug aber vom Partner, dass der ebenfalls nicht kurz vor Schluss die Plattform wechselt, weil ein anderer Hersteller möglicherweise mit billigeren Produkten lockt.

Trends: Color im Office und Mobilität

Das große Potenzial für die nächsten 12 bis 24 Monate hat HP für sich und die Partner im SMB-Markt ausgemacht. Die anderen Trends im Markt seien Mobilität, Internetfähigkeit, leichte Handhabbarkeit, Print Solutions und Multifunktionsgeräte. Auch Color im Office sei ein Wachstumsmarkt des kommenden Jahres.

Die Frage nach direktem und indirektem Vertrieb kam aber dann doch noch auf den Tisch. So sieht die künftige Channel-Strategie vor, dass die Top-18-Kunden des Unternehmens global und regional in einer direkten Beziehung zu HP stehen, ebenso die 150 Enterprise-Kunden (siehe Grafik auf Seite 14). Was aber nicht heißen soll, dass sie ausschließlich von HP beliefert werden: Man werde weiterhin die Partner so oft wie möglich auch in diese Projekte einbinden, versprach Erlach. Die Kundensegmente "Commercial" und "SMB" sollen ausschließlich über den indirekten Kanal versorgt werden.

Nicht alles, was in USA vorgegeben werde, müsse auch automatisch in Deutschland umgesetzt werden, so Schmidt: "Partnerschaften sind für uns wichtiger denn je." So werde der Bereich Imaging und Printing auch 2003 indirekt laufen, versprach die Managerin. Wie es hier langfristig weitergeht, ist allerdings noch nicht sicher: Man müsse zunächst die Auswirkungen des Dell-Eintritts in diesen Markt abwarten.

www.hewlett-packard.de

ComputerPartner-Meinung:

Auf diesem Händlertag wurde vor allem eines klar: HP hat äußerst loyale Partner. Sie gaben sich mit den Aussagen der Geschäftsleitung zufrieden, auch wenn viele Fragen offen blieben. Manche konnte die Geschäftsführung aufgrund der kritischen Wirtschaftslage nicht beantworten, andere - wie die nach einer KontraDell-Strategie - wollte man wohl nicht ausführlich erläutern. (mf)

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