IBM und der Direktvertrieb

14.05.1999

STUTTGART: IBMs deutsche Internet-Seiten werden jetzt doch in das weltweite E-Business-Konzept des Mutterkonzerns eingebunden. Direktvertrieb bei Neukunden nicht ausgeschlossen. Die Gemüter der Partner kochen.Ein großer IBM-Vertriebspartner tobt: "Die können mir doch erzählen, was sie wollen. Über kurz oder lang, da bin ich sicher, verkaufen die auch hier an Endkunden direkt übers Internet!" Eine kurze Rundrufaktion bei weiteren bedeutenden IBM-Händlern ergab, daß derzeit wirklich dicke Luft ist. "Ich weiß es aus erster Hand: IBM Deutschland wird noch in diesem Jahr in das weltweite E-Commerce-System des Konzerns eingebunden. Das ist das Aus für die bisherige Sonderstellung im internationalen Verbund!" Und damit, so der Geschäftsführer eines großen süddeutschen IT-Handelsunternehmens weiter, gelte auch das Argument nicht mehr, daß in Deutschland ja ein eigenes, speziell auf indirekte Partner zugeschnittenes E-Commerce-System installiert sei.

Die Händler sind gut informiert. Hatte IBM Deutschland noch im April versichert, man wolle sich hierzulande "vorerst nicht am E-Business beteiligen" (siehe ComputerPartner 14/99, Seite 18), muß Christian Hildebrandt, Leiter des PC-Geschäfts Personal Systems Group, jetzt einräumen, "daß wir wahrscheinlich zum Herbst hin doch ins weltweite IBM-WWW-System integriert werden". Und zwar für alle Produktbereiche, auch PCs und Server. "Im vergangenen Jahr haben wir unsere E-Business-Lösung so im Quick-and-dirty-Verfahren eingerichtet", schmäht Hildebrandt nun plötzlich sein einstmals verteidigtes Konzept und begründet damit die avisierte Einbindung. Wahrscheinlicher ist aber, so ein Unternehmenskenner, daß aus der Konzernleitung in den USA die unwiderrufliche Direktive kam und Deutschland sich schlicht fügen muß.

Wie auch immer, so beeilt sich der Stuttgarter PC-Verantwortliche zu versichern, käme der "ganz, ganz direkte Vertrieb" aber auch dann nicht in Frage. "Der Kunde kommt auf die deutsche Homepage, kann da seine Wunschkonfiguration eingeben und wird dann automatisch an den Partner weitergeleitet", beschreibt er die zukünftige Abwicklung.

Ex-Dell-Kunden würden auch direkt beliefert

An den Consumer-Bereich im PC-Geschäft wolle er beispielsweise gar nicht rühren. "Kann er auch gar nicht, selbst wenn er wollte", so ein Branchenkenner. "Da hat sich Lizenznehmer Comtech vertraglich so gut abgesichert, daß die IBM die Geräte bei denen erst kaufen müßte, wenn sie sie direkt anbieten wollten!"

Doch auch im Business-to-Business-Geschäft bestehe derzeit keine Gefahr, versichert Hildebrandt. "Wir werden unseren Vertriebspartnern ihre Kunden nicht nehmen", erklärt er. Doch dann schiebt er ein ganz großes "aber" hinterher. Die IBM mit ihrem Milliardenverlust im PC-Geschäft muß neue Geschäftsfelder eröffnen, neue Kunden akquirieren. Dabei spitzt sie extrem auf die E-Business-verwöhnten Dell-Kunden. Und bei denen, so bestätigt Hildebrandt auf Anfrage von ComputerPartner, sähe er "kein Problem, die auch direkt zu beliefern." Die Logistik, die personelle Situation, das Financing - all das könne die IBM bieten. "Wenn so ein Neukunde direkt beliefert werden will - ja, da wären wir ja dumm, wenn wir das nicht tun würden!" Ärger mit seinen Partnern erwartet er dabei gar nicht. "Wir haben schon mit einigen großen Partnern gesprochen - die sehen das entspannt." Denn, so schiebt er gleich der aufkeimenden Skepsis entgegen, bisher habe noch kein Neukunde darauf bestanden, direkt beliefert zu werden. "Natürlich kommen da einige Anfragen - aber wenn wir denen dann erklären, welche Vorteile die Abwicklung über Partner hat, steigen die ganz schnell um."

Darauf vertraut auch beispielsweise Distributionspartner Macrotron. Geschäftsführer Robert Beck ist sicher, die IBM wolle über das Internet nur Endkunden-Bedarf schaffen, die Abwicklung aber an Partner weiterleiten. "Ob da konkret was im Gange ist? Das kann ich wirklich nicht sagen. Ich weiß nur: Wenn ja, dann würde die IBM das nicht schaffen", zeigt er sich zuversichtlich. Vor allen Dingen nicht, wenn es um Mittelstandskunden oder das Massengeschäft ginge. Anders sehe es im Großkundengeschäft aus: "Die IBM macht, wie die meisten großen PC-Hersteller, den größten Umsatzanteil sowieso mit dem Direktgeschäft", erklärt der Finanzexperte. "Dazu zähle ich auch den Umsatz, den die Corporate Reseller wie Compunet und Ada einfahren. Also: 20 Prozent des Umsatzes macht die IBM mit den eigenen Leuten, 40 Prozent mit den Corporate Resellern und den Rest mit Großhändlern, die die Händler beliefern."

Stellt sich also die Frage, welche Neukunden die IBM mit ihrem E-Business-Konzept ansprechen wird. "Wenn man sich die riesige Image-Kampagne ansieht, die derzeit läuft - meines Wissens hat die IBM da 500 Millionen Dollar reingepumpt -, soll wohl die breite Masse gelockt werden", schwant dem Geschäftsführer eines großen Handelsunternehmens Übles. "Die Mittelstandsoffensive von IBM läuft nicht, sie haben da keine Partner - und erst recht keinen Plan", lautet sein trauriges Fazit aus der langjährigen Zusammenarbeit mit IBM. "Für mich sieht das alles nach herumexperimentieren aus, die eiern im Vertrieb seit geraumer Zeit völlig orientierungslos herum." Und dabei, so der Geschäftsführer weiter, verliere die IBM das Partnergeschäft aus dem Auge. "Die müssen PCs verkaufen - um jeden Preis", glaubt er zu wissen. "Sonst können sie den Geschäftsbereich gleich an andere Kooperationspartner verkaufen."

Hildebrandt allerdings hält solche Äußerungen für überzogen. "Mit den Dell-Kunden stehen wir doch ganz am Anfang, und das neue E-Business-System kommt frühestens im Herbst. Alle reden über den Direktvertrieb - aber das ist doch noch alles reine Theorie!" (du)

Christian Hildebrandt, PC-Chef bei der IBM Deutschland, auf dem heißen Stuhl: "Das mit dem Direktvertrieb ist doch noch alles reine Theorie!"

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