Imagek enttäuschte die hochgesteckten Erwartungen

15.10.1998

KÖLN: Zur Photokina sollte der "Big Bang" stattfinden. Die digitale Filmpatrone, die angeblich jede 35-mm-Kamera in eine Digitalkamera verwandelt, sollte einem weltweiten Publikum präsentiert werden. Was die Verantwortlichen des amerikanischen Anbieters Imagek letztendlich vorzuweisen hatten und die Art, wie sie sich und ihr Unternehmen präsentierten, stützt die These, daß sich die "Digitale Filmpatrone" nun doch als Rohrkrepierer erweisen könnte.An Aufmerksamkeit hat es Imagek jedenfalls nicht gefehlt, seit das Unternehmen vor etwa einem halben Jahr die revolutionäre Idee seines Electronic Film Systems EFS-1 verkündete. Mit Hilfe eines neuentwickelten CMOS-Moduls, das ähnlich einer normalen Filmpatrone eingelegt wird, sollte sich jede handelsübliche 35 mm-Kamera im Handumdrehen in eine Digitalkamera verwandeln lassen (siehe ComputerPartner 10/98, Seite 1).

"Zwei Wochen hätten unsere Entwickler noch gebraucht, dann hätten wir eventuell einen Prototyp in Aktion zeigen können", lautete das lapidare und enttäuschende Statement, das Bruce Totty, Imagek Vice President Marketing, anläßlich der Photokina nicht nur der vollzählig erschienenen Presse, sondern auch vielen interessierten Endanwendern zu verkünden hatte.

Zu sehen gab es derweil lediglich ein, dafür allerdings vergoldetes(!), Unikat, das vor den Augen der staunenden Zuschauer in eine sündhaft teure Nikon-Kamera eingelegt wurde. Doch das Spektakel erfüllte nur einen Zweck: die Demonstration, daß sich der Kameradeckel nach dem Einlegen auch tatsächlich wieder schließen läßt. Eine etwas magere Darbietung für all jene, die es nach langer Suche geschafft hatten den Imagek-Stand überhaupt zu finden. Der war in einer Hallenecke versteckt und sah eher aus wie eine unaufgeräumte Garage denn wie ein Ausstellungspavillon. Daran konnte auch das DIN-A5-große amerikanische Datenblatt mit dem Informationsgehalt einer Aldi-Anzeige nichts ändern, das derjenige überreicht bekam, der überhaupt in der Lage war, mit den Gastgebern in englischer Sprache zu kommunizieren. Wie in diesem Stadium der Produktentwicklung die gezeigten Demo-Bilder zustande kommen, die sich der geneigte

Interessent von der Imagek-Homepage (www.imagek.com) laden kann, bleibt zudem weiter im Dunkeln.

Preis hat sich inzwischen verdoppelt

Vielleicht waren ja gar nicht die Produktentwickler, sondern die Firmenstrategen für den konfusen Imagek-Auftritt auf der Photokina verantwortlich. Geändert hat sich nämlich nicht nur der Produktentwicklungszeitplan, sondern offensichtlich auch die Vertriebsstrategie. War im Frühjahr noch von einem Preis von 500 Dollar und einer Vermarktung über Distributoren im horizontalen Markt die Rede, ist der Preis inzwischen nach Herstellerangaben auf knapp 1.000 Dollar angestiegen. Potentielle Kunden sieht Marketing-Manager Totty jetzt konsequenterweise eher im Profi-Bereich angesiedelt. Wie er dieses Klientel davon überzeugen will, daß die gebotene Auflösung der "EFS-1", so der Produktname, von 1280 x 1024 Bildpunkten ab sofort für professionelle Anwendungen voll ausreichend sein soll, bleibt sein Geheimnis. Unbeantwortet blieb auch die Frage, warum die EFS-1 inzwischen fast das Doppelte einer Digitalkamera mit gleicher Auflösung kostet.

Das ist eine "Platzpatrone"

Entsprechend fiel daher das Urteil der Branchenkenner aus. Während ein großes deutsches Nachrichtenmagazin sich aufgrund fehlender Fakten nur zu einem "das Produkt ist weder preiswert noch qualitativ befriedigend" hinreißen ließ, wurden die Vertreter der Fotoindustrie schon deutlicher. Von "Platzpatrone" bis "Rohrkrepierer" reichten hier die Kommentare. Auf den Punkt brachte es der verantwortliche Europa-Manager eines weltweit führenden Kameraherstellers. "Wenn wir davon überzeugt wären, daß das Imagek-Produkt das hält, was es ursprünglich versprach, hätten wir das Unternehmen schon vor langer Zeit aufgekauft!" Bleibt abzuwarten, ob es die Firma Imagek im Frühjahr 1999 noch geben wird. Dann soll nämlich nach neuestem Zeitplan der Imagek-Verantwortlichen die Produktion des EFS-1 endgültig anlaufen. (sd)

EFS-1 auf dem Weg von der Sensation zur Mogelpackung? Branchenexperten rechnen nicht mit der schnellen Verfügbarkeit eines derartigen Produkts.

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