Immer mehr DMS-Hersteller setzen auf ASP-Dienste

26.10.2000
Der Trend, teure und pflegeintensive Software nicht zu kaufen, sondern via Internet zu mieten, wird - da sind sich führende DMS-Hersteller weitgehend einig - auch im Dokumenten-Management-Segment Einzug halten. Darüber, wie schnell sich ASP-Modelle im DMS-Umfeld realisieren lassen und in welchem Maße der Handelskanal davon profitiert, gehen die Ansichten allerdings noch auseinander.

Bisher konzentrierten sich Application-Service-Provider (ASPs) hauptsächlich auf Bereiche wie ERP (Enterprise Ressource Planning), CRM (Customer-Relationship-Management) und E-Commerce-Software. Seit neuestem werden auch Dokumenten-Management und Archivierung als Mietservice angeboten.

Eine Reihe guter Gründe sprechen nach Ansicht von Alexander Strobel, Direktor ASP beim Herzogenauracher DMS-Spezialisten COI, dafür, künftig auf eigenständiges unternehmensinternes Dokumenten-Management zu verzichten: Da sind einerseits die hohen Kosten, zum anderen die lange Einführungsphase und schließlich fehlendes Know-how im eigenen Hause. "ASP ist hier die Lösung. Hier sind die Kosten auf monatlicher Basis exakt kalkulierbar und sofort als Betriebsausgaben absetzbar. Da die Systeme bereits installiert und erprobt sind, ist darüber hinaus ein schneller Produktivstart möglich", outet sich Strobel als der ultimative ASP-Fan.

Er glaubt ferner, dass speziell für Unternehmen, die starken saisonalen oder konjunkturabhängigen Schwankungen unterworfen sind, das Mieten von Software eine schnelle Anpassung ohne große Investitionen ermöglicht.

Als bevorzugte Zielgruppe für einen ASP-Dienst betrachtet Strobel - übrigens genauso wie die meisten DMS-Anbieter - den Mittelstand: "Gerade für kleine und mittlere Unternehmen bietet ASP die Möglichkeit, ein DMS- beziehungsweise Archivsystem zu fest kalkulierbaren Kosten einzuführen", erläutert Hans Keil, Vorstand der Sankt Augustiner Docustore AG.

Der Trend wird seiner Auffassung nach mittelfristig allerdings auch vor Großunternehmen nicht Halt machen. Die Tatsache, dass hier viele IT-Abteilungen mittlerweile als Profit-Center geführt werden, wird sie dazu zwingen, in zunehmendem Maße auf neue wirtschaftliche Alternativen in Form externer Dienstleister zurückzugreifen, nimmt Keil an.

"Der ASP-Trend ist mit Sicherheit einer der Stärksten, den die noch relativ junge DMS-Branche bisher erlebt hat", bestätigt Gerhard Weber, Geschäftsführer des Siegener DMS-Unternehmens Datasec GmbH. Seine Firma hat als eine der ersten auf die Marktentwicklung reagiert und bietet als eigenständiger ASP DMS-Dienstleistungen an. Während viele Mitkonkurrenten derzeit noch damit beschäftigt sind, notwendige Infrastrukturen aufzubauen, ist die von Datasec entwickelte ASP-Lösung "Doku@web" bereits seit April dieses Jahres online.

Grund für diesen Entwicklungsvorsprung ist nicht zuletzt die strategische Partnerschaft des DMS-Spezialisten mit dem Telekomanbieter Mannesmann Arcor. Über dessen Leitungen werden nämlich die Daten übertragen. Die Kommunikation erfolgt über ein leistungsstarkes virtuelles privates Netz (VPN) mit Transferraten bis zu 310 Mbit/s.

Vertrieben wird Doku@web nach Angaben von Weber ausschließlich über den indirekten Kanal, und das mit gutem Grund: "In Zusammenarbeit mit unseren Partnern gewinnen wir neue Ideen und bleiben ständig up to date, was die Entwicklung und die Fluktuation des Archivmarktes betrifft."

Ebenfalls als selbständiger ASP versucht sich seit kurzem die Mühlheimer Easy Software AG. Gemeinsam mit der Hochsicherheitsrechenzentrum Eurodata gründete man das Unternehmen Myeasy.de. Dabei handelt es sich um ein Web-Portal, das unter dem Namen "Web-archiving" gleichzeitig einen Outsourcing-Service anbietet. Dieser ermöglicht die revisionssichere elektronische Archivierung von Daten und Dokumenten aller Art via Internet.

Auch bei Easy möchte man nach den Worten von Vorstand Markus Hanisch weiterhin eng mit dem indirekten Handelskanal kooperieren: "Wir räumen unseren Partnern die Möglichkeit ein, sich für unser ASP-Geschäftsmodell zertifizieren zu lassen und es auf Provisionsbasis zu vermarkten."

Partner statt potentieller Konkurrent

Während Unternehmen wie Datasec, Easy, COI und andere heftig in komplette ASP-Infrastrukturen investieren, setzen DMS-Hersteller wie die Germeringer Docuware AG auf andere Strategien. Sie möchten vom ASP-Boom profitieren, ohne Gefahr zu laufen, ihr Kerngeschäft zu vernachlässigen.

"Wir sehen uns ausschließlich als Software-Hersteller und Partner für ASPs, denen wir unser DMS und umfangreiche technische und vertriebliche Unterstützung anbieten", stellt Docuware-Vorstand Jürgen Biffar klar. Ein ASP-Angebot setzt sich nach seinen Worten aus verschiedenen Dienstleistungen zusammen, die je nach Marktsegment individuelle Anpassungen erfordern.

Grund genug für ihn, zu ASPs nicht als Outsourcer von Web-Archiven in Wettbewerb zu treten, sondern sie als Partner zu gewinnen. Mit einem speziellen Lizenzmodell will der DMS-Spezialist seinen Vertriebspartnern die Möglichkeit eröffnen, Docuwares System zusammen mit eigenen Diensten als ASP-Lösung anzubieten.

Ein ähnliches Konzept verfolgt der US-amerikanische DMS-Hersteller Documentum. Hier hat man unter dem Namen "Aspire" ein Programm für ASP-Partner aufgelegt und damit nach Aussage von Josef Huber, dem europäischen Vertriebsdirektor, in den USA und in Europa bereits einige Outsourcer für die eigene DMS-Software gewinnen können. "Documentum wird sich weiterhin auf die Entwicklung und Vermarktung von Dokumenten- und Web-Content-Management-Lösungen konzentrieren, die anschließend direkt, indirekt und über ASPs vertrieben werden", bekräftigt Huber.

Kurzfristige Erfolge sind fraglich

Trotz des unbestrittenen Marktpotentials und eines enormen Fortschritts - insbesondere im Bereich der Telekommunikation - gibt es auch kritische Stimmen, die zumindest eine schnelle und breite Akzeptanz ASP-basierter DMS-Dienstleistungen in Frage stellen.

Karl Heinz Mosbach, Technischer Leiter bei der Leitz Digital Office GmbH, sieht den Einsatzbereich derzeit auf einige wenige Branchen beschränkt. "Es sind noch einige Hausaufgaben hinsichtlich Bandbreite, Funktionsumfang und Verfügbarkeit zu machen. Hinzu kommen enorme Sicherheitsängste potentieller Kunden, sensible Daten in fremde Hände zu geben", fasst er seine Bedenken zusammen.

Der Sicherheitsaspekt spielt auch für Karl Grote, Geschäftsführer beim Bochumer DMS-Spezialisten AIS GmbH, eine Schlüsselrolle: "Welcher Kunde ist schon so leichtsinnig, seine aufbewahrungspflichtigen Unternehmensdokumente in einem Web-Archiv abzulegen? Wie will er zum Beispiel bei Insolvenz des ASP-Anbieters seine Dokumente wiedererlangen? Indem er Kopien hält? Dann kann er sie auch gleich selbst archivieren", zieht Groten seine eigenen Schlussfolgerungen.

Einen weitgehend ungeklärten Faktor, der über die Zukunft der Anbieter entscheiden wird, stellt die Einbeziehung der Microsoft-Welt in die ASP-Dienste: "90 Prozent aller Betriebssysteme, die benutzerinteraktiv arbeiten, stammen nun einmal von Microsoft", stellt der AIS-Chef fest. "Solange Microsoft nicht die entsprechenden ASP-fähigen Produkte liefert, wird es hier daher keinen schnellen Wandel geben", prognostiziert er weiter.

Aus gänzlich anderen Gründen hat mit der SER AG in Neustadt/Wied einer der führenden europäischen DMS-Anbieter das Thema ASP schon ad acta gelegt. Für die konsequenten Vordenker in Sachen Wissens-Management ist ASP eine uralte Idee, die zur Zeit eine Renaissance erlebt: "Wir sind davon überzeugt, dass die Zukunft nicht in der Bereitstellung von Speicherplatz und Software-Kapazität, sondern in der Bereitstellung von Wissen besteht", meint etwa Nico Lemmens, Business-Development-Manager bei SER. "Nicht ASPs, sondern KSPs, also Knowledge-Service-Providern, wird die Zukunft gehören", lautet seine Prophezeiung. Und genau diese Dienstleistungen möchte die SER AG künftig in ihr Angebot aufnehmen. (sd)

www.coi.de

www.docustore.de

www.docuweb.com

www.easy.de

www.docunet.de

www.documentum.de

www.elo.leitz.de

www.windream.com

www.ser.de

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