Interesse an Chip-Aktien nimmt wieder zu

16.08.2001
Die Chipfabrikanten leiden unter den schwachen Absatzmärkten. Mit weiteren Gewinnwarnungen ist zu rechnen. Dennoch nimmt das Interesse an den Aktien zu. Wenn es der Branche am schlechtesten ging, war bislang immer der beste Zeitpunkt zum Kaufen. Das Muster könnte sich wiederholen. Die Experten lauern auf die Erholung der Konjunktur.

Die Nachrichten haben überrascht, obwohl die Branche schon seit Monaten über das magere Geschäft klagt. Fast 600 Millionen Euro betrug das Minus im abgelaufenen Quartal beim Infineon-Konzern. Der Kurs rutschte auf 24,14 Euro ab, seinen bisher tiefsten Stand.

Auch Philips verbuchte in der Halbleitersparte als Folge geringerer Umsätze und zunehmender Erosion der Preise Verluste: 770 Millionen Euro Miese standen fürs vergangene Quartal bei den Niederländern zu Buche. Noch vor zwei Monaten hatten sie gleichbleibende Umsätze und eventuell einen kleinen Gewinn angekündigt. Die japanischen und die US-Chipfabrikanten haben inzwischen vier- oder fünfmal ihre Planzahlen revidiert. Anfang Juli präsentierte Intel-Konkurrent AMD schwächere Ergebnisse, kurz davor hatte Transmeta gewarnt.

Schnelle Reaktivierung bei steigender Nachfrage

Doch sobald die Konjunktur wieder anspringt, wollen die Unternehmen stillgelegte Kapazitäten rasch reaktivieren. Dies könnte demnächst der Fall sein. Der Industrieverband Semiconductor Industry Association (SIA) rechnet im Jahr 2002 mit Verkäufen von Chips für Computer, Telefone und andere elektronische Produkte im Gesamtwert von 211 Milliarden Dollar, was einer Steigerung um 20,5 Prozent entspräche. Für 2003 prognostiziert der Verband 25 Prozent mehr Umsatz, bevor die Wachstumskurve auf sieben Prozent einknickt.

Die Börse quittierte dies Anfang Juni mit einem kleinen Strohfeuer der Chipkurse. Sie reagieren auf Neuigkeiten traditionell besonders empfindlich. Aufgrund der aktuell negativen Lage erlosch es jedoch wieder. Für eine generelle Trendumkehr ist es offenbar noch zu früh. Seit April schwankt die Mehrzahl der Papiere in einem breiten Seitwärtstrend, bei den anderen zeigt die Tendenz noch abwärts.

Dennoch nimmt das Interesse an Chipaktien zu. Niemand möchte den Einstieg verpassen. Wenn es der Branche am schlechtesten ging, war bislang immer der beste Zeitpunkt zum Kaufen. Laut Deutscher Bank und Goldman Sachs sollen etwa Infineon nächstes Jahr wieder auf 50 Euro klettern. Der Höchstkurs von 94 Euro datiert vom Juni vorigen Jahres.

Intel rechnet 2002 wieder mit Rückenwind

Chancen für die Hersteller von Computer-Chips sieht Intel-Chef Craig Barrett. Sie stellen rund die Hälfte des weltweiten Branchenumsatzes dar. Analysten führen an, dass die Speicherkapazitäten von Computern zunähmen und neue Software Unternehmen und Private zum Kauf neuer Rechner motiviere. Anfang 2002 müsse hier ein Wachstum zu erkennen sein.

Eine Rückkehr zur alten Dynamik scheint jedoch ausgeschlossen. Intel jedenfalls erwartet ein stärkeres zweites Halbjahr. Das Potenzial reicht vielleicht für 20 Prozent höhere Kurse. Gleiches gilt für AMD. Unentschieden ist derzeit die Situation bei Micron Technology, dem führenden US-Fabri-kanten für Computer-, Telekommunikations-, Automations- und Industriechips. Der Kurs schwankt seit Monaten zwischen 30 und 50 Dollar und steht aktuell bei rund 40 Dollar, der Höchststand vor eineinhalb Jahren war knapp 100 Dollar. Im vorigen Oktober wurde ein Ergebnis pro Aktie in Höhe von 4,30 Dollar für dieses Jahr kalkuliert, gegenwärtig rechnen Analys-ten mit weniger als einem Dollar. 1998 und 1999 schrieb Micron einen Verlust, ein Jahr später wurden 1,5 Milliarden Dollar verdient. Hier zeigt sich, wie enorm schnelllebig das Geschäft ist.

Andere Fabrikanten mit einer vorwiegend gemischten Produktpalette zeigen das gleiche Muster. Dazu gehören die meisten europäischen und asiatischen Chipkonzerne (Infineon, Philips, ST Microsystems; Hitachi, Fujitsu, NEC, Toshiba) sowie aus den USA beispielsweise Alliance Semi, Analog Devices, Lattice Semi, Linear Tech, Microchip Technology und National Semi.

TK-Halbleiter-Nachfrage in der Flaute

Halbleiter für die Telekommunikation werden laut Intel-Vorstand vorläufig nicht besonders stark nachgefragt, da in diesem Bereich mehr Material auf Lager liegt. Zudem flaut die Handy-Konjunktur weiter ab. So sieht die Gruppe der Hersteller mit Schwerpunkt Kommunikations-Chip noch angeschlagener aus. Dazu zählen US-Gesellschaften wie Anadigics, Altera, Applied Micro, Cirrus Logic, Conexant, Cypress Semi, Integrated Device, LSI Logic, Maxim Integrated, Motorola, Semtech, Texas Instruments, TranSwitch und Vitesse Semi.

Sie konnten sich lange Zeit relativ gut halten, weil sie von der Expansion der Netzwerke, dem Aufbau der Internet-Infrastruktur und der nächsten Generation von Daten- und Sprachübertragung sowie Projekten wie Bluetooth profitierten. Manche hoben noch im letzten Herbst ihre Planzahlen für das Jahr 2001 an, was neue Höchstkurse und sündteure KGVs zur Folge hatte. Als sich jedoch herausstellte, dass die Sonderkonjunktur der Kommunikationschips vorüber war, stürzten sie besonders tief ab. PMC Sierra beispielsweise fielen von 225 auf rund 19 Dollar und notieren aktuell bei zirka 36 Dollar. Spezialist Rambus fiel von 135 auf 7,5 Dollar, der Patentstreit und möglicherweise geringe Einnahmen von den Lizenznehmern belasten.

Als großer Gewinner in diesem Jahr steht Nvidia mit einer Kursverdoppelung da. Im vergangenen Quartal legte der dominierende Hersteller von Grafikprozessoren für Computer beim Umsatz um 70 und beim Gewinn um 113 Prozent zu. (kk)

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