Internet: Warum die meisten Deutschen draußen bleiben

28.09.2000
Allen Wachstumsprognosen zum Trotz: Die Mehrheit der Bevölkerung ist nach wie vor offline und will es auch bleiben. Als Barrieren für die Internet-Nutzung werden in einer entsprechenden Gemeinschaftsumfrage von ARD und ZDF hohe Kosten und komplizierte Technik genannt.

Quasi im wöchentlichen Turnus prognostizieren Marktanalysten und Unternehmensberater dem zukunftsschwangeren Medium Internet riesige Wachstumsschübe. Tatsächlich sieht die heutige Realität noch ein wenig anders aus: Mit 71,4 Prozent ist die Mehrheit der Bundesbürger über 14 Jahre privat wie beruflich noch immer offline - und will es in naher Zukunft auch bleiben. Dies geht jedenfalls aus der aktuellen "Offline-Studie 2000" hervor, die im Auftrag der ARD/ZDF-Medienkommission durchgeführt wurde.

Hohe Kosten und mangelndes Know-how halten noch immer viele der potentiellen Internet-Nutzer davon ab, ins Web zu gehen. Drei Viertel der so genannten "Offliner" glauben, dass das Internet für sie interessanter sei, wenn "Computer und alles, was dazu gehört", billiger wären. Mehr als 60 Prozent von ihnen sind überzeugt, dass ein unkomplizierterer technischer Zugang sowie eine größere Bedienerfreundlichkeit Voraussetzungen für eine weitere Verbreitung des Internet in der Gesellschaft seien.

29 Prozent sind Gegner des neuen Mediums

Von den Offlinern, die bereits Kontakte mit dem Internet hatten - beziehungsweise eine recht genaue Vorstellung davon haben -, wollen sich dennoch insgesamt 68 Prozent in naher Zukunft keinen Internet-Anschluss zulegen. Das sind immerhin 37 Prozent der hiesigen Bevölkerung - 29 Prozent davon gehören sogar zu den ganz entschiedenen Gegnern des Internet. Besonders hoch ist der Studie zufolge die Zahl der Nicht-Anschlusswilligen unter älteren Menschen: Bei den 40- bis 59-Jährigen sind es 65, bei den über 60-Jährigen rund 90 Prozent. Bei dieser Berechnung sind diejenigen, die noch nie Kontakt mit dem Medium hatten und nach Meinung der Analysten eher zu den Gegnern gezählt werden müssen, noch gar nicht erfasst.

Sollte sich dieser Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzen, wäre die Folge eine "mediale Klassengesellschaft", fürchten die Experten. Dies betreffe zum einen die ältere Generation. Zum anderen entstehe ein Bruch zwischen denen, welche die neuen Technologien und Medien mit Gewinn für sich nutzen, und denen, die aufgrund mangelnden Wissens, psychologischer Barrieren oder fehlender Hardware der Entwicklung nicht folgen können.

Dennoch ist die Zahl der "Internet-Muffel" stetig sinkend: Im vergangenen Jahr lag der Anteil der Menschen, die sich nicht an das neue Medium wagten, noch bei mehr als 80 Prozent. Im Vergleich dazu kann man bis 2001 tatsächlich von einem enormen Wachstumsschub sprechen: Für das nächste Jahr gehen die Analysten von einer Verringerung des Offliner-Anteils auf unter 60 Prozent aus. In naher Zukunft könnte die Internet-Gemeinde hierzulande bei knapp 45 Prozent liegen, glauben sie. Ihre Schätzung beruht vor allem darauf, dass 24 Prozent der aktuell befragten Offliner sich in nächster Zukunft "ganz bestimmt" beziehungsweise "wahr-scheinlich" einen privaten Internet-Anschluss zulegen wollen.

Internet als neue Kommunikationsform

Die entscheidenden Gründe für die Anschaffung eines Internet-Zugangs sind für die Offliner in erster Linie die Möglichkeit, zu "interessanten Informationen zu gelangen", in die "faszinierende Welt des Internet einzutauchen" sowie "neue Formen der Kommunikation" zu nutzen. Gleichwohl betrachtet laut Umfrage auch der Großteil der Bevölkerung (93 Prozent), der heute noch nicht "drin" ist, das Internet als das Medium der Zukunft. 71 Prozent der Offliner sind sogar der Meinung, dass sich das Web bald in der Gesellschaft ebenso etablieren wird wie die mittlerweile klassischen Medien Fernsehen, Hörfunk und Print.

Interessant ist auch die Tatsache, dass sich selbst die Offliner durch einen hohen Wissensstand in puncto Internet auszeichnen; die meisten haben es auch schon mal genutzt. Sie stehen dem Medium im Grunde also aufgeschlossen gegenüber, allerdings gibt es bei seinem konkreten Gebrauchswert widersprüchliche und zum Teil diffuse Vorstellungen. Ein großer Teil hält das Informations- und Unterhaltungsangebot der klassischen Medien für ausreichend und erkennt im Internet keinen konkreten Nutzwert. Häufig hört man auch das Statement "Ich brauche das Internet weder beruflich noch privat". Das Kostenargument ist im Vergleich zur Vorjahresumfrage weniger stark ausgeprägt, spielt aber nach wie vor eine große Rolle. Besonders groß ist aber - vor allem bei der älteren Generation - die Angst, mit dem Medium nicht umgehen zu können. Gewachsen ist auch die Sorge, dass durch die Nutzung des Internet die persönlichen Kontakte der Menschen zurückgehen werden (von 50 auf 57 Prozent); auch die gemeinsame Kommunikation sieht man durch die individuell geprägte Selektion der Inhalte verarmen (von 48 auf 55 Prozent). Doch dem World Wide Web kann man auch durchaus positive Seiten abgewinnen: So sind 84 Prozent der Befragten der Meinung, dass man durch das Internet mit Menschen in Kontakt kommt, die man sonst nicht kennen lernen würde. 75 Prozent sehen durch das Internet sogar das Verständnis für Menschen aus anderen Ländern und Kulturen wachsen. (mf)

www.br-online.de/br-intern/medienforschung/md_mm/offlinestudie00.pdf

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