Interview mit Media-Markt-Gründer Walter Gunz

17.09.1998

INGOLSTADT/MÜNCHEN: Für Media-Markt-Chef Walter Gunz steht fest: Der Consumer-Markt im PC-Bereich wird noch kräftig wachsen. Voraussetzung dafür ist aber, daß die Geräte wesentlich einfacher zu bedienen sind. Doch er ist optimistisch, daß dies schon bald der Fall sein wird. Und Geld kann man diesem Marktsegment auch verdienen, allerdings braucht der Händler dafür "viel Fingerspitzengefühl".Herr Gunz, bei den Computerherstellern herrscht Wehklagen. Mit dem Preisverfall bei Heimcomputern sinken die Margen bedrohlich. Die Käufer sind selbstbewußter geworden, machen nicht mehr jeden Trend mit. Lohnt sich der Verkauf von Heimcomputern noch?

GUNZ: Selbstverständlich. Ich stimme in dieses Gejammer nicht ein. Es kommt von Leuten, die keine Ahnung vom Consumer-Geschäft haben, die auf Komplexitäten herumreiten und am liebsten in Megahertz-Kategorien denken. Wir sehen vielmehr ein riesiges Marktpotential, das noch erschlossen werden kann. Ich bin davon überzeugt, daß der Computer zu einer Art Kommunikations- und Entertainment-Zentrale im Haushalt wird. Allerdings wird dieser Computer anders aussehen und andere Funktionen haben als die heutigen Geräte mit ihrem Bürotouch. Unterhaltungselektronik und Computer wachsen zusammen, so daß wir in wenigen Jahren die Bereiche nicht mehr trennen können.

Sind Sie da nicht etwas optimistisch? Unternehmensberater sehen schon eine Marktübersättigung, wenn 60 Prozent der Haushalte über einen

Computer verfügen.

GUNZ: Na prima, dann können wir noch 40 Prozent der Haushalte mit Computern ausstatten. Aber ernsthaft, ich sehe so eine Grenze nicht. Seit vielen Jahren höre ich, daß wir bald keine Farbfernseher mehr verkaufen werden, weil sie mittlerweile in jedem Haushalt stehen. Und in schöner Regelmäßigkeit stellen wir jedes Jahr fest, daß der Fernsehverkauf eine unserer Hauptertragssäulen ist. Warum? Weil es einen echten Ersatzbedarf gibt. Und wenn es echte Innovationen gibt, dann kauft der Kunde.

Ein Computer ist allerdings ein gänzlich anderes Produkt

als ein Farbfernseher. Das Argument der Unkenrufer ist doch, daß die Käufer die Lust verlieren, weil sie vor der Komplexität des Computers

kapitulieren.

GUNZ: Gut, das stimmt. Die Computer müssen wesentlich einfacher werden, nicht die Technik, sondern der Nutzen muß betont werden. Beispielsweise, daß ich ganz einfach meine Urlaubsfotos in den Computer bringen kann, ordnen, verändern und dann per Tastendruck auf dem Monitor darstellen kann oder daß der Computer gleichzeitig Telefon, Faxgerät und Anrufbeantworter ist. Ich bin allerdings optimistisch, daß die Gerätebedienung bald sehr viel einfacher wird.

Was heißt bald?

GUNZ: Schon in einem Jahr. Japanische Konzerne wie Sony und Panasonic, die viel davon verstehen, wie man Massenmärkte adressieren muß, arbeiten bereits an solchen, sehr einfach zu bedienenden Geräten. Die anderen werden folgen. Es bleibt auch gar nichts anderes übrig. Das beste Beispiel sind Videorecorder. Als ich mein erstes Gerät gekauft habe, bin ich fast daran verzweifelt. Der stand ein halbes Jahr fast unbenutzt da, weil ich dachte, ich würde vielleicht intelligenter, aber das war's dann auch nicht. Dann habe ich mir gesagt: Walter, das ist nicht dein Gerät, und habe auf ein besseres Modell gewartet. Das gleiche könnte auch im Heimcomputergeschäft geschehen. Um dem vorzubeugen, müssen sich die Hersteller halt nach der Decke strecken.

Daß Computer allzu einfach werden, dürfte Ihnen aber auch nicht schmecken. Schon werden die ersten Geräte zwischen

Gemüsedosen, Getränken und Toilettenpapier bei Aldi oder Lidl verkauft.

GUNZ: Das halte ich für eine Modeerscheinung. Auch wenn die Computer einfacher werden, erfordern sie noch immer Beratung, vor allem nach dem Kauf. Das können Anbieter wie Aldi nicht auf Dauer sicherstellen. Die sehen die Computerangebote als strategisches Instrument, mit dem sie Kundschaft in ihre Läden holen. So etwas nutzt sich schnell ab.

Der Mediamarkt ist aber nicht gerade für Beratungskompetenz berühmt.

GUNZ: Das ist ein Vorurteil. Wir haben die Zahl unserer Berater entgegen dem Branchentrend sogar ausgebaut. Ich gebe zu, daß wir vor kurzem zu wenig Fachverkäufer hatten. Aber wir haben festgestellt, daß wir dadurch Kunden verloren haben.

Beratung kostet aber. Wie soll das aus den knappen Margen finanziert werden?

GUNZ: Das ist ein Problem, aber deshalb auch wieder ein Auftrieb, die Geräte zu vereinfachen. Die Weitergabe der Kosten an die Kunden ist unmöglich, da sie sich an die günstigen Computerpreise gewöhnt haben. Man braucht schon viel Fingerspitzengefühl, um im Computergeschäft Geld zu verdienen.

Verdienen Sie denn?

GUNZ: Ja, dank guter Logistik, knallharter Einkäufer und gutem Marketing. Gerade die Logistik ist entscheidend, da der Preis von Computerkomponenten ja ständig schwankt.

Fürchten Sie, daß Sie künftig Kunden an das Internet verlieren? Es wird zwar noch wenig über das Internet verkauft, aber elektronische Geräte sind bereits unter den Netzbestellern.

GUNZ: Die Diskussion, ob das Internet den stationären Handel ersetzt, langweilt mich. Das wird mit Sicherheit nicht geschehen, weil der Kunde beim Kauf Emotionen braucht. Das ist wie auf dem Gewürzmarkt in Marrakesch, da taucht man ins Gewühl ein, genießt die Gerüche, das Markttreiben...

Aber Herr Gunz, welche Emotionen bieten Sie denn in Ihren Märkten? Da ist doch alles bis unter die Decke mit Geräten vollgestellt.

GUNZ: Na und? Gerade das ist doch das Erlebnis. Wir geben dem Kunden die Nähe zum Produkt. Er kann es sich anschauen, ausprobieren, und wenn er es kaputtmacht, reißen wir ihm auch nicht den Kopf ab. Das ist per Internet nicht möglich.

Also lassen Sie das Internet links liegen?

GUNZ: Das nun auch wieder nicht, aber ich möchte erst mal konkrete Erfahrungen mit dem mit viel Vorschußlorbeeren bedachten Absatzkanal sammeln. Im Kölner Saturn haben wir deshalb ein Pilotprojekt zum Verkauf von Musik-CDs gestartet. Wir werden sehen, wie das ankommt. Vielleicht wird Musik ja künftig nur noch online verkauft, vielleicht gibt es in fünf Jahren gar keine CD mehr.

Vielleicht verkaufen die Musikverlage dann direkt an den Kunden.

GUNZ: Klar, auch das ist möglich. Vielleicht werden sogar die Plattenhersteller arbeitslos, weil die Künstler direkt an ihre Fans verkaufen. Ich halte mich da an den Forschungschef von Matsu-shita, der mal gesagt hat, die Produkte, mit denen wir in 20 Jahren Geld verdienen werden, kennen wir heute gar nicht.

Leicht gekürzte Fassung eines Interviews, das erstmals in der Wirtschaftswoche Nr. 35/98 erschien.

Media-Markt-Chef Walter Gunz sieht im Internet keine Bedrohung für den stationärem Handel.

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