Interview mit Michael Kaack und Robert Beck von Ingram-Macrotron

10.07.1999

MÜNCHEN: Broadliner Ingram Macrotron hat in letzter Zeit jede Menge Schelte einstecken müssen. Vor allem die chaotischen Zustände bei der Einführung des neuen Warenwirtschaftssystems "Impuls" sorgten für viel Ärger beim Fachhandel. Michael Kaack, Vorstandsvorsitzender der Ingram Macrotron AG, und Robert Beck, Geschäftsführer Traditionelle Broadline-Distribution, erklärten den ComputerPartner-Redakteuren Damian Sicking und Susann Naumann, woran es gelegen hat und wie es künftig mit der deutschen Ingram Macrotron-Tochter weitergehen soll.Vor der Einführung des neuen Warenwirtschaftssystems sagten Sie, daß Sie mit keinen großen Schwierigkeiten rechnen. Das war, wie sich später herausstellte, nicht richtig.

Haben Sie die Situation damals zu optimistisch eingeschätzt?

KAACK: Ja. Das Problem dabei war, daß wir vor der Einführung nicht alle Systeme auf ihre Funktion getestet haben. Wir hatten einfach nicht bedacht, daß man wirklich eine vollständige Testumgebung braucht.

BECK: Außerdem wäre eine derartige Testumgebung kaum machbar gewesen - Probleme haben sich dann im Tagesgeschäft herausgestellt. Vor allem, weil es die größte EDV-Umstellung war, die jemals bei einer Ingram-Gesellschaft durchgeführt wurde. Es ist unterschätzt worden, daß in solch einer Gesellschaft wie unserer doch völlig andere Strukturen herrschen als in allen anderen europäischen Unternehmen. Was schon einmal daran liegt, daß wir dreimal soviel Umsatz machen wie jede andere Ingram-Micro-Gesellschaft in Europa. Dafür haben wir jede Menge Lehrgeld zahlen müssen.

Dazu kommt, daß Sie über viele dezentrale Lager in ganz Deutschland verfügen und "Impulse" diese heterogene Landschaft nicht unterstützt. Heißt das, daß ein Ende der Problematik erst mit dem Bezug des neuen Lagers in Straubing in Sicht ist?

KAACK: Nein, der reibungslose Verkauf an unsere Händler ist jetzt schon sichergestellt. Es ist uns bereits im vergangenen Jahr gelungen, die acht Lager so zu strukturieren, daß unsere Software funktioniert. Damals haben wir aus der Not eine Tugend gemacht, was natürlich zu Lasten des Ergebnisses ging. Später kam dann Ingram

Micro mit "Impulse" und hat festgestellt, daß diese Software unsere

Multilager-Infrastruktur unterstützt. Dabei wurde aber eines übersehen: In den USA wird zwar auch ein Auftrag aus mehreren Lagern geliefert, dabei aber getrennt. Hier will der Kunde einen Komplettauftrag. Dadurch ist es dann zu Falschlieferungen oder fehlenden Lieferdokumenten gekommen. Deshalb haben wir die neue Software an unsere Gegebenheiten anpassen müssen.

Verträgt sich denn diese Software jetzt noch mit der, die in den anderen europäischen Ländern eingesetzt wird?

KAACK: Am Kern der Software wurde nichts geändert. Vielmehr haben wir Anpassungen durchgesetzt, die von den anderen europäischen Schwesterfirmen schon oft gefordert worden sind.

Wann wird denn das Onlinebestellsystem in das Warenwirtschaftssystem integriert sein?

KAACK: Es gibt zwar ein paar kleine Prozesse, die noch in Arbeit sind. Im wesentlichen aber ist das Onlinebestellsystem integriert und wird ständig weiterentwickelt.

Wie lange wird es denn noch dauern, bis wirklich alles wieder

reibungslos bei Ingram Macrotron läuft?

KAACK: Im Moment kämpfen wir mit ein paar Altlasten wie Reparaturen und Retouren. Außerdem sind in der Buchhaltung noch einige Arbeiten zu erledigen.

BECK: Es ist wirklich schwer zu sagen, wann man mit allem komplett fertig ist. Ich denke, daß die wesentlichen Dinge wieder funktionieren. Und was jetzt noch kommt, sind eher Sachen, die sich um die Effizienz drehen oder um neue Ideen. Dafür haben wir eigens ein Organisationsteam gegründet, das pausenlos die Prozesse prüft und anpaßt.

In dieser schwierigen Zeit haben nach unseren Informationen etliche Mitarbeiter entnervt das Handtuch geworfen. Auch auf Managementebene hatten Sie in der vergangenen Zeit einige Abgänge zu verzeichnen. Die Rede ist vor mehr als 65 Mitarbeitern, die das Unternehmen insgesamt verlassen haben.

KAACK: Nach unserer Rechnung waren es 35 Mitarbeiter. Aber wie dem auch sei: Natürlich hat diese Zeit viele Mitarbeiter ständig an die Grenzen der Belastbarkeit gestellt. Immer, wenn wir gedacht haben, jetzt wird es einfacher, kam wieder etwas anderes dazwischen. Und da sind natürlich auch einige Mitarbeiter, die schon vorher stark beansprucht waren, abgesprungen. Hinzu kommt, daß die ganze Distribution mit ihrem schwierigen Geschäftsumfeld ständig Belastungen ausgesetzt ist. Außerdem denke ich, daß bei einer Firma mit über 1.400 Mitarbeitern Kündigungen, wie wir sie erlebt haben, gar nicht so extrem sind.

Daß Ihr ehemaliger Logistikchef Manfred Born ausgerechnet

zu Computer 2000 geht, dürfte Sie doch ganz besonders wurmen?

KAACK: Diese Entwicklung beobachte ich jetzt seit geraumer Zeit doch eher amüsiert. Durch unsere Entscheidung, konsequent auf das Komponentengeschäft zu setzen, konnten wir in den vergangenen beiden Jahren sehr große Erfolge verbuchen. Dazu kommt der Built-to-order-Bereich, der ebenfalls gut läuft. Und gerade in diesen Bereichen hat uns Computer 2000 in den vergangenen Jahren immer wieder Personal abgeworben. Wenn uns Computer 2000 also als Kaderschmiede ansieht, nehme ich dieses Kompliment gern an. Dennoch werden wir diese Stellen wieder gut besetzen können, weil die Firma inzwischen so organisiert ist, daß sie nicht mehr auf den Schultern einzelner Manager ruht. Für den Bereich Logistik haben wir bereits einen Nachfolger gefunden.

Sie sprachen gerade den BTO-Bereich an. Nach unseren Informationen ist aber die PC-Fertigung gar nicht mehr so erfolgreich, so daß Sie das Engagement einstellen wollen. Ist das richtig?

KAACK: Natürlich ist der Private-Label-Markt überall unter Druck geraten. Aber daß wir uns davon trennen wollen, stimmt nicht. Vielmehr wollen wir das Ganze ausbauen. Wir produzieren derzeit zwischen 6.000 und 7.000 Stück pro Monat und liegen damit über den Vorjahreszahlen. Was wir aber suchen, ist ein Markenhersteller, der ein wirklich flexibles BTO-Konzept für den Mittelstand anbietet.

Das würde ja heißen, daß Sie mit dem Konzept, das mit der IBM gefahren wird, bislang überhaupt nicht zufrieden sind.

KAACK: Überhaupt nicht wäre zuviel gesagt. Wir haben ja einige Systeme ausgeliefert. Aber es läuft noch viel zu schwerfällig.

BECK: Das hat IBM auch schon selbst zugegeben. Mittlerweile wurde das Programm neu überdacht und ist jetzt zumindest soweit, daß wir ein vorkonfiguriertes System um bestimmte Komponenten wie spezielle Festplatten erweitern dürfen. Wobei sich die großen Hersteller nach wie vor durch ihre Servicestandards immer wieder Regularien schaffen, die dann ein flexibles System blockieren.

Richtig Gas geben wollen Sie auch im Geschäft mit den Macrotron-

Monitoren, die kürzlich in "V7 Videoseven" umgetauft wurden. Verprellen Sie mit diesem Engagement nicht Ihre Lieferanten?

KAACK: Nein. Um diese Frage zu beantworten, muß man einfach die verschiedenen Anbieter von Monitoren sehen. Da gibt es zum einen die wirklichen Monitormarken und zum anderen die PC-Hersteller, die eigene Bildschirme anbieten. Weiterhin fertigen in Fernost, und hier vor allem in Taiwan, viele Unternehmen Monitore, verkaufen sie aber nicht als Marke. Und genau diese Liga der taiwanischen Hersteller vertreten wir. Zumal es unsere Strategie ist, Produkte von Markenherstellern im Komponentenmarkt zu vertreiben. Das Monitorgeschäft ist also nur ein Zusatz.

BECK: Wenn wir mit unseren Monitoren wirklich die Markenhersteller beschneiden würden, müßten ja die Umsätze mit diesen Herstellern deutlich zurückgegangen sein. Das ist aber nicht der Fall, im Gegenteil: Wir sind sogar um 20 bis 30 Prozent gewachsen.

Warum haben Sie nur den Namen für die Monitore geändert und nicht die ganze Produktpalette?

KAACK: Mittlerweile ist das passiert. Eine doppelte Markenstrategie wollten wir uns nicht mehr leisten. Außerdem möchten wir auch keine Rechtsstreitigkeiten mehr. Deshalb haben wir uns aus den Verhandlungen zurückgezogen und all unsere eigenen Produkte in V7 Videoseven umbenannt.

Unter welchem Kapitel stand das Jahr 1999 in der Macrotron-

Geschichte?

KAACK: Das Jahr 1999 ist der Grundstein für unsere nachhaltige Etablierung als Nummer eins.

Aber von den nackten Zahlen her gesehen, wird es nicht das Aushängeschild werden.

KAACK: Nein, denn es war ein Jahr der Umstellung und Konsolidierung. So mußten wir sowohl acht Lager als auch eine kostspielige Infrastruktur unterhalten. Und auch das neue Lager hat die Kasse geplündert. Deshalb wird das erste Quartal 2000 ebenfalls nicht glänzend ausfallen, weil in diesem Zeitraum noch der Lagerumzug ansteht und parallel dazu ein paar alte Lager aufrechterhalten werden müssen.

Und in Zahlen ausgedrückt? Wo wird Ingram Macrotron am Ende des Geschäftsjahres stehen?

KAACK: Konzernweit werden wir sicher 4,5 Milliarden Mark umsetzen. Auf Deutschland entfallen davon etwa 85 Prozent. Beim Ertrag erwarten wir allerdings nicht die guten Zahlen vom Vorjahr.

Wie wird es nächstes Jahr aussehen?

BECK: Für die Distribution denke ich, daß wir sechs Milliarden Mark schaffen werden.

KAACK: Und im Jahr 2001 wollen wir in den Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz, Ungarn, Tschechien und Polen zehn Milliarden Mark anpeilen.

Blicken wir einmal nach Amerika. Dort mußte kürzlich Ingram-Chef Jerre Stead nach einer erneuten Gewinnwarnung seinen Hut nehmen. Auch Ex-Europachef Phil Ellett ist nicht mehr an Bord. Wie beurteilen Sie die Situation?

KAACK: Daß man dort Konsequenzen zieht und Dinge verändert, finde ich dynamisch und vernünftig. Ingram ist ja nun der größte Distributor und hat vielleicht auch deshalb einen leistungsstarken, aber auch recht teuren Apparat aufgebaut. Dazu kommt, daß man den Veränderungen des Marktes, wie Margenverfall oder Direktvertrieb, mit den angekündigten Restrukturierungen ein bißchen zu schnell entgegnen wollte. Jetzt muß das Tempo wieder etwas zurück genommen werden. Außerdem ist in den USA das Thema Outsourcing, das heißt, daß die Logistik für Lieferanten und Kunden übernommen wird, sehr angesagt.

Darauf muß Ingram ihre Organisation einstellen. Und dann werden sie auch in diesem Punkt die Marktführerschaft übernehmen.

Stichwort Marktführerschaft: Wie steht es denn damit in Deutschland?

KAACK: Vom Umsatz her sind wir das schon. Wir wollen aber auch noch die Nummer eins nach Gewinn werden.

Das letzte Quartal in diesem Jahr ist soeben angebrochen - für alle Marktteilnehmer das traditionell wichtigste. Was erwarten Sie in

diesem Jahr?

KAACK: Es gibt zwar viele Spekulationen wegen der Jahr-2000-Umstellung. Ich denke dennoch, daß das vierte Quartal in diesem Jahr wie in den vergangenen Jahren verlaufen wird. Interessant wird vielmehr das erste Halbjahr 2000 werden. Denn dann ist die Jahrtausendproblematik vom Tisch, dafür sind aber viele andere Dinge liegengeblieben. Und da wird dann einiges auf uns zukommen.

Ingram-Macrotron-Manager Robert Beck (rechts) und Michaek Kaack (zweiter von rechts) im Gespräch mit den ComputerPartner-Redakteuren Damian Sicking und Susann Naumann.

Robert Beck, Geschäftsführer Traditionelle Broadline-Distribution: "Im nächsten Jahr peilen wir mit der Distribution einen Umsatz von sechs Milliarden Mark an."

Macrotron-Vorstandschef Michael Kaack: "Wenn uns Computer 2000 als Kaderschmiede ansieht, nehme ich dieses Kompliment gern an."

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