Interview mit Stefan Heimerl, Marketing-Chef bei Apple Deutschland

21.01.1999

MÜNCHEN: Trotz des weltweiten Erfolges geriet Apple Deutschland in den vergangenen Wochen heftig unter Beschuß. Ein Teil der Fachpresse und eine Anwender-Initiative im Internet kritisieren die Strategie und die Ergebnisse der Feldkirchener Apfel-Mannschaft. Besonders angeprangert wird die restriktive Informationspolitik. Im einem mit der Zeitschrift "Macwelt" geführten Interview nimmt Stefan Heimerl, Marketing-Manager bei Apple für die Region Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH), Stellung zu den Vorwürfen.

Seit Wochen gibt es im Web eine Unterschriftensammlung zu einem Offenen Brief an Steve Jobs. Die Unterzeichner werfen Apple Deutschland Mißmanagement vor und verlangen von Jobs, daß er eingreift. Wackeln jetzt Stühle?

HEIMERL: Wir sehen die Initiative der deutschen Apple-Anwender nicht negativ. Die angesprochenen Punkte liegen fast alle nicht im unmittelbaren Entscheidungsspielraum von Apple in Deutschland. Die Preisgestaltung ist schon lange ein paneuropäischer, im Prinzip bereits weltweiter Prozeß mit geringen nationalen Bandbreiten. Die Werbung - etwa "Think different" - wird inhaltlich und budgetweise weltweit koordiniert. Der Apple Store für Europa ist ein paneuropäisches Projekt. Produkte und Produktqualität sind weltweit einheitlich. Das Feedback zu unserer nationalen Webseite nehme ich sehr ernst, wir werden unsere Anstrengungen in diesem Bereich massiv verstärken. Das Team der Apple-Region DACH ist super engagiert, kann hervorragende Ergebnisse vorweisen und ist die beste Belegschaft, die ich in meinen zwölf Jahren in der Computerindustrie kennenlernen durfte.

Wenn alles so super ist, wieso dann der Unmut der Anwender?

HEIMERL: Offensichtlich haben wir es nicht geschafft, die positiven Ergebnisse in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Das wollen wir gerne ändern. Der Brief kann helfen, den besonderen Gegebenheiten des deutschen Marktes neben unseren eigenen Bemühungen Apple-intern noch mal mehr Gewicht zu geben. So werden wir uns auch mit den Initiatoren des Briefes treffen, um die einzelnen Kritikpunkte zu diskutieren. Wegen des Briefes wackeln aber keine Stühle.

Weshalb ist die Informationspolitik Ihres Hauses eigentlich so restriktiv?

HEIMERL: Dazu müssen wir betrachten, welche Historie Apple hat. Bevor Steve Jobs zurückkam, gab es keine Kommunikationsdisziplin. Jeder hat nach außen erzählt, was er gerade an Neuigkeiten erfahren hat. Das Ergebnis war ein chaotisches Bild von Apple in der Öffentlichkeit, das Image hat damals schweren Schaden genommen und das Unternehmen sehr viel gekostet. Zuviel Kommunikation kann schaden. Momentan sind wir auf der anderen Seite des Extrems - aber es hat Apple weltweit sehr gutgetan. Es war eine der Voraussetzungen für den gelungenen Turnaround. Wir sind zuversichtlich, daß sich die Kommunikationspolitik in einigen Bereichen - etwa bezüglich nationaler Ergebnisse - in absehbarer Zeit in Richtung mehr Transparenz ändern wird.

Die wildesten Spekulationen gibt es momentan darüber, ob der iMac auch hierzulande ein Erfolg ist. Ist er das? Weshalb dann die Preissenkung um 500 Mark?

HEIMERL: Deutschland ist ein sehr schwieriger Markt für Apple im Consumerbereich, da wir über keine erfolgreiche Historie wie etwa in Frankreich verfügen. Die iMac-Weihnachtsaktion über die Apple-Fachhändler wurde weltweit nur in Deutschland durchgeführt, da Deutschland durch die Wechselkursveränderungen Mark zu Dollar seit Anfang September (damals zirka 1,80 Mark) besonders stark getroffen wurde. Eine preissenkende Sonderaktion war deshalb erforderlich. Dadurch hat sich auch die Run-Rate entscheidend erhöht. Die Produkteinführung ist angesichts erst spät oder noch nicht gestarteter Wunsch-Retailpartner erfolgreich für uns verlaufen - im vierten Kalenderquartal haben wir eine fünfstellige Zahl von iMacs abgesetzt.

Viele meinen, der iMac sei auch nach dieser Preissenkung noch zu teuer. Wann senkt Apple den empfohlenen Verkaufspreis auf unter 2.000 Mark?

HEIMERL: Kein Kommentar zu zukünftigen Produkt- und Preisentwicklungen.

Apple wird 1999 seine Teilnahme an Messen reduzieren. Wenn Sie wachsen wollen, müssen Sie doch beim Kunden präsent sein.

HEIMERL: Apple konzentriert seine Ressourcen auf weniger Aktivitäten, führt diese dafür um so stärker durch. Für Deutschland bedeutet dies: Wir werden das hervorragend angenommene Konzept des Apple Power Parks in der Halle 13 bei der Cebit 99 fortsetzen. Wir streben dabei eine

Erhöhung der Zahl der Mac-OS-Lösungspartner an, die mit uns zusammen bei dieser "Mutter aller Computermessen" auftreten werden. Im Herbst ist eine große Mac-OS-Plattform-Messe geplant. Da die Macworld unabhängig von Apple von den Messeveranstaltern in eine neue Messe namens "Digimedia" eingebracht wird, die nur eine eingeschränkte Präsentation der von der Mac-OS-Plattform adressierten Marktsegmente ermöglichen würde, arbeiten wir an möglichen Alternativen.

Und welche Ziele haben Sie sich für 1999 gesetzt?

HEIMERL: Unser Ziel im laufenden Geschäftsjahr 1999 ist eine erhebliche Erhöhung der in der Region abgesetzten Stückzahlen. Das Stückzahlenwachstum wird sicher in erster Linie durch unsere Consumerprodukte getragen werden. Durch den fortgesetzten Fokus auf unser Kernmarktsegment der professionellen Kreativen sowie den Ausbau unserer Präsenz im Bereich Forschung und Lehre planen wir bei den G3-Power-Macintoshs beziehungsweise Powerbooks ebenfalls einen beachtlichen Zuwachs. Die Nennung konkreter Zahlen verbieten mir unsere Konzernrichtlinien

Was ist dran an den Zahlen in einigen Medien, wonach Apple Deutschland mit einem Umsatz von 343 Millionen Mark im Jahr 1997 die Umsatzvorgaben um 150 Millionen Mark verfehlt habe?

HEIMERL: Das Geschäftsjahr 1997 war für Apple weltweit sehr schwierig. Der Umsatz reduzierte sich von zirka zehn auf sieben Milliarden Dollar - auch das Vertriebsgebiet Deutschland war anteilsmäßig davon betroffen. Es ist richtig, daß die zu Beginn des Finanzjahres festgelegten Geschäftsziele weltweit nicht erreicht wurden. Die damalige kritische Geschäftsentwicklung führte letztendlich zur Ablösung von Dr. Gil Amelio und dem Antritt von Steve Jobs als Interims-CEO. Seitdem wurde fast das gesamte Topmanagement ausgewechselt. Der Apple-Gesamtkonzern hat sich im vergangenen Geschäftsjahr konsolidiert - der Umsatz ging zwar weltweit von zirka sieben auf sechs Milliarden Dollar zurück, aber statt 1,045 Milliarden Verlust wurden 309 Millionen Dollar Gewinn erzielt - der eindrucksvollste Turnaround in der Geschichte der PC-Industrie. Dies wurde hauptsächlich durch die Konzentration auf unsere Kernkompetenzen und die damit verbundene Reduzierung von Produktkategorien erreicht. In der Region DACH haben wir das Umsatzergebnis im Finanzjahr 98 im Vergleich zu 1997 annähernd halten können - trotz des 14prozentigen Umsatzrückgangs weltweit. Dies belegt, daß das Resultat der Region unter der Geschäftsführung von Peter Dewald überdurchschnittlich gut gewesen ist.

Dennoch hat Apple Deutschland vor kurzem zwei weiteren Distributoren die Verträge gekündigt und arbeitet jetzt nur noch mit CHS und C2000 als Distributoren zusammen. Warum hat man sich für die entschieden?

HEIMERL: Distribution ist ein Volumengeschäft. In der Distribution bekommen die Hersteller die größte Unterstützung, die bei den wettbewerbsüblichen Margen den größten Umsatz machen. Der durch den härteren Wettbewerb verursachte Margenverfall in Kombination mit dem in den letzten drei Jahren zurückgehenden Umsatzvolumen führte zu der Tatsache, daß wir mit vier Voll-Distributoren in Deutschland überdistribuiert waren. Dies haben auch unabhängige Marktexperten festgestellt. Mit der Reduzierung auf zwei Distributoren sind wir überzeugt, schlagkräftiger im Markt agieren zu können. Übrigens hat Apple weltweit die Zahl der Distributoren auf zwei pro Land reduziert. Bei der Auswahl der zwei Distributoren haben wir die Entscheidungsfindung monatelang in Zusammenarbeit mit den Distributoren vorbereitet.

Ihr Unternehmen hat vor kurzem auch allen Apple-Centern, also jenen Händlern, die direkt von Ihnen beliefert werden, die Verträge gekündigt, um sie neu zu verhandeln. Was war der Hintergrund für diese Maßnahme?

HEIMERL: Es ist ein routinemäßiger Verwaltungsakt, die Händlerverträge in bestimmten Zeitabständen zu kündigen, um die Vertragsbedingungen aktuellen Marktveränderungen anzupassen. Dabei geht es zum Beispiel um qualitative Basisbedingungen eines Apple-Centers, Rabattstrukturen, Werbekostenzuschüsse, allgemeine Geschäftsbedingungen und so weiter. Solche Vertragsänderungen sind dann auch Gelegenheit für eine Überprüfung, ob die für den Apple-Center-Status notwendigen Bedingungen für Umsatzvolumen, Vertriebsqualität und Apple-Fokus gegeben sind. Um die hohen Anforderungen eines Apple Centers zu erfüllen und damit auch in die Nutzung der damit verbundenen Vorteile zu kommen, ist ein Mindestumsatzvolumen zu erfüllen. Während eine beachtliche Zahl von Apple-Centern im vergangenen Jahr den Umsatz steigern konnte, ist das nicht allen geglückt.

Wie vielen nicht?

HEIMERL: Von 52 bisherigen Apple-Centern mit über 100 Ladengeschäften werden sechs bis sieben leider nicht mehr das notwendige jährliche Umsatzvolumen erreichen und deshalb den Status eines Apple-Centers verlieren. Diese Fachhandelspartner gehen der Mac-OS-Plattform nicht verloren, sondern beziehen in Zukunft über die Distribution.

Im Herbst mußte mit Systematics einer der ehedem größten europäischen Apple-Händler Konkurs anmelden. Unseren Informationen zufolge arbeitete Systematics schon seit mehreren Jahren auf MillionenPump, die Rede ist von zuletzt 20 Millionen Mark als Kreditlinie. Gemessen an Apples Umsatz in Deutschland ist dies beträchtlich. Wie wollen Sie das Geld wieder reinholen? Und warum war Systematics am Ende doch nicht mehr zu retten?

HEIMERL: Die Ursachen für den Konkurs der Systematics-Handelskette können von Apple nicht kommentiert werden. Unsere langfristigen Bemühungen über alle Ebenen, eine andere Lösung herbeizuführen, sind leider gescheitert. Wir bedauern dies sehr. Die Entwicklung bei diesem Händler ist zudem keinesfalls symptomatisch für den Apple-Markt. Dieser zeigt im Gegenteil eine völlig andere Entwicklung. Der Markt ist durch eine erhöhte Nachfrage nach Apple-Produkten gekennzeichnet. Das Systematics-Geschäftsvolumen wird von anderen Apple-Fachhändlern übernommen. Auf das Jahresergebnis wird dieses traurige Ereignis keinen entscheidenden Effekt haben.

(Das komplette Interview erschien erstmals in der "Macwelt" 2/99.)

Marketing-Chef Stefan Heimerl bei Apple Deutschland: "Offensichtlich haben wir es nicht geschafft, die positiven Ergebnisse in der Öffentlichkeit zu kommunizieren."

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