IP-Telefonie und Fußball

13.05.2004
Auf seiner Partner- und Kundenveranstaltung in Sardinien beschwor Avaya seinEngagement für den indirekten Kanal. Mit dem Ziel, so Europa-Chef Lars Ole Hansen,"den europäischen Markt zu dominieren". Von ComputerPartner-Redakteur Wolfgang Leierseder

Zwar kann es Fußball allein nicht sein, der Lucent-Spin-off Avaya häufiger als bisher ins Bewusstsein von IT-Entscheidern bringen soll, doch wenn Frank Obermeier, Channel-Verantwortlicher der Amerikaner in Deutschland, sagt, "wir haben den Punkt erreicht, dass unser Name bekannt ist", meint er Fußball. Vorerst allerdings hauptsächlich in Asien und in den USA. Was allerdings weniger wichtiger ist, weil dort das US-Unternehmen eine Größe im Geschäft mit Service-Providern und Fortune-500-Unternehmen ist.

Seit 2002 in Japan und Südkorea als Sponsor der FIFA bei Weltmeisterschaften in Erscheinung getreten, folgte 2003 die Frauen-WM in den USA. Bei jeder Spielübertragung war das Unternehmens-Logo auf dem Fernsehbild zu sehen. Und 2006 wird es in Deutschland der Fall sein. Ein Engagement, das alles in allem 100 Millionen Dollar verschlingt. Doch das scheint es dem Erben der ehemaligen Enterprise Networking-Abteilung Lucents wert zu sein.

Bastionen in Europa noch nicht gefestigt

Gewiss ist immerhin, dass dieser Anschub dem Unternehmen auf dem alten Kontinent nicht schlecht stünde. Denn selbst wenn es im Moment europaweit Port-Marktführer in Sachen IP-Telefonie ist, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass Avayas Bastionen in Europa noch längst nicht so gefestigt sind, wie es sich das Unternehmen und die rund 1.000 europäischen Partner wünschen.

Das liegt vor allem daran, dass Avayas Vertriebsverständnis aus Lucents Enterprise-Network-Jahren stammte: Direktvertrieb. Damit begann Avaya nach der Eigenständigkeit im Oktober 2000 - man war mit TK-Großkunden liiert und Konkurrent von AT&T, Nortel, Alcatel, Siemens und den Netzabteilungen von TK-Ausrüstern. Ein Blick auf das oberste Management bestätigt: AT&T oder Lucent heißen bei fast jedem Manager die Karrierestationen.

Doch Avaya musste in der IT-Krise lernen. Während es massiv entließ, entdeckte es den indirekten Vertrieb. Zumal es sich zunehmend mit IP-Netzen beschäftigte, nachdem TDM-Netze laut Kundenanforderung wenigstens für Call-Center und Unified Messaging IP-tauglich gemacht werden sollten. Natürlich setzte das Unternehmen nicht nur auf indirekten Vertrieb, denn 40 Prozent Marktanteile bei der Migration von TK- auf IP-Netze wollten nicht verspielt werden.

"Wir wollen den IP-Telefon-Markt dominieren"

Folglich definierte Avaya sich so: "Einige hundert Unternehmen betreut es direkt; den weitaus größeren Rest indirekt", so Louis D?Ambrosio, weltweit verantwortlich für Vertrieb und indirekten Kanal. Und nach zweijährigem Schlingerkurs zwischen indirekt und direkt hat es auch die Vertriebsausrichtung sozusagen verinnerlicht, wie Obermeier sagt.

Mittlerweile erzielt Avaya in Europa rund 70 Prozent seiner Umsätze über Partner. Und der Partnervertrieb soll auf dem alten Kontinent vehement ausgebaut werden, wie D'Ambrosio den rund 150 europäischen Partnern in Sardinien versicherte. Am liebsten mit IP-Telefonie ist es mit fast 60 Prozent Wachstum eines der drei am schnellsten wachsenden Segmente.

In dasselbe Horn stieß Buddie Ceronie - seit zwei Monaten EMEA-Verantwortlicher für den indirekten Kanal - glaubwürdig für viele Partner durch seine langjährige 3Com-Partnervergangenheit. "Wir haben uns auf Sie umgestellt und werden das forcieren", versicherte er.

Die heutige Linie, wie sie auf dem Avaya-Forum vom gesamten Europa-Management beschworen wurde, ist nicht zuletzt das Resultat der Einsicht, mit IP-Telefon-Systemen einen neuen Kundenzugang aufbauen zu müssen. Europachef Lars Ole Hansen erklärte: Der indirekte Vertrieb sei das Bindeglied zwischen Avaya und den "vielen Hunderttausend Unternehmen", die auf den IP-Zug aufspringen werden.

Dass Avaya sich mit dieser Stoßrichtung Systemhäusern, VARs und Integratoren nähern muss, die IP-Erfahrung haben, hat auch einen einfachen Grund: Noch immer entscheiden in Unternehmen getrennte Mannschaften über IP- und TDM-Netze. Und während Letztere Avaya bestens vertraut sind, hapert es, wie unlängst Avaya-CEO Don Peterson erklärte, mit einem entsprechenden Zugang zu IP-Entscheidern in Unternehmen.

Wandlung binnen zwei Jahren

Das wollten die Partner dann konkret wissen. "Was kostet die Zertifizierung von je zwei Technikern und Vertriebsbeauftragten, wenn ich genau weiß, dass ich sie nicht ständig beschäftigen kann?", fragte ein Partner. Avaya versprach, ihn finanziell zu unterstützen. Seit Oktober 2000 von Lucent in die Unabhängigkeit entlassen, hat Avaya seine mitgegebenen Besitztümer - Call-Center, Unified Messaging(UM) und glänzende Beziehungen zu Telekom-Providern - genutzt, um sein milliardenschweres Geschäft zu halten.

Nach verlustreichem Anfang - der Börsengang fiel mitten in die IT-Krise, was das eingeplante Carrier-Geschäft stoppte - verwandelte sich Avaya binnen zwei Jahren vom Anbieter von Telefonie und Dateninfrastruktur zum IP-Telefon-Anbieter. Das Geschäft mit Call-Center und UM wurde weiter gepflegt.

Heute zählt das Unternehmen, dessen Jahresumsatz sich 2003 auf 4,3 Milliarden Dollar belief, zu den weltweit größten, doch unausgeglichenen USA-lastigen Anbietern dieser Lösungen. Das Avaya-Partnernetz zählt derzeit rund 2.500 Mitglieder. In Deutschland vertreibt die knapp 120 Mitarbeiter zählende Avaya sowohl direkt als auch über 25 Partnern sowie zwei Distributoren indirekt.

Meinung des Redakteurs

Noch bewegt sich Avaya, da es aus dem Telekommunikations-Sektor kommt, auf unsicherem IP-Terrain. Die Frage, was IP-Partner wollen, beschäftigt das Unternehmen sichtlich. Denn um als Anbieter von IT-Managern in Unternehmen gesehen zu werden, braucht es die Partner. Eine selten klare Konstellation für beide.

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