Ist die Zwangsmitgliedschaft in der IHK noch zeitgemäß?

14.08.2003
Marzena Fiok mfiok@computerpartner.de

Eine "vorläufige Regelung", die bald seit 50 Jahren Bestand hat, bringt die Seele der deutschen Unternehmer zum Kochen: Weil sie gezwungen werden, die Industrie- und Handelskammern durch Pflichtbeiträge zu unterstützen, werfen sie ihren Interessenvertretern "Selbstbedienungsmentalität", den Hang zu "Glaspalästen und Luxuslimousinen", "mangelnde Dienstleistungsbereitschaft" und sogar die "Beeinträchtigung der freien Wirtschaft" vor (siehe Seite 10).

Das ist nicht fair, denn die Organisationen haben zweifelsohne viel für ihre Mitglieder erreicht: Die Sicherung der Ausbildungsqualität kommt einem da in den Sinn, ebenso der Aufbau von regionalen Kompetenzzentren und überregionalen Kontaktbörsen. Und natürlich haben Kammern wie die IHK großen Einfluss, sind die Stimme der Mitglieder, die selbst in der großen Politik gehört wird.

Dennoch könnte das Image der Kammern heute kaum schlechter sein: In unserer Online-Umfrage gaben 93 Prozent der Befragten an, sie würden sofort aus ihrer Organisation austreten, wenn die Zwangsmitgliedschaft abgeschafft werden würde. An den Beiträgen, die die meisten als immens hoch empfinden, kann es eigentlich nicht liegen: Durchschnittlich zahlt ein Unternehmer 165 Euro im Jahr - die Mitgliedschaft in einem Sportverein kommt ihn um einiges teurer.

Der Grund, warum viele noch mehr Geld, Zeit und Kraft in den Kampf gegen die Zwangsmitgliedschaft investieren, liegt tiefer: Es geht ums Prinzip. Weil sie den Kammern beitreten müssen, ohne jemals gefragt worden zu sein, ob sie das auch möchten, fühlen sich die Unternehmer von diesen Körperschaften nicht vertreten, sondern nur bevormundet - und das zu Recht.

Die "Beeinträchtigung" durch die Zwangsmitgliedschaft sei hinnehmbar, befand im vergangenen Jahr der Bundesgerichtshof. Schließlich werde den Unternehmern dadurch eine Chance eröffnet, an staatlichen Entscheidungsprozessen mitzuwirken, ohne selbst aktiv werden zu müssen.

Das tun politische Wahlen auch. Allerdings kann sich der mündige Bürger hier seinen Interessenvertreter aussuchen. Als Unternehmer bekommt man ihn einfach vorgesetzt, auch wenn man mit seiner Marschrichtung vielleicht gar nicht einverstanden ist. Mit Freiheit und Demokratie hat das wahrlich nichts mehr zu tun.

Zwang bewirkt nur Trotz und ist in diesem Fall der Sache ohnehin nicht dienlich: Denn wie ernst muss und kann man eine Institution noch nehmen, die von der Mehrheit ihrer eigenen Klientel lautstark abgelehnt wird? Die fordert, dass ihre Mitglieder von bürokratischen Zwängen befreit werden und sie selbst mit eisernen Ketten belegt? Diese "Zwangsbeglückung", wie einer der Betroffenen die Pflichtmitgliedschaft nennt, ist im Grunde genommen bereits eine Bankrotterklärung des Systems. Es ist an der Zeit, den Unternehmern ih-re Eigenverantwortung zurückzugeben, die Mitgliedschaft in den Kammern auf eine freiwillige Basis zu stellen. Sollte dies nicht bald geschehen, wird dieZahl der "Mitglieder" sicherlich kontinuierlich weiter wachsen, doch die Bedeutung der Kammern wird schwinden und damit ihr eigentlicher Auftrag als Repräsentanten der Unternehmer nicht mehr erfüllt werden.

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