IT-Aktien werden auch 2002 nicht stabiler

10.01.2002
Der IT-Aktienaufschwung seit September wurde durch reichlich Liquidität bei Investmentfonds und mehrmalige Zinssenkungen möglich. Die wirtschaftliche Lage lässt indessen zu wünschen übrig. Die Ausgaben für IT-Investitionen dürften nicht zunehmen. So wird 2002 für IT-Aktien erneut ein Jahr mit Schwankungen.

So viel Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Konjunktur und der Aktienkurse herrschte selten. Unter diesem Aspekt sind alle Prognosen zu betrachten. Sie dürften im Laufe der kommenden Monate noch mehrfach revidiert werden. Ob nach oben oder unten, ist derzeit offen. Erstaunlich vor diesem ungewissen Hintergrund ist die ausgeprägte Hausse bei den IT-Aktien seit Ende September.

Übersehen wird dabei, dass es sich bislang um eine Erholung im seit April vorigen Jahres laufenden Abwärtstrend handelt - trotz der kräftigen Gewinne - und nicht um eine generell neue Aufwärtstendenz. Die Experten meinen wohl zu Recht, dass die meisten IT-Aktien auf dem jetzigen Niveau angesichts der noch einige Zeit mageren Ertragslage schon wieder ziemlich teuer sind.

Von Vorsicht geprägt sind deshalb die Ansichten wichtiger Investmentbanken. Merrill Lynch etwa warnt vor überzogenen Hoffnungen. Während in diesem Jahr die IT-Budgets in den Firmen noch um drei Prozent gewachsen sind, sei für das kommende Jahr eventuell eine Stagnation oder ein Minustrend zu befürchten. Die weitere Erholung der Hightech-Branche und ihrer Aktien könnte sich hinziehen, erklärte kürzlich Goldman Sachs. Dennoch wird mit überwiegend steigenden Unternehmensgewinnen gerechnet, was natürlich den Kursen gut bekäme. Der Grund: Firmen könnten es sich nicht leisten, vorübergehend gar nicht in Informationstechnologie zu investieren. "Das erlaubt der Wettbewerb nicht", berichten die Strategen von WR Hambrecht."Wer nicht investiert, wächst auch nicht." Vom Produktzyklus kommen kaum nachhaltige Impulse.

Bei den neuen Technologien sei zurzeit keine Killerapplikation zu erkennen, die zu einem neuen Investitionsschub führt. Profitieren werden die Hersteller von Ausrüstung für Videokonferenzen, IT-Sicherheit und mobilfunkfähigen Minicomputern. Die Industrie setzt zum Beispiel auf multifunktionale Geräte. Laptops funktionieren nebenbei auch als DVD-Spieler.

Insgesamt relativ zäh dürfte sich das Hardwaregeschäft anlassen, sieht man einmal von der weihnachtlichen Sonderkonjunktur ab. Besser sollte das Segment Software & Service abschneiden. Viele Dienstleister sind durch langfristige Verträge abgesichert, die Aufträge für neue Projekte sind freilich nicht mehr so üppig.

Gut im Rennen liegen Outsourcing und das Management aller computertechnischen Operationen für Firmenkunden. Gewinnträchtig sollte der Bereich der so genannten Convergence Applications sein, deren Lösungen die Bündelung zum Gegenstand hat - etwa die Verbindung der PCs eines Unternehmens mit den Telefonen und Personal Digital Assistants (PDAs). Der Gedanke dahinter: Wenn man mehr zusammenzieht, könne man mehr davon verkaufen.

Die Chipproduktion wird in einzelnen Bereichen anscheinend noch einige Zeit rückläufig sein. Die Aktien sind wieder sehr hoch bewertet und deshalb rückschlagsgefährdet. Zurzeit die schlechtesten Aussichten haben offenbar die Telekommunikationsausrüster. Aber wenn es aufwärts geht, werden diese Papiere prozentual besonders stark zulegen, weil sie jetzt vergleichsweise niedrig notieren. Ab der zweiten Hälfte 2002 soll der Trend dann überall nach oben zeigen. Bill Gates meinte auf der US-Computermesse Comdex: Die Welt steht erst am Anfang eines digitalen Jahrzehnts - mit doppelt so viel Produktivitätsgewinn wie in den Neunzigern.

Eher geteilt sind die Meinungen der Aktienexperten zu den großen Vier der verflossenen Dotcom-Ära. Sun Microsystems (Server), Cisco (Router), Oracle (Datenbanken) und EMC (Speicherlösungen) mussten harte Umsatz- und Gewinneinbrüche verkraften. Das Dotcom-abhängige Geschäft sei so gut wie erledigt, meinen Analysten. Es könnte an die fünf Jahre dauern, bis die großen Web-Infrastrukturplayer wieder an ihre alte Ertragsstärke herankommen und die gleichen Umsätze erwirtschaften.

Dem Internet werden aber durch die Bank sehr gute Perspektiven eingeräumt. In der Industrie haben Webprojekte eine hohe Priorität. Investiert wird im Sektor Business-to-Business (B2B) und anderen Bereichen, die Unternehmen helfen, ihr Geschäft ins Internet zu heben. So hat der Infodienst Web-Mergers festgestellt, dass die größte Akquisitionstätigkeit in den ersten drei Quartalen dieses Jahres bei Softwarefirmen für CRM, Automating Customer Support, Lieferkettenmanagement (Supply-Chain-Management, SCM) und Information- Sharing festzustellen war. Die Konsolidierung in diesen Zweigen war lange erwartet worden. IBM etwa erwarb die Crossworld Software für 129 Millionen Dollar. Peoplesoft und J.D. Edwards kauften ebenfalls entsprechende Firmen ein. Die Aktien gehören zu den Favoriten.

Die webbezogenen Hardwareumsätze könnten über die nächsten fünf Jahre um jeweils zehn Prozent wachsen - nicht schlecht! Aber im Vergleich zu den früheren hohen zweistelligen Zunahmen ist dies wenig. Ein Wachstum wie in den Neunzigern kommt nicht wieder, sagen die Analysten von Giga Information. Der Markt für Webhosting (Data-Center-Management) wird von einer Milliarde Dollar Volumen in 2000 auf voraussichtlich 20 Milliarden in 2005 wachsen. Früher wurde mit 100 Milliarden im gleichen Zeitraum gerechnet.

IBM hat in diesem Jahr neue Kontrakte in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar abgeschlossen und damit vor allem junge Konkurrenten ausgestochen. Der Grund für den Erfolg von Big Blue liegt dabei auf der Hand: Die Kundschaft bevorzugt etablierte IT-Unternehmen und nicht junge Internet-Companies, von denen man nicht weiß, ob sie nächstes Jahr noch existieren. (kk)

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