J. T. Wang: "Ich hasse Verluste!"

21.10.2004
Im Dezember wird Acer-Gründer Stan Shih 60 und tritt das operative Geschäft an Wang Zhentang ab. Im Interview mit ComputerPartner-Redakteur Klaus Hauptfleisch äußerte sich der künftige CEO, den alle nur J .T. nennen, unter anderem über IT im Zeichen konvergierender Märkte und Marken-Business versus Produktion.

IT und Unterhaltungselektronik wachsen immer mehr zusammen. Deutsche UE-Hersteller wie Grundig und Loewe sind von der Entwicklung überrannt worden und haben dringend nach einem Investor gesucht. Warum ist Acer nicht eingesprungen?

Wang Wir sind konservativ, in Bereiche zu investieren, in denen wir uns nicht auskennen. Bei CE herrschen ganz andere Anforderungen und Wettbewerbsregeln als im IT-Markt. Bevor Fujitsu es tat, haben wir überlegt, ob wir nicht die PC-Sparte von Siemens übernehmen sollten. Aber als wir sahen, was es allein von gesetzlichen Bestimmungen und Auflagen her bedeutet, ein deutsches Unternehmen zu übernehmen, haben wir uns dann doch dagegen entschieden.

Beim Zusammengehen von PC und Heimelektronik wird die CE-Branche eine große Veränderung durchlaufen. Ob dann für CE noch dieselben Spielregeln herrschen werden, wagen wir allerdings zu bezweifeln. Ich denke, dass IT die CE-Branche stärker beeinflussen und befruchten wird als umgekehrt. Die IT-Industrie arbeitet effizienter, die Lebenszyklen sind kürzer und die Margen dünner als in der CE- oder UE-Welt. Fernseher, Digitalkameras und Projektoren sind bereits stark von IT beeinflusst, und das zeigt, wohin die Entwicklung bei CE gehen wird. Unsere Kernkompetenz ist IT, und das wird im entstehenden Konvergenzmarkt nicht von Nachteil für uns sein.

Viele sagen, Sie hätten das Management europäisiert. Würden Sie das unterstreichen?

Wang In unserem Top-Management gibt es über zehn Europäer. Aber nicht nur von Westeuropa haben wir Führungskräfte ins Boot geholt, sondern auch aus Osteuropa und natürlich Asien. Für uns ist nicht wichtig, woher die Leute kommen. Wir haben, wie wir meinen, das weltweit beste Business-Modell entwickelt und wollen es weltweit kopieren.

Welche Rolle wird künftig Acer-Gründer Stan Shih spielen?

Wang Shih gibt mir große Unterstützung und Freiheit. Er geht Ende des Jahres in Rente und nimmt operativ keine Funktion mehr im Unternehmen ein, bleibt aber Aufsichtsratsvorsitzender.

Werden Sie künftig auch die Pan-Acer Group leiten?

Wang Die Pan-Acer Group wird es nicht mehr geben. Alle ehemaligen Tochtergesellschaften sind unabhängig. Sehen Sie: Acer, Benq und Wistron sind eigenständige Unternehmen. Und in ABW taucht der Name Acer nicht mehr auf. Das soll in Zukunft auch so gelten.

Benq und Acer pflegen offenen Wettbewerb bis Feindschaft in Europa.

Wang Das Konkurrenzverhältnis zwischen Acer und Benq wird sich künftig noch weiter verschärfen. Wir wollen uns vom Benq-Anteil immer mehr lösen. Anfang 2004 waren es noch rund 15 Prozent, bis Jahresende wollen wir fünf Prozent abstoßen, nächstes Jahr noch mal fünf Prozent. Das ist unser mittelfristiges Ziel. Was mit den restlichen fünf Prozent geschehen wird, werden wir entscheiden, wenn es so weit ist.

Im zweiten Quartal kam es zu dem vergleichsweise schlechten Ergebnis, weil Wistron und andere Tochterunternehmen ins Trudeln geraten sind.

Wang Was Wistron angeht, ist das nicht richtig so. Die Gewinneinbrüche bei der Produktionsgesellschaft haben im Wesentlichen zwei Gründe: Einmal ist das operative Geschäft nicht so gut gelaufen wie erwartet. Operativ gab es aber, das will ich betonen, keine Verluste. Hauptgrund ist der, dass sich Abschreibungsmodalitäten in Taiwan geändert haben. Über die Hälfte der Wistron-Verluste sind dem zuzuschreiben. Zurzeit hält Acer noch einen Wistron-Anteil von 42 Prozent. Acht bis zehn Prozent sollten in diesem Jahr an die Börse gebracht werden. Doch wegen des hohen Wertverlustes, der das Papier unterhalb des Investitionsvolumens hat rutschen lassen, warten wir damit lieber, bis sich die Lage auf dem Aktienmarkt im nächsten Jahr verbessern wird.

In Europa haben Sie seit der Aufspaltung in Einzelgesellschaften vor drei, vier Jahren die größten Erfolge geschrieben, während das US-Geschäft zumindest bis Ende letzten Jahres immer mehr den Bach runterging.

Wang Wir hatten das US-Geschäft selbst heruntergeschraubt, weil die Verluste zu hoch waren. Wir wollten nicht, dass Amerika das weltweite Business belastet. Als ich Ende 2000 die Geschäftsleitung übernahm, habe ich betont, dass verlustreiche Unternehmen und Regionen zurückgefahren oder abgestoßen werden müssen, denn ich hasse Verluste! Damals wiesen Europa und Asien Wachstum auf, USA und Lateinamerika brachten Verluste, folglich musste das Engagement über dem großen Teich zurückgehen. Nachdem Europa so gut gelaufen war, haben wir in diesem Jahr auch in Nordamerika und China erste Erfolge erzielt.

China wird nicht leicht zu knacken sein, oder?

Wang In China wird es laufen, da die Vertriebsstrukturen sich denen von Europa anzugleichen beginnen. Früher hatten wir in China rund 1.000 Top-Händler. Jetzt bauen wir auf ein zweistufiges System mit etwa 50 Generalvertretungen bei Notebooks und 70 bei Desktop-PCs, die ähnlich agieren wie die Distributoren in Europa. Damit sind wir auf einem Weg, in China voranzukommen. Abgesehen davon sind Lokalgrößen wie Legend (Lenovo) nicht mehr so stark wie vorher.

Hauptgrund für den Zusammenschluss von HP und Compaq vor drei Jahren, war der, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Aus eben diesem Grund hat Acer die Aufspaltung gesucht. Welches ist nun der richtige Weg?

Wang Wir sind überzeugt, dass unser Weg der richtige ist. Wir haben uns noch stärker fokussiert und konnten ein neues Markenimage sowie exzellente Vertriebsstrukturen aufbauen. Als HP und Compaq zusammengingen, sah es so aus, als würden sie eine höhere Marge erzielen. Aber Eins plus Eins ist nicht unbedingt Zwei. Und aktuell ist der kumulierte Umsatz bei unter 1,4. Wenn das so weitergeht, könnte am Ende Eins herauskommen.

Ende 2003 haben Sie begonnen, das europäische Geschäftsmodell auf Amerika zu übertragen, und das Management dort mit Europäern besetzt. Umgekehrt haben sich die Amerikaner in Europa oft schwer gemacht.

Wang PCs sind ein weltweit funktionierendes Geschäft. Wenn man in Amerika nicht genug Finanzkraft und Power hat, tut man sich schwer. Nachdem wir Europa aufgebaut haben, um bis heute zum weltweit fünftgrößten PC-Hersteller zu werden, haben wir eine gesunde Basis, auch in Amerika zu wachsen. Da fehlt es jetzt nicht mehr an Finanzkraft, und es gibt auch keine Probleme mehr mit Lieferengpässen.

In Taiwan gibt es einige große Mitbewerber wie FIC, Tatung und Mitac, die im Heimatland eine große Markenbekanntheit genießen, weltweit als Marke aber kaum existent sind und in ihrer Rolle als ODM/OEM-Hersteller mehr oder weniger verhaftet sind. Was hat Acer anders gemacht?

Wang Die Aufspaltung und Umstrukturierung vor dreieinhalb Jahren war die wichtigste Entscheidung, die zu dem heutigen Erfolg von Acer geführt hat. In Taiwan, und früher auch bei Acer, herrscht noch meist der Glaube vor, dass eine Marke von einer starken Produktion gestützt sein muss. Sogar Samsung hält noch daran fest. Das ist in Asien allgemeines Geschäftsmodell. Meine Erfahrung der letzten Jahre zeigt aber,: Wenn man eine Weltmarke entwickeln will, dann ist die Unabhängigkeit von der Produktion der bessere Weg. Traditionell war die Meinung weit verbreitet, dass die Fabrikation stärker sei. Aber wir haben begriffen, dass Vermarktung die größte Kraft einer Marke ist. Ohne Vertriebs- und Service-Know-how nützt auch eine große Fabrik nicht, sich eine starke Marke zu schaffen. Viele glauben das noch nicht. Aber dann sollten sie die weitere Entwicklung von Acer beobachten. Marken sollten aus der Vertriebskraft schöpfen. Das heißt aber nicht, wenn die Margen im OEM-Geschäft immer dünner werden, dass die Rettung im Marken-Business liegt, weil dort vielleicht höhere Margen winken. Ein Irrglaube. Unterschiedliche Geschäftsfelder wollen unterschiedlich geführt sein. Wer mit OEM-Verständnis versucht, eine Markenfirma zu managen, ist zum Scheitern verurteilt.

Eine letzte Frage hätten wir noch ....

... Herr Wang, würden Sie heute als junger Mann in IT investieren?

Wang IT bietet eine Reihe von Herausforderungen oder Risiken, aber auch ein enormes Wachstumspotenzial. Wenn ich etwas Geld hätte, würde ich erst einen Teil für Leben, Wohnen und Essen beiseite legen. Und wenn dann noch etwas übrig ist, dann würde ich auch heute durchaus in IT investieren.

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