Jetzt kaufen oder lieber noch warten?

15.08.2002
Wer Vabanque-Spiele liebt, wird sich im Speichermarkt wohl fühlen. Nichts ist unberechenbarer als der Speicherpreis von morgen.

Ob es nun daran liegt, dass die beiden südkoreanischen Hersteller Samsung und Hynix - wie in der Presse kolportiert - aufgrund von Milliarden-Subventionen der Regierung in der Lage waren, aus Wettbewerbsgründen die Preise nach unten zu fahren, oder ob sich einfach nur eine Marktschwäche zeigte oder Broker sich von ihren Lagern befreiten - keiner weiß, warum die Preise erst eingebrochen sind und sich dann wieder auf höherem Niveau stabilisierten.

Einiges scheint aber schon dran zu sein am Vorwurf des Preisdumping. Sonst würde nicht Infineon Klage erheben, die EU eine Untersuchung der Geschäftspraktiken ins Auge fassen und auch die USA ähnliche Bestrebungen vorantreiben.

Wie auch immer die Sache ausgeht, eines steht fest: Das Speichergeschäft war schon immer aufregend und hat etwas von Glücksspiel an sich. Erinnern Sie sich: Vor zirka 17 Jahren kostete ein Megabyte schon mal 600 bis 700 DM. Wer liefern konnte, war fein raus und konnte sich eine goldene Nase verdienen. Alarmmeldungen à la "Bei XY droht Produktionsstopp, weil keine Speicher verfügbar sind" gingen durch die Presse und kreierten eine neue Branche: Der Chip-Broker trat in den Markt ein und sicherte sich für längere Zeiten eine Verteilerposition nach der Devise: Wer nett zu mir ist und die geforderten hohen Preise zahlt, wird beliefert. Von diesen Schreckens-Szenarien sind wir glücklicherweise weit entfernt, und es besteht eigentlich kein Grund zur Panikmache.

Allerdings wird sich der Schweine-Zyklus nicht vermeiden lassen. Denn als am 24. Juli die Preise stiegen, ging auch sofort die Nachfrage nach oben. Die Kunden - besonders die PC-Assemblierer - fürchteten, dass sich die Preisspirale weiter nach oben drehen würde. Zwischenzeitlich ist die Nachfrage wieder schwächer, weil die Preise gesunken sind, und PC-Assemblierer warten darauf, dass sie noch mehr nachgeben werden und kaufen deshalb erst mal weniger. Erst wenn sie sehen, dass sich alles wieder auf einem Normalniveau einpendelt, kehrt wieder Ruhe ein.

Was wird dann passieren? Keiner weiß es genau. Und wer sagt, er wisse es, kann genauso gut ernsthaft behaupten, er kenne die Lottozahlen der kommenden Ziehung. Vielleicht senken die DRAM-Hersteller die Produktion von einem Tag zum anderen? Als Folge steigen die Preise sofort, und der komplette Markt spielt verrückt. Schließlich will sich jeder mit Memory-Modulen eindecken, bevor die Chips noch teurer werden. Dann sinken die Preise wieder, die Assemblierer kaufen weniger, weil sie glauben, dass die Preise noch weiter nach unten gehen. Und so beginnt das Spiel immer wieder von vorn.

Ohne den Blick in die viel gerühmte Glaskugel zu senken, geht Thomas Marschner, Geschäftsführer bei Kingston (mehr als 50 Prozent des Umsatzes sind OEM-Geschäfte), nicht von weiteren dramatischen Senkungen aus und empfiehlt deshalb, jetzt zu kaufen beziehungsweise sich mit den unterschiedlichen Speichertechnologien zu beschäftigen. Denn es gibt stabile (zum Beispiel der Markt für Server-Memory oder Rambus) und weniger zukunftsträchtige Segmente (zum Beispiel SDRAM). "Glücklicherweise wird Kingston weniger beeinflusst von den schnellen Käufern wie bei Value-RAM, bei denen der Preis wie in der Fischhalle (Daily Catch!) täglich gemacht wird", freut sich Marschner.

Allerdings wird auch Kingston mit den schwankenden Chip-Preisen und der extrem differierenden Verfügbarkeit konfrontiert. Aber, so Marschner: "Dank unserer guten Planung gab es bislang keine Prob-leme."

DDR-Memory-Module

Anfang Juli stiegen die Preise von DDR enorm an, weil die DRAM-Hersteller die Produktion reduzierten. Innerhalb DDR betraf das speziell DDR266-Module, weil die Nachfrage nach dieser Technologie zurzeit sehr hoch ist (neue PCs werden fast nur noch mit DDR ausgeliefert), SDRAM den Zenit erreicht hat und sich zum typischen Upgrade-Produkt entwickelt.

Generell kann man sagen, dass sich der Markt künftig in Richtung DDR bewegen wird. Momentan werden zwar immer noch mehr PC133-/PC100-SDRAM-Module verkauft, weil der überwiegende Teil der Motherboards diese Technologie unterstützt. Aber sobald mehr Motherboards für DDR auf dem Markt sind, wird sich das zweifellos in Richtung DDR verlagern.

Verfolgt man die Ankündigungen der Chipset-Lieferanten, sieht man, wo es hinläuft. Es wird nicht mehr lange dauern, bis DDR266 die übliche Memory-Bestückung eines Mainboards ist, da einige Chipset-Firmen bereits die Unterstützung von DDR400 ankündigen (zum Beispiel Nvidia mit seiner nForce2-Architektur).

Rambus

Ein relativ stabiles Preissegment bietet Rambus, da diese Technologie weiterhin eine Nische besetzt und damit den üblichen Schwankungen nur gering oder fast gar nicht unterliegt. Rambus-Module sind nominell immer noch zweimal so teuer wie SDRAM und zirka eineinhalbmal so teuer wie DDR - aber auch nur deshalb, weil DDR-Module eben einen Preisanstieg verzeichnen konnten. Dieses Verhältnis wird sich jedoch bald ändern, sodass DDR dann die Hälfte von Rambus ausmachen wird.

"Kingston verkauft zurzeit etwa gleich viel DDR- wie SDRAM-PC133- und -PC100-Module, und Rambus trägt mit etwa 30 Prozent zum Gesamtgeschäft bei - der Rest teilt sich zwischen DDR und SDRAM etwa gleich auf", erklärt Marschner.

Diejenigen Händler, die keine Spielernaturen sind, sollten sich entweder mit dem Verkauf von Server-/Workstation Memory oder Rambus befassen, da SDRAM und DDR weiterhin hochspekulativ sind. Für unabhängige Anbieter von Memory-Modulen sei es deshalb sehr wichtig, über eine schnelle Timeto-Market-Produktion zu verfügen, um die Handelspartner optimal unterstützen zu können. Marschner: "Kingston hat viel Geld investiert, um den Durchlauf vom Eingang des Wafers bis zur Auslieferung des fertigen Moduls auf weniger als zwei Wochen herunterzudrücken. Dadurch können Preisreduzierungen schnell an die Kunden weitergegeben werden."

www.kingston.de

ComputerPartner-Meinung:

Der Speichermarkt ist und bleibt weiter undurchsichtig. Nur wer schnell auf sich ändernde Marktsituationen reagieren kann, bleibt erfolgreich. Mit der kurzen Durchlaufzeit von nur zwei Wochen vom Wafer bis zur Auslieferung hat Kingston eine gute Chance, weiterhin in der Branche in einer Spitzenposition mitmischen zu können. (jh)

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