Kai Krause verlässt Metacreations

07.01.1999

MÜNCHEN: Hiobsbotschaften begleiten Metacreations in letzter Zeit. Trotz hervorragender Technologien muß das junge kalifornische Startup-Unternehmen erneut Verluste verkraften.Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Schon zwei Jahre nach Gründung verläßt Chef-Designer Kai Krause Metacreations. Damit verliert das Unternehmen nicht nur sein größtes Zugpferd in der Öffentlichkeit, zweifellos schmälert der überraschende Ausstieg Krauses auch das kreative Potential der in der Nähe von Santa Barbara, Kalifornien, beheimateten Firma.

Selten verbindet man in der Branche die Erfolgsgeschichte eines Unternehmens so eng mit einem Software-Designer. Meist sind es die Geschäftsführer, die Schlagzeilen schreiben. Nicht so bei Metacrea-

tions. Produkte wie Kai's Powertools, Soap und Goo gelten als richtungsweisende Beispiele von Software-Engineering. Krause hat immer wieder versucht, die langweilige Menü-Hierarchie klassischer Win-dows-Anwendungen zu durchbrechen und Programme zu gestalten, die intuitiv zu handhaben sind.

"Das Digitale wieder analog machen" war sein Credo, wenn er

real aussehende Radiergummis in "echten" Schubladen versteckte.

Mitunter - etwa bei Soap 1 - ist er auch über das Ziel hinaus geschossen: Die Leistung der vor zwei Jahren üblichen Maschinen genügte den hohen Anforderungen des Produkts kaum. Krause mußte sich den Vorwurf gefallen lassen, den Fokus zu stark auf Schnickschnack zu richten.

Möglicherweise war das der erste Anstoß zu Krauses aktueller Entscheidung, die er offiziell mit dem Wunsch begründet, sich künftig mehr seinen "eigenen Projekten" widmen zu können.

Die Formulierung spricht Bände: Seit der Fusionierung der kleinen erfolgreichen Krause-Company Metatools (Geschäftsführer John Wilczak) mit Fractal Design im Mai 1997 fühlte sich der Deutsche nicht mehr richtig zuhause in Santa Barbara.

Wendemanöver

Krauses Weggang ist nur die Spitze des Eisbergs, mit dem Metacreations jüngst kollidierte. Letzten Sommer mußte die Firma aufgrund ungünstiger Ertragslage ein Viertel der Mitarbeiter entlassen. Gary Lauer, selbst erst seit Februar vergangenen Jahres Chef bei Metacreations, begründete den schmerzhaften Einschnitt mit der Notwendigkeit, schnell auf veränderte Bedingungen am Markt reagieren zu können. Damit gab er durch die Blume eine Fehleinschätzung der Marktentwicklung zu. Betrachtet man die Branche Grafiksoftware, die durch Internet-Design einen kräftigen Anschub bekommen hat, wird klar, daß damals ein Managementfehler vorlag.

Amerikanische Analysten sehen die Quelle der Fehlentwicklung im schnellen Wachstum, das die Strukturen der chaotischen Kreativschmieden Fractal und Metatools überfordert. Frank Casanova, der im Sommer 1997 von einer Apple-Tochter zu Metacreations kam und dort für die Verkürzung der Time to Market zuständig ist, fand nach eigenen Angaben bei seinem Eintritt "keine" Produktionsstrukturen vor. Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, warf Krauses langjähriger Wegbegleiter (seit 1989) und Firmengründer John Wilczak im Dezember 1997 das Handtuch, bevor im Februar 98 SGI-Mann Lauer das Ruder übernahm. Freilich ohne bislang eine Trendwende zu schaffen.

Die Produktpalette mit Bryce, Painter, Poser, Raydream sowie den Krause-Programmen setzt sich komplett aus Nischen-Software zusammen. Zweifellos steckt hervorragende Technik in den Tools, doch ist der Output, wie etwa die phantastischen 3D-Landschaften aus Bryce, nur für Spezialisten so wichtig, daß dafür die knackigen Preise bezahlt werden. Und diese Spezialisten machen noch keinen Markt. Die Folge: Metacrea-tions verzeichnete im ersten Quartal 1999 einen Umsatzrückgang von 16 Prozent im Vergleich zu Vorjahr (1998: 14,4 Millionen, 1999: 12,1 Millionen Dollar) und fuhr einen operativen Verlust von 1,1 Millionen Dollar ein. Lauer: "Die Umstrukturierung der Firma in Sachen Creative Web ist nun fast vollzogen."

"Creative Web" ist Lauers Versuch, das Ruder herumzureißen. Letzten Sommer gab er die Devise aus, der Markt für Metacreations liege zwischen TCP und IP, und alle Produkte sollten aufs Web getrimmt werden. Ein glänzendes Werkzeug wie Painter hat durch diesen Gewaltakt komplett das eigene Profil verloren.

Vorläufig letzter "Meilenstein" im strategischen Wandel ist der Kauf

einer Firma namens Canoma im Januar dieses Jahres. Die Mini-Com-pany (Kaufpreis 1,75 Millionen Dollar plus 300.000 Metacreations-Aktien) verfügt über die Rechte an einer gleichnamigen Technologie, die jetzt von Metacreations im Rahmen von Metaflash vermarktet wird. Dabei handelt es sich um eine Technik, mit der aus zweidimensionalen Bildern dreidimensionale Objekte erzeugt werden können. Das Unternehmen suchte Anwendungsbereiche in der digitalen Fotografie und verbrüderte sich zu diesem Zweck mit Kodak und Minolta. Der erste Prototyp, die Minolta 3D 1500 erzeugt auf Knopfdruck ein Gittermodell dreidimensionaler Objekte, auf das die Metaflash-Software real fotografierte Texturen auftragen kann. Übrigens: Die Erfinder von Canoma zeichneten früher für die Entwicklung des Web-Design-Tools Page Mill verantwortlich. Heute gehört diese Technik

Adobe.

Der Handel soll's richten

Doch nicht die Technik, eher Vertrieb und Marketing liegen im argen bei Metacreations. Die Firma ist in Europa wenig bekannt, obwohl sie beispielsweise mit Goo ein Produkt im Portfolio hat, das vor zwei Jahren für enormes Aufsehen sorgte. Dieses Feuer ist aber inzwischen erloschen und soll jetzt von einem neuen Verkaufsleiter erneut entfacht werden. Seit Anfang Mai ist mit John Racioppi ein neuer Vertriebschef im Vorstand von Metacreations. Der 42jährige hat zuvor für Inprise den nordamerikanischen Markt bearbeitet. Sein europäischer Statthalter ist übrigens ein alter Bekannter: Dieter Kondek, früher C2, versucht in der alten Welt die stagnierenden Verkäufe von Metacreations anzukurbeln. Beide haben sowohl den Internet-Verkauf als auch den VAR im Visier. Man ist sich bewußt, daß die komplexen Produkte nur mit guter Beratung an den Anwender zu bringen sind. (fp)

Bringt Metastream die Trendwende? Die Technik erlaubt drei-dimensionale Verkaufspräsentationen, allerdings ist ein Plug-in nötig.

Kai Krause will sich - laut seiner Begründung für den Ausstieg bei Metacreations - mehr seinen eigenen Projekten widmen. Seine künstlerischen Ambitionen lebt er am Computer aus - auch dieses Buchcover stammt aus Krauses elektronischem Atelier.

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