Kampf der Betriebsräte: Compaq will sich nicht unterbuttern lassen

18.07.2002
Die Mitarbeiter kommen im Tagesgeschäft angeblich prima miteinander zurecht, die Interessenvertreter nicht: Bei der "neuen HP" kriselt es derzeit zwischen den Betriebsräten von Compaq und Hewlett-Packard. Die eine Partei gibt sich kämpferisch, die andere abwartend - und beide betrachten die Strategie des Gegenübers als Schwäche.

Eigentlich läuft es ja ganz gut mit der Integration im neu-en Konzern, sagt Christian Brunkhorst, Vorsitzender des Compaq-Betriebsrats in München. Jedenfalls habe es bislang beim Tagesgeschäft noch keine Reibereien zwischen den Hewlett-Packard- und den Compaq-Mitarbeitern gegeben: "Die Erlebniswelt der Beschäftigten ist sehr ähnlich: Sie haben den gleichen Hintergrund, die gleichen Interessen und stecken alle sehr tief in der IT-Materie." Die Interessenvertreter sind sich hingegen nicht besonders grün: "Wenn es um den Stellenabbau geht, hört die Freundschaft auf", sagt Brunkhorst.

Die Stimmung der Betriebsräte ist gereizt, denn die Entlassungswelle bei der "neuen HP" rollt: In Frankreich sollen 1.400, in Großbritannien 1.580 Mitarbeiter des fusionierten Unternehmens entlassen werden. In Deutschland rechnet Brunkhorst mit einer Größenordnung von bis zu 1.800 Stellen. "Damit würden sich unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten", sagt er. Ende dieser Woche will HP Deutschland die genauen Zahlen bekannt geben: "Dass es zu Entlassungen kommen wird, ist bekannt", sagt HP-Unternehmenssprecherin Jeanette Weißschuh. Natürlich herrsche deshalb eine gewisse Spannung im Unternehmen. "Doch die Zahlen, die derzeit schon im Markt kursieren, sind reine Spekulation."

Compaq-Mitarbeiter fürchten Benachteiligungen

Zu den Spekulationen von Brunkhorst gehört unter anderem die Befürchtung, dass es beim geplanten Stellenabbau vor allem die Compaq-Mitarbeiter der Münchner Niederlassung treffen könnte. "Hier wurden zum Beispiel viele Aufgaben der europäischen Organisation abgewickelt. Die Frage ist nun, wie viele der Funktionen hier erhalten bleiben", erklärt der Betriebsrat. "Denn den Standort selbst könnte man auch mit 400 Leuten aufrechterhalten". Derzeit arbeiten hier rund 1.500 Angestellte.

Indizien für das mögliche Horrorszenario gibt es laut Brunkhorst viele. So habe es bisher noch keine einzige gemeinsame Betriebsratsversammlung gegeben. Inzwischen habe man sich zumindest schon auf einen Termin geeinigt. Die Kollegen hätten aber den Vorschlag,bei Gesprächen mit dem Management auch für die Compaq-Mitarbeiter einzutreten, bereits abgelehnt. Gleichzeitig würde die Geschäftsführung Verhandlungen mit den Compaq-Vertretern verweigern. Auch gegen Neuwahlen des BRs würden sich sowohl die Interessenvertreter wie auch die Geschäftsleitung mit "Händen und Füßen" wehren, sagt Brunkhorst: "Die wollen keine Compaq-Mitarbeiter im gemeinsamen Betriebsrat haben."

Das sieht man beim HP-Betriebsrat erwartungsgemäß anders: "Natürlich hat es bereits gemeinsame Gespräche gegeben", sagen Susanne Kober und Petra Mesenig. "Und auch wir kämpfen darum, so viele Arbeitsplätze wie möglich im Konzern zu erhalten". Zwar habe es die HP-Vertretung tatsächlich abgelehnt, Verhandlungen für die Compaq-Mitarbeiter zu führen, aber das aus gutem Grund: Noch bis Ende Oktober würden HP und Compaq als rechtlich getrennte Unternehmen fungieren, bis zum legalen Übergang habe man gar keine juristische Grundlage für gemeinsame Auftritte. "Sobald das Thema durch ist, wird es in einzelnen Niederlassungen sicher auch zu BR-Neuwahlen kommen", sagt Mesenig. "Wir müssen uns aber nun mal alle an die gesetzlichen Vorschriften halten."

Gemeinsame Verhandlungen derzeit nicht möglich

Die verschiedenen Sichtweisen der Interessenvertreter haben durchaus etwas mit den unterschiedlichen Unternehmenskulturen zu tun, glaubt Kober - und ist sich damit zumindest in einem Punkt einig mit dem Compaq-Kollegen. "Hewlett-Packard war praktisch 20 Jahre lang nur auf dem aufsteigenden Ast. Dass es zu Entlassungen kommt, ist für uns eine völlig neue Situation." Man habe außerdem immer hervorragend mit der Geschäftsleitung zusammengearbeitet: "Obwohl wir nicht tarifgebunden sind, haben wir für unsere Belegschaft ohne größere Probleme ähnliche Konditionen erreicht. Wir hatten und haben keinen Grund, auf die Barrikaden zu gehen."

Genau diese Einstellung betrachtet Brunkhorst als Schwäche der HP-Fraktion: "Widerworte gegen das Management kennen die nicht". Bei Compaq sehe das anders aus: "Wir haben in der Vergangenheit praktisch einmal pro Jahr eine Restrukturierung inklusive Entlassungen miterleben müssen. Wir haben da einfach mehr Erfahrung." Brunkhorst glaubt, dass auch diese Entlassungswelle nicht die letzte sein wird. Auch deswegen habe man klare "Spielregeln" zum Thema Integration gefordert - bislang vergeblich: "Die Arbeitsbedingungen bei Compaq sind anders als bei HP, wir arbeiten beispielsweise nach einem ganz anderen Tarif. Dennoch bekommen wir HP-Arbeitsbereiche mit HP-Rahmen aufgedrückt", so Brunkhorst, auch wenn man rechtlich noch getrennt sei. "Wir haben - zumindest in den deutschen Niederlassungen - nicht den Eindruck, gleichberechtigter Teil einer Fusion zu sein. Wir fühlen uns gekauft."

www.hewlett-packard.de

ComputerPartner-Meinung:

Natürlich hat Compaq im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze die schlechteren Karten: Erstens ist der Firmensitz der "neuen HP" nicht München, sondern Böblingen, und zweitens ist Compaq das Unternehmen, das übernommen wurde. Aber Compaq hat einen kampferprobten Betriebsrat, der seine Interessen zu artikulieren und zu vertreten weiß. Der eigentliche Kampf steht noch bevor - was der Compaq-Betriebsrat jetzt macht, ist erst das "Säbelrasseln". (mf)

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