Kapitulation: Acer setzt auf Service - mit Schwerpunkt in China

28.06.2001
Erst Anfang des Jahres hatte Acer die Bereiche Brand und OEM kategorisch getrennt. Nun will der reaktivierte Gründer und Chef Stan Shih den Schnitt noch radikaler machen: Bis Ende des Jahres will er sich aus der Produktion zurückziehen.

Stan Shih, reaktivierter Gründer und Chef des taiwanischen Hardware-Herstellers Acer, will die Aktionäre auf einer Hauptversammlung dazu bringen, sich von der Produktion zu verabschieden und statt dessen Acer zu einem reinen Service-Unternehmen zu machen. Um seiner "Bitte" Nachdruck zu verleihen, hat er diese weitreichende Entscheidung bereits eine Woche zuvor in einem Interview mit der "Financial Times" als einzige Möglichkeit zum Überleben dargestellt.

Damit treibt Shih die bereits Anfang des Jahres beschlossene Re-organisation des Unternehmens - Trennung der beiden Unternehmensbereiche Eigenmarke (seit Januar Acer Brand Operation - ABO - genannt) und OEM-Produktion (Design, Manufacturing und Services oder kurz DMS) in eigenständige Geschäftszweige - massiver voran als selbst Regionalmanager von Acer wussten. Er sieht darin die einzige Chance, Acer aus der Verlustzone herauszuholen. Ab Ende des Jahres will er die meisten Anteile an der Produktions-Gesellschaft, die jetzt Wistron heißt, verkaufen und maximal zehn Prozent halten; möglich sei für ihn aber auch der komplette Ausstieg.

Die Verkaufserlöse sollen seiner Meinung nach in das verbleibende Markengeschäft investiert werden. Shih schwebt vor, im Stile von Compaq, IBM oder HP mit Service, Beratung und Individuallösungen Gewinne zu machen, und das vor allem in China. Dort könne man nicht nur sehr gut und billig produzieren lassen, mit 1,3 Milliarden Menschen sei es auch ein attraktiver Absatzmarkt. Chinesen und Taiwaner würden sich dank gemeinsamer Kultur als ein Volk betrachten und Acer als ein inländisches Unternehmen. Acers neuer Werbeslogan macht diese Philosophie deutlich: "Acer - der Stolz der Chinesen".

Im Gegenzug zur Asien-Offensive zieht sich das Unternehmen aus dem verlustreichen US-Geschäft zurück. Die amerikanische Dependance ist nach Aussagen von Walter Deppeler, Marketing Director Acer Europe, extrem klein und "hat in den vergangenen Jahren so ziemlich jede Vertriebsform, die man sich vorstellen kann, ausprobiert." Das ist - nachvollziehbar - nicht gerade förderlich beim Kampf um Marktanteile.

Nur der Erfolg zählt für Shih

Aber wie geht es weiter in Europa? Stan Shih beteuert, man werde außerhalb Chinas vorerst nur in Europa noch aktiv bleiben. Die Entwicklung in Deutschland sei zufriedenstellend und in Italien sei man ja sogar Marktführer. Deshalb dürften die europäischen AcerManager auch selbst entscheiden, welche Produkte sie anbieten.

Deppeler bestätigt ebenfalls die Wichtigkeit des europäischen Markt und beeilt sich zu versichern, weder in Europa noch speziell in Deutschland wären Veränderungen geplant. Vielmehr zeigten sich in diesen Märkten schon erste positive Auswirkungen der Trennung von Brand und OEM. Nur die Fremdproduktion hätte nämlich die Umsatzeinbußen von 37 Prozent (siehe ComputerPartner 15/2001, Seite 16) verursacht, im Brand hingegen wäre ein deutliches Wachstum zu spüren.

Da bleibt für ihn und seine europäischen Mitarbeiter nur zu hoffen, dass es weiterhin bergauf geht, sonst drohen ihm persönliche Konsequenzen ähnlich wie den amerikanischen Kollegen. Denn Shih bemerkte abschließend: "Entscheiden über Erfolg oder Misserfolg wird in unserem neuen Geschäftsmodell allein die Qualität der Leute im entsprechenden Markt." (go)

www.global.acer.com

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 8.

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