Kommentar

29.10.1998

Im August 1991 hatte der Finne Linus Torvalds die Nase voll. Er machte sich daran, ein neues Betriebssystem zu programmieren. Es sollte stabil sein, leistungsfähig, plattformübergreifend und vor allem leicht weiter zu entwickeln. Linux war geboren. Seitdem sitzen Hunderte von Programmierern weltweit an dem Unix-Derivat. Und: Im Prinzip ist Linux kostenfrei. Zumindest, wenn man die Zeit hat, sich den Kernel, Batches und die vielen kleinen Applikationen dazu aus dem Netz zu laden. Natürlich entstanden mit der Zeit Firmen, die Linux-Sammlungen anboten. Diese sogenannten Distributionen gelten aber noch heute als "Underdogs".Die Frage ist: Kann man mit Linux Geld verdienen? Meiner Meinung nach: Ja. Denn das Betriebssystem ist zumindest auf der Serverseite eine echte Alternative zu Windows NT. Außerdem leistet das Unix-Derivat gute Dienste bei Web-Servern. Nach vorsichtigen Schätzungen gibt es inzwischen über sieben Millionen Linux-Nutzer. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich noch viel höher. Auch wenn Microsoft noch gelangweilt abwinkt, das Argument, daß sieben Millionen Nutzer nur rund fünf Prozent des Kuchens seien, das zieht nicht.

Linux ist die Nische, nach der alle in der Softwarebranche so verzweifelt suchen. Auf dieser Lok kann man noch Geld verdienen - vorausgesetzt man springt rechtzeitig auf den Zug auf.

Die Technologie ist gut, nach wie vor ist Linux kostenlos über das Internet zu haben, und das Problem mit dem Support bekommen die Jungs durch die Distributionen auch langsam in den Griff.

Dadurch, daß mehr und mehr Große aus der Branche in den letzten Monaten ihr Interesse an Linux entdeckt haben, wird sowohl die Entwicklung als auch die Verfügbarkeit von Linux-Lösungen weiter vorangetrieben. Oracle kündigte die Portierung der Versionen 8 und 8.1 ihrer Datenbank an. Inprise portiert den SQL-Datenbankserver Interbase 5 auf Linux. Informix geht ebenso in Richtung Linux wie Computer Associates mit Ingres II und Sybase mit Adaptive Server Enterprise. Netscape will sowohl seinen Messaging- als auch seinen Directory-Server Linux-kompatibel machen. Und nach Star Division mit ihrem Staroffice traut sich Corel als einer der ersten, ein Programm für "Normal-Anwender" zu übertragen. Mit der Version 8 soll das Büropaket Word Perfect nun auch auf Linux laufen. Daß sich jetzt auch Intel in die Reihe der Linux-Anhänger stellt, sollte Softwarehäuser und Lösungsanbieter gleichermaßen hellhörig machen. Die Entwicklung geht unaufhaltsam zur kommerziellen Vermarktung von Linux-Anwendungen.

Und das Beste ist: Selbst wenn Microsoft Linux irgendwann einmal als Konkurrent zu NT sehen würde - der Softwareriese wird sich schwer tun, irgend etwas gegen das Wachstum der Freeware zu unternehmen. Denn Microsoft hat keinen greifbaren Gegner. Anders als im Fall Netscape kann Bill Gates keinen Hersteller beschießen. Wie bei Hydra kann er höchstens den einen oder anderen Kopf abschlagen, aber durch die vielen Entwickler und Distributionen werden immer wieder neue Köpfe nachwachsen.

Für Softwarehäuser und Lösungsanbieter bedeutet das: ran an den Speck! Holen Sie sich die dicksten Brocken dieses Nischenmarktes, sonst tun es andere vor Ihnen.

Gabriele Nehls

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