Kommentar

06.10.1998

Michael Kaack, Vorstandschef des Münchener Distributors Macrotron, brachte die Diskussion um Direkt- oder Indirektvertrieb vor einiger Zeit auf einen griffigen Nenner:"Dem Endkunden ist es völlig egal, welche alberne Vertriebsstrategie die Hersteller gerade wieder einmal verfolgen." Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage darf man getrost in Zweifel ziehen.

Wenn zum Beispiel eine IBM oder eine SNI erklärt, in Zukunft einen

großen Teil des Geschäftes nicht mehr mit der eigenen Direktvertriebsorganisation, sondern über Vertriebspartner zu generieren und abzuwickeln, möchten die gewerblichen Endanwender schon sehr gerne wissen, mit wem sie es in Zukunft zu tun haben werden.

Und etwas weiteres kommt hinzu: In weit höherem Maße als in anderen europäischen Ländern legen die Großabnehmer in Deutschland Wert auf eine direkte Betreuung durch die Hersteller. Und das aus mehreren Gründen. Etwa dem, daß sie dem Hersteller eine größere fachliche Kompetenz zumessen, oder dem, daß sie den direkten Informationsfluß schätzen gelernt haben. Nicht zu unterschätzen ist auch das psychologische Moment. Bei vielen Einkaufs- oder EDV-Leitern kommt es gar nicht gut an, wenn sich nicht mehr der Vertreter des Herstellers, sondern ein Mitarbeiter eines Vertriebspartners zum gemeinsamen Kaffee anmeldet. Sie fühlen sich zurückgesetzt, abgeschoben, nicht mehr wichtig genug. Bisher bin ich von Hans, nun soll ich von Hänschen betreut werden, ist eine typische Haltung der Endkunden auf diese Entwicklung. Im extremsten Falle reichen die Reaktionen bis zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehungen zu diesem Hersteller. Insofern kann es sich kein Hersteller erlauben, diese Brücke einzureißen.

Der direkte Kontakt zum Endkunden ist aber für die IT-Hersteller noch aus einem weiteren Grund wichtig. Nur so können sie sicherstellen, daß sie stets über die sich ändernden IT-Bedürfnisse der Kunden auf dem laufenden sind, wo deren Probleme liegen und wie sie diese Probleme lösen können. "Customer Relationship" ist hier das Stichwort. Dieser Kontakt aber ist völlig losgelöst zu sehen von der Vertriebsthematik.

Kein Hersteller kann es sich aus Kostengründen heute noch leisten, einen reinrassigen Direktvertrieb zu betreiben. Sie brauchen Vertriebspartner, die ja zum großen Teil exzellente Spezialisten an Bord haben, die es in puncto Kompetenz und Fach-Know-how mit den Industriemitarbeitern jederzeit aufnehmen können, wenn sie sie nicht sogar in den Schatten stellen.

Die größte Herausforderung für die Hersteller besteht nun darin, Kanalkonflikte zu vermeiden. Wesentlich ist hier eine klare Rollenverteilung zwischen diesen im IBM-Jargon genannten "Reps" (steht für Repräsentanten) und den Vertriebspartnern. Kanalkonflikte lassen sich nur vermeiden, wenn die Reps als Vertriebsaußendienst der Business-Partner agieren. Tun sie das nicht, entsteht genau diejenige Art von Kanalkonflikten, die in der Vergangenheit immer wieder für massiven Ärger zwischen Industrie und Händlern gesorgt haben. Die Situation, daß die Direktvertriebsorganisation eines Händlers mit den eigenen Vertriebspartnern im Wettbewerb stehen, ist eine jener unsäglichen Konstellationen, von der weder die eine noch die andere Seite profitiert. Spätestens dann, wenn es im Dialog zwischen Industrie und Endkunden ums Geschäft geht, muß der Vertriebspartner mit am Tisch sitzen. Und zwar nicht als "Fulfiller" oder "Hinsteller", wie der Händler von eigenen Herstellern immer noch gerne despektierlich genannt wird. Sondern als Kaufmann, der bei der Preiskalkulation und -festsetzung mit starker Stimme sprechen kann.

Damian Sicking

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