Kommentar

10.07.1999

Speicherbausteine sind im Augenblick so teuer wie schon lange nicht mehr. Doch wer schon länger in der Branche tätig ist, wird sich vielleicht erinnern: Die Situation bei den Chips ist heute so ähnlich wie vor etwa fünf Jahren. Damals sorgte ein Brand bei der Firma Sumitomo Chemicals in Japan, die eine für die Chipherstellung in hoher Reinheit notwendige Chemikalie erzeugte, für ein ähnliches Problem. Mit dem Produktionsausfall wurde dann für mehrere Monate eine massive Preissteigerung bei Halbleiterspeichern begründet.Auch bei der jetzigen Preisexplosion spielen neben den tatsächlichen Verknappungen wirtschaftliche Gesichtspunkte eine große, wenn nicht sogar die Hauptrolle. Wenn man sich die Grafik auf Seite 12 ansieht, stellt man fest, daß bereits vor dem großen Erdbeben ein starker Preisanstieg eingesetzt hatte. Die anschließende Naturkatastrophe in Taiwan dient jetzt als willkommene Begründung. Hamsterkäufe von Herstellern, Distributoren und sogar Fachhändlern taten

ein übriges zum Preisanstieg. "Hier geht es zu wie an der Börse", sagte ein großer Vertreiber von Speicherchips. Auf Zuruf werden die einzelnen Pakete mit Speicherelementen heute gehandelt. Jeder kauft, was das Zeug hält.

Einzige Nutznießer des Preisanstiegs sind die Halbleiterhersteller, die nicht vom Erdbeben betroffen sind. Auch einige Distributoren, die sich frühzeitig mit Speicherchips eingedeckt haben, können nun freudig die Hände reiben. Ihre Margen waren noch nie so hoch wie heute.

Einstimmig solidarisch erklären aber nun alle Hersteller den Schulterschluß und erhöhen die Preise. Heute machen sie Gewinne ohne Ende, aber bereits morgen kann es ein böses Erwachen geben. Denn die hohen Preise drücken gewaltig auf die schon arg gebeutelte PC-Industrie. Vor zwei Monaten kosteten 128 MB nur 140 Mark HEK, heute liegt der Einkaufspreis bei rund 700 Mark. Wenn allein die Speicherchips schon ein Drittel des Kaufpreises eines Rechners ausmachen, werden viele Kunden feststellen, daß sie mit ihrem alten PC noch gut leben können. Schnäppchenangebote wird es zum Weihnachtsgeschäft kaum geben, und wenn, dann handelt es sich um stark abgespeckte PCs. Nur so lassen sich Computer für unter 1.500 Mark noch fertigen. Und ob der Kunde dann noch kaufen wird, bleibt abzuwarten. Hat er die Anschaffung jedoch erst einmal zurückgestellt, gibt er das Geld woanders aus. Dann ist es zu spät.

Sobald die Nachfrage wieder sinkt, werden auch die Preise in den Keller gehen. Ob es dann mit der jetzigen Solidarität der Chiphersteller noch weit her ist, bleibt abzuwarten. Denn sobald ein Hersteller Liquiditätsprobleme hat, wird er den Preis wieder senken. Und das könnte für einige Händler und Distis, die sich jetzt teuer mit RAM eingedeckt haben, eine bittere Pille sein.

Allerdings sieht es im Moment nicht so aus, als ob sich die Lage zum Weihnachtsgeschäft entspannen sollte. Insider rechnen damit, daß das Preisniveau bei Speicherchips bis nach der Cebit im Februar auf diesem hohen Level bestehen bleibt. Dann werden viele Konsumenten den PC von ihrem Weihnachtswunschzettel streichen. Und bricht das Weihnachtsgeschäft ein, stehen für den Handel schlechte Zeiten ins Haus.

Hans-Jürgen Humbert

hhumbert@computerpartner.de

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