Kommentar

26.08.1999

"Wer bremst, verliert!", lautet eine alte Rennfahrerregel. In Anlehnung daran wurden bis vor kurzem noch all jene mitleidig belächelt, die es wagten, das ungebremste Kapazitätswachstum bei Festplatten für Desktop-PCs in Frage zu stellen.Falls ein Hersteller Produktentwicklungen für leistungsreduzierte Festplatten anstrebt, ist das ein Eingeständnis mangelnder technischer Expertise. Mit Attacken wie dieser zwangen sich die Konkurrenten gegenseitig, das Gaspedal immer weiter durchzutreten. Die Folgen sind bekannt. Nahezu alle Plattenhersteller mußten schmerzlich erfahren, daß unkontrollierte Raser selten als strahlende Sieger die Ziellinie überqueren.

Während man im Automobilrennsport bei überhöhter Geschwindigkeit, wenn auch unsanft, im nächsten Reifenstapel landet (Gute Besserung, Michael!), hatten die Festplattenhersteller weniger Glück. Mit ihrer Vollgas-Strategie lenkten sie ihre Unternehmen mehr als einmal an eine mit großen roten Zahlen bemalte Betonwand.

Dabei sind es nicht nur finanzielle Aspekte, die es ratsam erscheinen lassen, von Fall zu Fall kontrolliert einen Gang zurückzuschalten. Selbst in exzellent ausgestatteten EDV-Zentren wird mittlerweile darüber debattiert, welche Datenmenge ein professioneller Systemadministrator realistischerweise noch managen kann. Vor diesem Hintergrund kann die Fertigkeit, die man einem Endanwender im Heim- oder Soho-Bereich beim Umgang mit immer größeren Datenspeichern zubilligt, schwerlich grenzenlos sein. Inzwischen sind Überlegungen, für bestimmte Zielgruppen und Anwendungen optimierte, das heißt teilweise auch leistungs- und damit kostenreduzierte Platten zu entwickeln, glücklicherweise kein Tabuthema mehr. Die Festplatten-Budgets für einen 700-Dollar-PC, einen 1.000-Dollar-PC oder einen professionellen Netzwerk-PC sind nun einmal unterschiedlich. Die Zahl der Festplattenhersteller, die das erkannt haben, steigt. Bleibt zu hoffen, daß auch Software- und Betriebssystemanbieter gleichermaßen Einsicht und Vernunft beweisen und weniger ausschweifend als bisher mit Speicherplatz umgehen.

Trotz kontinuierlicher Innovationen können Festplattenproduzenten nicht mit der dramatischen Preis- und Leistungsentwicklung bei Halbleitern mithalten. Je eher diese Tatsache von allen Marktteilnehmern akzeptiert wird, um so schneller wird sich die Situation im Festplattensektor stabilisieren. Vielleicht kann man dann sogar mit dem Vertrieb von Festplatten Geld verdienen. Es muß ja nicht gleich soviel sein, daß es für ausgedehnte Champagner-Duschen reicht.

Siegfried Dannehl

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