Kommentar: Auch Aldi bringt den privaten PC-Käufer nicht in die Läden

05.08.1998

Die jüngste Aldi-Aktion, PCs der gerade wegen mangelnder Rendite zerschlagenen SNI-PC-Abteilung für unter 2.000 Mark zu verkaufen, stellt laut Branchenexperten nur den Auftakt großß angelegter Discountaktionen dar. Insgesamt 600.000 PCs sollen hierzulande über sie bis Dezember dieses Jahres losgeschlagen werden. Weshalb bei Retailern Grabesstimmung herrscht: "Das, was Aldi macht, ist brutal", erklärt Vobis-Sprecherin Janet Spacey-Rennings. Ihre Hoffnung: "Computer nur über den Preis zu verkaufen, funktioniert langfristig nicht." Eine Behauptung, die angesichts des Vobis-Marketings einigermaßen paradox erscheint.Trotzdem hat sie und mit ihr alle anderen Retailer recht: Einen PC ohne Service zu kaufen gleicht noch immer einem Abenteuer mit ungewissem Ausgang.

Nur: Da diese Sicht für alle PCs zutrifft, ist damit noch nicht geklärt, wer eigentlich bei den Discountern einkauft.

Zwei Käuferkreise stehen prinzipiell zur Auswahl: professionelle und private (die Schnittmenge einmal außer acht gelassen). Wenn die Berichte der Kollegen der Tageszeitungen zutreffen, waren die Käufer Privat-käufer. Also all die, die bisher, vom zu hohen Preis für PCs abgschreckt, die Offerten aller renommierten PC-Hersteller ausschlugen. (Wobei sie eine noch günstigere Dumping-Offerten vielleicht übersehen: So offeriert seit letzter Woche IBM-Zögling Schadt PCs für 1.899 Mark.)

Meine eigene Recherche vor und in Münchener Aldi-Läden ergab jedoch ein ganz anderes Bild: Vor allem PC-Kenner, bereits mit mindestens einem PC ausgerüstet, erwarben die Medion-Rechner. Also Zweit- oder Drittkäufer.

Wenn diese nun die eigentliche Aldi-Klientel bilden, bedeutet das: Die wieder einmal beschworene Konsumenteneuphorie namens "massenhafte Begeisterung für einen PC" fand nicht statt. Und die daran geknüpfte Erwartung, es gäbe doch einen probaten Weg, jene Privatkunden ("Enduser") zum Kauf eines PCs zu animieren, die sich seit wenigstens zwei Jahren weigern, solches zu tun.

Nein, der ominöse "Enduser", so scheint es, wird auch durch die Aldi-Aktion nicht erreicht. Sondern allein der PC-Benutzer, der über genügend Wissen verfügt, um die PCs zu beurteilen, die ihm verkauft werden sollen. Der "Enduser" aber besteht darauf, überwiegend PC-los zu bleiben. Dies wird. Seit zwei Jahren Quartal für Quartal in den Analystenheften festgehalten.

Was das für PC-Hersteller bedeutet, ist klar: Solange sie keinen PC anbieten können, der neben so sinnvollen Tätigkeiten wie Internet-Verkehr, Online-Banking, 3D-Spiele oder digitale Steuererklärungen bisweilen auch Textverarbeitung bietet, bleiben alle Marketinganstrengungen in Sachen Privat-kunde nutzlos.

Auch für den Retailer ergibt sich als Konsequenz: Was er selbst in Szene gesetzt hat, nämlich den PC-Verkauf allein über den Preis zu steuern, schlägt auf ihn zurück. Wer bei ihm kauft, weiß, was er kauft. Und er kommt dann, wenn die Offerte noch günstiger ist als bei allen anderen.

Für den in diesem Szenario nicht erwähnten Fachhandel aber heißt das: Er kann nur die PC-Kunden gewinnen und behalten, denen er statt unschlagbare Preise Dienste anbietet. Zum Beispiel schnelle Gar-

antieabwicklung oder Teststellungen oder beste Konfiguration. Daß damit der PC-Privatkundenmarkt nicht vergrößert wird, ist offensichtlich. Und das wird solange der Fall sein, solange die PCs bleiben, was sie jetzt sind: schwerfällige Kisten, deren Nutzwert für den privaten Gebrauch gegen Null tendiert. Trotz Aldi, trotz Dumping-Preisen, trotz Marketing.

Es liegt deshalb bei den Herstellern, den Privatkunden-Markt zu beleben. Nicht bei Aldi.

Wolfgang Leierseder

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