Kommentar: Wieviel Umsatz erzielt Dell in Deutschland wirklich?

03.06.1998

Mit Zahlen über den Umsatz in Deutschland hält sich Hans-Jürgen Mammitzsch, Geschäftsführer der Dell Computer GmbH in Langen, aus Tradition und sogenannten unternehmenspolitischen Gründen bedeckt. Nicht über seinen Erfolg sprechen zu dürfen, ist für einen Manager bitter. Und daß sich Dell auch in Deutschland im letzten Jahr gut entwickelt hat, ist wohl unstrittig. Um so größer daher die Verrenkungen von Mammitzsch beim Versuch des Nachweises, daß er mit seinen Leuten im letzten Jahr einen guten Job gemacht hat, ohne konkrete Umsatzzahlen nennen zu dürfen.So ganz kann es sich Mammitzsch denn auch doch nicht verkneifen, einen Hinweis auf die Umsatzgröße in Deutschland zu geben. Auf 19 Prozent des Europa-Umsatzes beläuft sich nach seinen Angaben das Geschäftsvolumen seines Verantwortungsbereiches. Bei einem Europa-Umsatz von drei Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 1997/98 (31.1.) entspräche das einer Größenordnung von 570 Millionen Dollar. Beim aktuellen Dollarkurs von 1,80 Mark errechnet sich daraus ein Umsatzvolumen von - man höre und staune - mehr als eine Milliarde Mark. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich.

"Das kann nicht sein, viel zuviel", war denn auch die spontane Äußerung des Geschäftsführers eines großen Wettbewerbers. Auf maximal die Hälfte, also etwa 500 Millionen Mark, schätzt er die Umsätze der Dell-Dependance in Langen. Doch damit dürfte er zu tief greifen. Denn selbst wenn sich die Aussage von Mammitzsch nur auf das vierte Quartal bezieht (das für die deutsche Dell-Organisation am besten gelaufen ist), bedeuten 19 Prozent des Europa-Umsatzes immerhin rund 188 Millionen Dollar beziehungsweise 339 Millionen Mark (bei einem Umrechnungskurs von 1,80 Mark).

Das entspricht fast genau den Angaben des Marktforschungsunternehmens IDC für das vierte Quartal. Bei einem Marktvolumen von insgesamt drei Milliarden Dollar beziffert IDC den Marktanteil von Dell auf 6,1 Prozent. Das entspricht einem wertmäßigen Volumen von 183 Millionen Dollar und liegt damit auf einer Höhe mit den Dell-eigenen Angaben.

Wie auch immer die Zahlen letzten Endes wirklich aussehen: Eins steht fest: Der Umsatz der Dell GmbH in Langen ist inzwischen weit höher, als viele Branchenbeobachter gemeinhin vermuten. Dell schwimmt inzwischen auch in Deutschland auf einer Erfolgswelle, die beeindruckt. Ein Umsatzzuwachs 1997 gegenüber dem Vorjahr von fast 76 Prozent (soviel verrät Mammitzsch dann doch) und ein Zuwachs bei den verkauften Stückzahlen von knapp 60 Prozent ist eine Entwicklung, die man zur Kenntnis nehmen muß.

Die andere Frage lautet: Ist Dell in Deutschland profitabel? Klar, daß Mammitzsch auf diese Frage erst recht nicht mit konkreten Zahlen antwortet. Nach seinen Angaben gibt es aber "eine totsichere Methode, meine Kündigung einzureichen: indem ich einen Verlust ausweise". Es besteht keine Veranlassung, am Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu zweifeln.

Fragt sich nur, wie lange die Erfolgswelle Dell noch weiter nach vorn trägt. Mit einem Marktanteil von fast 20 Prozent im Großkundensegment (Q4/97, Quelle: IDC) dürfte in diesem Kundenkreis für Dell das Ende der Fahnenstange so ziemlich erreicht sein. Folgerichtig erklärt Mammitzsch, er wolle nun vor allem im Mittelstand kräftiger aufs Gaspedal drücken. Zu einer Anpassung des direkten Vertriebsmodells sieht Dells Deutschland-Chef allerdings keine Veranlassung. Den Mittelstand knacken wir mit unserem eigenen Außendienst, erklärt Mammitzsch.

Da darf man sicher sehr gespannt sein, ob diese Rechnung aufgeht. Denn wenn das Auftragsvolumen pro Kunde nicht mehr wie bisher aus mehreren hundert, sondern nur noch aus zehn oder 20 PCs besteht, dürften Mammitzsch die eigenen VBs schon bald teuer zu stehen kommen. Mit anderen Worten: Mit dieser Vertriebsstrategie kann sich Mammitzsch sehr schnell sein schönes Ergebnis verhageln. Und das wäre doch schade, oder?

Damian Sicking

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