Komplettanbieter ist, wer eigenes Netz-Know-how hat

28.01.1999

Die vor zwei Jahren noch netzwerkenthusiastische Servercompany Compaq hat ihre Abteilung für Netzequipment zu Beginn des Jahres gekappt. In Zukunft wird sie als OEM-Partner, beispielsweise von Cabletron, agieren. Als Begründung liefert das Unternehmen, es trete als "Lösungsanbieter" in jenen Ring, in dem sich große IT-Kampfhähne wie IBM, HP und Sun messen. Beurteilt werde man hier von den Kampfrichtern, sprich Unternehmen und Partnern, nach der Fähigkeit, Lösungen zu offerieren. Nach Produkten werde man nicht gefragt.Das mag so stimmen. Doch ebenso richtig ist, daß die Qualität der Lösungen von den Produkten abhängt, aus denen eine Lösung zusammenstellt wird.

Das ist zumal bei Netzwerkkomponenten der Fall. Nicht umsonst gilt diese Sparte seit Jahren als die innovativste der IT-Industrie. Die direkten Konkurrenten Compaqs pflegen sie deshalb: als unübersehbaren Ausweis ihrer technologischen Kompetenz und ihres Erfindungsreichtums. Ihre Überlegung lautet: Wer Unternehmen mit LANs und WANs ausrüsten will, muß Lösungen aus einer Hand anbieten können. Dabei nehmen sie in Kauf - wie IBM Jahr für Jahr vorführt -, daß aus dieser Abteilung kaum oder kein Gewinn gemeldet wird.

Diese Überlegung scheint aber zu Compaq-Chef Pfeiffer nicht durchgedrungen zu sein. Obwohl die Einkaufstour des letzten Jahres - Digital und Tandem - eher signalisierte, daß der bisherige PC- und NT-Anbieter Höheres im Sinn hat, als kleine und mittlere Unternehmen mit Abteilungsequipment zu bedienen. Pfeiffer scheint tatsächlich zu glauben, durch Entwicklungskosten-sparende Komponenteneinkäufe bei Fremdanbietern und nachträgliche Anpassung an die hauseigenen Produkte das Portfolio für Unternehmens-IT zusammenstellen zu können.

Diese Strategie muß bezweifelt werden. Denn für das Geschäft mit großen Unternehmen ist nichts tödlicher, als zugeben zu müssen, nur aus zweiter Hand zu wissen, wohin die Entwicklung im Netzwerkmarkt geht.

So lautet die eigentliche Konsequenz der Pfeifferschen Strategie: Da Compaq eigene Netzwerkkompetenz braucht, um mit den Konkurrenten mithalten zu können, erscheint es sehr wahrscheinlich, daß die Company demnächst einen Netzwerker kauft. Ob der Cabletron oder anders heißt, steht dahin. Nicht aber, daß es einen trifft.

Wolfgang Leierseder

wleierseder@computerpartner.de

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