Konsolidierungsphase hält an

27.05.1999

MÜNCHEN: Mit der Flut an Neuemissionen scheint die Geldmaschine Neuer Markt zunehmend ins Stocken zu geraten. Allein 30 Unternehmen haben im Juni ihr Debüt an Frankfurts Wachstumsbörse angekündigt.Auf dem Parkett herrscht Katerstimmung. Statt Sekt ist bei den Neuemittenten jetzt Selters angesagt. Für Ernüchterung in Frankfurt sorgte in den letzten Wochen eine Reihe von Börsengängen, bei denen der Emissionspreis gerade noch geschrammt wurde. Der Auftakt für die Entwicklung in den nächsten Wochen?

Böse erwischt hat es beispielsweise die Infor Business Solutions AG. Die Aktie des ERP-Anbieters für den Mittelstand wurde zwar am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne mit 31 Euro ausgegeben. Der Titel lag allerdings bei einem Schlußkurs von 27,8 Euro bereits am ersten und auch an den folgenden Handelstagen im Minus.

Das Überangebot an neuen Werten macht auch anderen Unternehmen zu schaffen. Die Aktien der Börsenneulinge IDS Prof. Scheer und Tria Software erreichen zwar gerade noch den Ausgabekurs, liegen aber kaum nennenswert über Emissionspreis. Noch ungünstigere Karten haben Neuemittenten am Amtlichen Handel oder Geregelten Markt. So rutschte auch die mit 30 Euro ausgegebene Aktie der Software AG kräftig ins Minus und lag am 18. Mai nur mehr bei 23,7 Euro.

Anleger gehen selektiver vor

Machen die vielen Neuemissionen die Kurse kaputt? Ist es mit der Euphorie am Neuen Markt vorbei? Fragen wie diese sind zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer zu beantworten. Dennoch lassen sich einige Aussagen treffen.

"Beim jetzigen Marktumfeld gehen Investoren sehr viel selektiver bei der Auswahl der Titel vor", weiß Kay Steffen, Mitarbeiter des Bereichs Equity Capital Market bei der DG Bank. Das wiederum bedeutet andererseits, daß Anleger jetzt zunehmend ihr Kapital umschichten, um bei neuen Aktien günstig einzusteigen. "Vor allem bei Werten, die ihre hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen, wird es in Zukunft zu herben Kursabschläge kommen", prophezeit Steffen.

Börsenexperten gehen außerdem davon aus, daß beim Bookbuilding nicht mehr automatisch das obere Ende erreicht wird. "Jetzt wird zunehmend auch die Bookbuilding-Spanne genutzt", macht Steffen deutlich. Auch dürften es Anleger gar nicht sexy finden, daß sie jetzt zwar bei der Zeichnung zum Zug kommen, dafür aber ein Minus für ihr Depot verbuchen müssen. "Die Zeiten, in denen eine Zuteilung automatisch eine sichere Gewinnchance bedeutete, sind definitiv vorbei", so der DG-Banker. Damit könnten die vielfachen Überzeichnungen jetzt sehr schnell der Vergangenheit angehören.

Die Flut an Neuemissionen bedeutet für die Börsenkandidaten aber auch, daß sie mit einem geringeren Emissionserlös als noch vor einem halben Jahr vorliebnehmen müssen. Da Banken bei Börsengängen häufig Plazierungsgarantien übernehmen, was nichts anderes heißt, als daß Unternehmen beispielsweise mit einem sicheren Emissionserlös von 30 Millionen Euro rechnen können, dürfte die Preisspanne zwangsläufig niedriger angesetzt werden. Statt 60 Euro werden viele Werte heute nur mehr mit knapp über zehn Euro angesetzt. Die Gefahr und Tendenz, unter Emissionspreis zu notieren, ist aber dennoch gegeben.

Interessante Werte sind billig zu haben

Daß die vielen Börsengänge zu einem Liquiditätsproblem im Markt führen könnten, glaubt der DG-Bank-Experte indes nicht. "Nach wie vor sind das Interesse der Investoren und die Liquidität im Markt da." Durch bevorstehende Großemissionen wie Agfa-Gevaert oder Deutsche Telekom wird allerdings bereits ein Teil der liquiden Mittel gebunden.

Das aktuell schwierige Börsenumfeld hat indes auch seine positive Seite. Kamen Erstzeichner bislang bei neuen Titeln kaum zum Zuge, gibt es im Moment viele interessante Werte, die nicht teuer und sofort zu haben sind. Damit bleibt aber immer noch die Frage, welche Aktien sich Anleger jetzt ins Depot legen sollen. (god)

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