Kooperation SNI & Acer: Trotz klarer Absichtsformulierung bleibt einiges unklar

05.08.1998

HAMBURG/MÜNCHEN/AUGSBURG: Die letzte große Bastion der europäischen PC-Fertigung ist gefallen: Siemens Nixdorf wird weitgehend in den Siemens-Konzern eingegliedert und das Augsburger Werk, in dem jahrelang die SNI-Computer "Made in Germany" zusammengebaut wurden, gehört nun zum taiwanischen Acer-Konzern. Trotz des enormen Presserummels lautet das Fazit der meisten Betroffenen: Abwarten, es kann ja auch gutgehen.Da rauschte der Blätterwald: Die deutsche Presse widmete dem Acer-SNI-Deal mehr Aufmerksamkeit, als kaum einer strategischen Vereinbarung im IT-Bereich zuvor.

Jetzt, da sich ein Großteil des aufgewirbelten Staubes wieder gelegt hat, zeigt sich: So dramatisch sind die Fakten gar nicht, bislang zeichnet sich eigentlich nur ab, daß Acer - wie schon für IBM und Apple - als OEM für Siemens Nixdorf die Computer liefert. Allein mit dem Unterschied, daß die Taiwaner dazu SNI das komplette PC-Werk in Augsburg abgenommen haben. Die Fertigungsstätte - im vergangenen Jahr mit 1,4 Millionen gebauten PCs von einer vollen Auslastung weit entfernt - richtet sich Acer als seine europäische Fertigungs- und Montagestätte ein. Die volle Kapazität der Fabrik liegt laut Klaus M. Muuß, Geschäftsführer von Acer Deutschland, bei 2,5 Millionen Computern - und soll auch voll ausgeschöpft werden.

Siemens Nixdorf behält ihre komplette Vertriebs- und Marketingorganisation und entwickelt weiterhin das Produktdesign. Zudem, so Muuß, habe man sich darauf geeinigt, daß die Siemensianer den Service weiterhin europaweit liefern: "Dieser Abteilung von Siemens Nixdorf haben wir in Europa nichts Vergleichbares entgegenzusetzen - davon können wir nur profitieren."

So weit, so offiziell. Für Unruhe dürfte aber das gesorgt haben, was derzeit den Verantwortlichen nach "noch nicht spruchreif" oder "noch nicht absehbar" ist. Denn beide Seiten betonen zwar unermüdlich, daß der Deal derzeit tatsächlich auf ein OEM-Geschäft herauslaufe, verstecken zukünftige Entwicklungen aber hinter der Formulierung, es handele sich zudem um eine "wichtige, langfristig angelegte, strategische Partnerschaft".

So wolle man beispielsweise "weltweit bei Lösungen und Business Services auf dem Gebiet des Enterprise Computing zusammenarbeiten", heißt es ohne nähere Erläuterungen aus der SNI-Zentrale in München. Bei Acer will man nicht ausschließen, daß sich die eigenen und die Siemens-Geräte in Zukunft nicht mehr allzusehr unterscheiden und über ein "gleiches oder ähnliches Innenleben" verfügen könnten.

Doch der Vertrieb der Acer- und Siemens-branded Systeme - so betonen beide Seiten derzeit eifrig, soll auch längerfristig "separat" vonstatten gehen. Da bleibt offen, wie die Siemensianer denn, wie so oft betont, "durch diese Kooperation stärker in asiatische sowie nord- und südamerikanische Märkte (Schulmeyer)" schreiten wollen. Vielleicht beinhaltet die geplante Vereinbarung ja doch mehr, als derzeit abzusehen ist. "Gerade am Anfang einer strategischen Vereinbarung ist es doch immer so, daß man erst einmal abwarten muß", versucht Acer-Chef Muuß ungeduldigen Fragen Einhalt zu gebieten.

Auf keinen Fall, so Muuß, werde man bei SNI so vorgehen wie bei der Übernahme der Notebook-Abteilung von Texas Instruments: Mittlerweile werden 100 Prozent der ehemaligen TI-Produkte unter Acer-Namen angeboten. "Doch da haben wir eine komplette Produktsparte gekauft, nicht eine Fertigungsstätte", versichert Muuß.

Über Details schweigen sich die Partner aus

Der Acer-Vormann könnte sich allerdings vorstellen, daß der Acer-Vertrieb mit dem von Siemens kooperiert: "Man könnte beispielsweise getrennte Mannschaften - also die von uns und von SNI - gemeinsam losschicken, um Kunden zu gewinnen." Den Einwand, daß das doch eine gemeinsame Kooperationsstelle erfordere, beantwortet er mit einem Gegenvorschlag: "Oder eine gemeinsame Richtlinie." Doch wie die aussehen könnte, weiß er noch nicht.

Ergo: Vieles an dem angekündigten Vertrag ist noch eher nebulös. Klar formuliert ist nur die gute Absicht: "Beide Partner sind wild entschlossen, diese Partnerschaft zum Leben zu erwecken", begeistert sich Peter Eßer, Europa-Chef der SNI-PC-Division gegenüber ComputerPartner.

Trotz der einschneidenden Veränderungen im Siemens-Konzern (siehe Facts & Figures) sollen Kunden und Vertriebspartner von dem Deal nicht viel zu spüren bekommen: "Alle mit uns geschlossenen Kunden- und Partnerverträge behalten unverändert ihre Gültigkeit", versichert SNI-Vorstandsmitglied Rudi Lamprecht.

Für Kunden und Vertriebspartner ändert sich nichts

Trotzdem sorgte die vor allem für Vertriebspartner der Unternehmen überraschende Kooperationsvereinbarung in der Öffentlichkeit für großen Rummel. "Dabei ist da eigentlich nicht die große Brisanz in dem Thema", wundert sich Acer-Chef Muuß, der sich im norddeutschen Ahrensburg mit einer Flut von Anfragen zur Kooperationsvereinbarung konfrontiert sah. "Natürlich ist die Vereinbarung interessant - und wohl auch ungewöhnlich. Aber das Medienecho stellt für uns alles Dagewesene in den Schatten, wohl weil Siemens als ureigenes, deutsches Unternehmen seine PC-Fertigung an einen taiwanischen Hersteller verkauft."

SNI-Mann Eßer dagegen bringt mehr Verständnis für den Aufmerksamkeitswert der Vereinbarung in der Öffentlichkeit auf und vermutet: "Die Kunden im Behördensegment - die werden zunächst einmal zucken." Frei nach dem Motto: wie kann Siemens nur? Doch letztendlich, so der Marktexperte, würden alle Kunden durch den Deal profitieren, schließlich sei man bald in der Lage, weitaus preisaggressiver und internationaler vorzugehen als noch bis dato.

Selbst der Betriebsrat bei SNI in Augsburg empfängt den neuen Brötchengeber aus Taiwan mit wehenden Fähnchen: "Zum einen wird Acer die Kapazitäten des Werks hier voll ausschöpfen", freut sich der Betriebsratsvorsitzende Otto Müller. Die Übernahme von 2.000 Mitarbeitern im Werk sei gesichert, 500 Kollegen aus Vertrieb und Marketing würden in den Siemens-Betrieb integriert. "Und zum anderen ist so eine Übernahme allemal besser als die Schließung des Werks."

Vertriebspartner reagieren erstaunlich gelassen

Und zum Erstaunen aller scheinen auch die Siemens Nixdorf-Vertriebspartner sehr viel gelassener zu reagieren, als man im Unternehmen ursprünglich erwartet hatte: Eine Umfrage der Unternehmensberatung PMI Kempten ergab, daß die großen und mittleren SNI-Vertreiber, wie beispielsweise M+S oder Compunet, den Deal als nicht so dramatisch einstufen. Ernst Holzmann, Marketingleiter im Unternehmen faßt zusammen: "Die Partner gehen davon aus, daß - wenn Preis und Qualität stimmen - kein Grund zur Besorgnis gegeben ist."

Selbst die kleineren SNI-Händler sind wohl eher durch die ungeschickte Öffentlichkeitsarbeit ihres Lieferanten verunsichert als durch den Inhalt der Vereinbarung selbst. "Mittlerweile sehe ich auch die Vorteile", meldet sich beispielsweise ein Münchener SNI-Partner zu Wort. "Aber durch die völlig überraschende Bekanntgabe - ich mußte von der Vereinbarung ja aus der Presse erfahren - und dem damit verbundenen Aktientiefflug war ich zuerst völlig verunsichert." Ärgerlich sei vor allem, daß Siemens durch seine Geheimniskrämerei "Aktienkapital leichtfertig vernichtet" habe - am Tag nach der Bekanntgabe der Vereinbarung ging der Aktienkurs von SNI von 113 um 10 Prozent in den Keller. (du)

Klaus M. Muuß, Geschäftsführer von Acer Deutschland, betont, daß der SNI-Vertrieb seine Eigenständigkeit beibehalte.

Peter Eßer, Europa-Chef der SNI-PC-Division: "Beide Partner sind wild entschlossen, diese Partnerschaft zum Leben zu erwecken."

Zur Startseite