Kopfzerbrechen und vor allem zusätzliche Kosten

09.07.2000
Seit zwei Monaten ist das Fernabsatzgesetz in Kraft. Damit wurde die rund drei Jahre alte EG-Richtlinie 97/7 in nationales Recht umgesetzt. Was diese Stärkung der Verbraucherrechte für den Handel, der seine Waren nicht nur im Ladengeschäft feilbietet, bedeutet, erklärt Peter Neidel*.

Erklärter Zweck des neuen Fernabsatzgesetzes ist der Verbraucherschutz bei Verträgen, die unter "ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" abgeschlossen wurden. Betroffen sind insbesondere Geschäftsabschlüsse im Internet, Katalogbestellungen, Telefon-, E-Mail- sowie Teleshopping-Verträge. Der Fernabsatz ist also dadurch gekennzeichnet, dass sich Verkäufer und Kunde nicht mehr persönlich begegnen. Vom Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes ausgenommen sind aber beispielsweise Verträge über Finanz- dienstleistungen, Bau- und Immobilienverträge, Warenautomaten, Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln, Zeitungen und Zeitschriften sowie Verträge über die Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden.

Zentraler Punkt des Fernabsatzgesetzes ist ein generelles Widerrufsrecht beziehungsweise Rückgaberecht für Bestellungen im Fernabsatz innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Ware. Der Verbraucher kann sich die Ware also zusenden lassen und innerhalb von zwei Wochen entscheiden, ob er die Ware tatsächlich kaufen will oder nicht. Er kann die Ware ohne Begründung innerhalb dieser Frist zurücksenden, um sich von seiner Vertragsbindung zu lösen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Ware beziehungsweise die schriftliche Ausübung des Widerrufsrechts "auf einem dauerhaften Datenträger", also beispielsweise per Postkarte.

Grundsätzlich kann die Rücksendung der Ware sogar auf Kosten des Händlers erfolgen. Dieser hat lediglich die Möglichkeit, bei Bestellungen bis zu einem Wert von 40 Euro die regelmäßigen Kosten der Rücksendung dem Verbraucher vertraglich aufzuerlegen. Automatisch gilt diese Grenze indes nicht: Der Händler muss im Vertrag explizit darauf hinweisen, dass der Kunde bei Lieferungen bis 40 Euro die Kosten für die Rücksendung trägt. Eine Umlegung der Rücksendekosten auf den Verbraucher scheidet jedoch aus, wenn die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht; dann hat in jedem Fall der Unternehmer die Kosten der Rücksendung zu tragen.

Magische Grenze 40 Euro

Ungeklärt ist noch, wie diese Grenze beim teilweisen Widerruf des Vertrages angewendet wird, wenn beispielsweise der Gesamtbestellwert über 40 Euro liegt, nach Rücksendung eines Teiles der Ware der Gesamtwert aber unter 40 Euro sinkt. Der Verbraucher könnte versuchen, durch gezielte Zuviel-Bestellung die Kostentragungspflicht "auszuhebeln". Ob dies möglich ist, wird letztlich die Rechtsprechung entscheiden.

Das Fernabsatzgesetz verpflichtet die Unternehmer, Verbraucher vor Abschluss eines Fernabsatzvertrages mit einer Vielzahl von Informationen zu versorgen. Informiert werden muss unter anderem über die genaue Anschrift des Lieferanten, die wesentlichen Merkmale der Ware, den Preis sowie eventuell anfallende Liefer- und Versandkosten, Garantiebedingungen, Liefervorbehalte, Einzelheiten der Zahlung, den Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages und eben das Widerrufsrecht. Diese Informationen müssen dem Verbraucher spätestens bei Lieferung der Ware - ebenfalls "auf einem dauerhaften Datenträger" - zur Verfügung gestellt werden.

Beispielsweise müssen Internet-Händler also zweimal informieren, nämlich auf ihrer Website und zusätzlich auch auf einem dauerhaften Datenträger, spätestens bei Übersendung der Ware, also beispielsweise auf der Rechnung.

Informationspflicht peinlichst genau einhalten

Diese Informationspflichten sollten die betroffenen Unternehmer peinlichst genau einhalten, denn ein Verstoß hiergegen könnte zum einen eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung durch einen Verbraucherschutzverband oder einen Mitbewerber zur Folge haben. Zum anderen beginnt die zweiwöchige Widerrufsfrist erst, wenn der Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger über sein Widerrufsrecht, den Namen und die Anschrift des Unternehmers, den Fristbeginn für den Widerruf und die Möglichkeiten zur Fristwahrung informiert wurde.

Wird die zweiwöchige Frist nicht in Gang gesetzt, hat der Verbraucher sogar die Möglichkeit, innerhalb von vier Monaten nach Eingang der Ware sein Widerrufsrecht auszuüben. Für betroffene Unternehmer ist dies ein kaum zu kalkulierendes Risiko, die Umsetzung des Fernabsatzgesetzes sollte daher äußerst sorgfältig erfolgen.

Verbrauchern bietet das neue Gesetz die Möglichkeit, übereilte Vertragsabschlüsse - etwa per Mausklick im Internet - ohne Begründung zu widerrufen. Außerdem ist der Verbraucher nicht mehr gezwungen, "die Katze im Sack" zu kaufen; er kann sich die Ware nunmehr generell zur Ansicht übersenden lassen und bei Nichtgefallen - teilweise sogar auf Kosten des Unternehmers - zurücksenden. Insgesamt bietet das Fernabsatzgesetz eine deutliche Stärkung der Verbraucherrechte, die den betroffenen Händlern noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten wird.

* Peter Neidel ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Unützer, Wagner und Werding in Wetzlar.

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