Krise am Neuen Markt - der Nasdaq ging#s anfangs nicht anders

01.11.2001
Die Krise am Neuen Markt hält an. Und die Deutsche Börse AG greift immer härter durch. Rund 60 der gelisteten Unternehmen drohte zum 1. Oktober der Rauswurf. Fast die Hälfte davon waren Software- und Internetanbieter.

Auf dem Prüfstand stehen Gesellschaften, deren Kurs an 30 aufeinander folgenden Börsentagen unterhalb eines Euro liegt und deren Marktkapitalisierung zugleich unter 20 Millionen Euro sinkt. 90 Handelstage haben die Unternehmen dann Zeit, ihre Notierung wieder zu verbessern. Schafft eine Billigaktie (Penny Stock) den Grenzwert an 15 aufeinander folgenden Tagen nicht, bedeutet das den Ausschluss (Delisting). Die Papiere finden sich im ungeregelten Freiverkehr wieder, wo ihnen meist kaum Beachtung geschenkt wird. Darüber hinaus will die Deutsche Börse AG die Regeln am Neuen Markt verschärfen. Ein Verhaltenskodex soll Banken und Unternehmen bei Börsengängen künftig zu mehr Transparenz und Anlegerschutz verpflichten.

Überall in Europa stecken die Neuen Märkte derzeit in der Krise. Der Swiss New Market ist abgestürzt - ebenso wie die italienischen und spanischen Pendants. Andere kamen erst gar nicht richtig aus den Startlöchern. Der österreichische Austrian New Market wurde wieder aufgelöst. Die Nasdaq übernahm mit der in Brüssel beheimateten Easdaq den einst größten Konkurrenten des Neuen Markts. Die Amerikaner verfügen damit nun über einen wichtigen Stützpunkt für eigene Aktiengeschäfte in Europa.

Turbulenzen und Imageprobleme

Die US-Technologiebörse Nasdaq wird allen europäischen Neuen Märkten immer wieder als das Vorbild schlechthin dargestellt. Dabei hatte auch sie turbulente Anfangsjahre zu überstehen und lange Zeit mit Imageproblemen zu kämpfen. Ihren Höhenflug störte dies letztlich nicht. Gordon Macklin, der frühere Börsen-Präsident, erinnert sich: "Wir starteten 1971 mit einem Indexstand von 100, drei Jahre später waren wir nur noch bei 56 Punkten." Von 1987 bis 1991 schwankte der mittlerweile berühmte Nasdaq-Composite-Index zwischen 300 und 500 Punkte, um anschließend auf 2.000 Punkte zu klettern. 1998 erfolgte die damals viel beachtete Korrektur auf 1.400 Punkte, die sich im Verhältnis zum jetzigen Desaster allerdings bescheiden ausnimmt. Denn bis März 2000 war der Composite auf 5.200 gestiegen, um bis zum diesjährigen September erneut auf 1.400 Punkte abzustürzen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nur 40 Prozent der 5.000 gelisteten Aktien aus dem Technologiebereich stammen. Darunter sind allerdings die berühmten Schwergewichte Apple, Cisco, Dell, Intel, Microsoft, Oracle und Sun zu finden. Wenngleich auch deren Kursentwicklung in der ersten Hälfte der 90er Jahre nicht immer überzeugte, erlangte die Nasdaq mit ihnen und den vielen spektakulären Neuemissionen im Software- und Internetsektor ihren Ruhm. Gleichwohl konnten sich Hunderte junger Hightech-Firmen über ihr IPO an der Nasdaq Geld beschaffen. Die Börse hatte damit wesentlichen Anteil an der Vorreiterrolle und nachfolgenden Dominanz von US-Technologiegesellschaften.

Neue-Markt-Initiatoren bleiben optimistisch

Der Neue Markt hat solche Erfolgsstorys noch nicht zu bieten. Nach wie vor aber schreiben die Initiatoren auch dem deutschen Nasdaq-Pendant die Rolle zu, Finanzierungsplattform für Wachstumsunternehmen zu sein. Auch wenn Neuemissionen zurzeit kaum Anklang finden: Der Neue Markt sei notwendig und erfülle seinen Zweck, ist immer wieder zu hören. Immerhin schafften die Neue-Markt-Unternehmen laut einer jüngst von der Unternehmensbe-ratung Roland Berger im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellten Studie 700.000 neue Jobs.

Traditionell optimistisch geben sich die Manager der Aktienfonds am Neuen Markt. Vor dem Hintergrund der riesigen Kursverluste sind sie jedoch vorsichtiger geworden. Mittelfristig rechnen sie mit einer kräftigen Erholung. Auf dem jetzigen Niveau sei der Neue Markt unterbewertet. Ein Aufschwung um 100 Prozent dürfte schneller gehen, als viele glauben, heißt es. Der Nemax-All-Share war Anfang 1998 mit 1.000 Punkten gestartet und bis März 2.000 auf über 9.000 Punkte hinaufgeschossen. Anfang Oktober stand er bei 860 Punkten. In einem Jahr soll er bei 1.500 angelangt sein, in fünf Jahren bei 3.500 bis 4.000 Punkten.

Das lange als Gelddruckmaschine hochgelobte Aktiensegment wird trotz der enormen Verluste weiter bestehen - ob allerdings in seiner jetzigen Form, dies bezweifeln Geldprofis. Schließlich sei der Markenname inzwischen negativ belegt.

Mit rund 170 Papieren ist die Informationstechnologie das zahlenmäßig stärkste Segment. Die einzelnen Sektoren, für die es jeweils gesonderte Aktienindizes gibt, liegen seit Anfang dieses Jahres schwer im Minus. Die Software-Aktien fielen im Schnitt von 87 auf 14,48 Punkte (bis 5.10.2001), die IT-Services-Papiere von 97 auf 23,03 und die Internettitel von 67 auf 8,14 Zähler. Nicht viel besser erging es dem Telekommunikationssektor mit einem Sturz von 85 auf 11,06 Punkte. Die meisten Hardwarepapiere sind im Aktienindex Technologie enthalten, der von 155 auf 37,81 Punkte zurückging. (kk)

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