Larry Ellison: "Beratungsbedarf sinkt"

28.06.2001
Zum ersten Mal führte Oracle seinen Kunden- und Partner-Treff "Open World" in Europa durch. Die Veranstaltung fand Anfang letzter Woche parallel in Berlin, Mailand, Paris und in Madrid statt.

Fast 10.000 Datenbankspezialisten fanden den Weg in die Bundeshauptstadt, um Neuigkeiten von Oracle zu erfahren. Aber auch etwa 150 Partner des Datenbankherstellers präsentierten auf dem Ausstellungsgelände des ICC ihr Produkt- und Service-Portfolio.

Geteiltes Echo der Aussteller

Die Meinungen über den Sinn und Unsinn der ersten Open World auf deutschem Boden gingen weit auseinander: "Unsere mittelständischen Kunden treffen wir hier auf gar keinen Fall", zeigte sich etwa ein Berliner Dienstleister mit der Publikumsresonanz äußerst unzufrieden und will nächstes Jahr auf keinen Fall wieder kommen.

"Das ganze ist doch eher etwas für Tekkies", schloss er seine Ausführungen ab. In der Tat erfreuten sich die technischen Schulungen der "Oracle University" eines regen Zulaufs. Dem stimmte auch Dirk Gomez zu, ein Software-Entwickler der Münchner Ars Digita GmbH: "Diese Lehrgänge stehen auf einem sehr hohen Niveau, viele Teilnehmer kamen nur deswegen nach Berlin."

Andere Oracle-Partner zeigten sich hingegen auch mit der Qualität der Besucher in den Messehallen zufrieden: "Endlich mal eine günstige Gelegenheit, unsere Kunden gezielt anzusprechen", äußerte sich etwa Sascha Sander, Vertriebsleiter der Professional IT Services GmbH aus dem oberbayerischen Wolfratshausen. Für Hywel Jones, den europäischen Vertriebsleiter von Embarcadero, ergab sich in Berlin die erste Chance, nach Partnern in Deutschland Ausschau zu halten. Auch die in der Ausstellung präsentierten Datenbankmigrationswerkzeuge des Herstellers erfreuten sich regen Interesses: "Bereits am ersten Tag konnten wir etwa 40 Leads generieren", so Jones gegenüber ComputerPartner.

Am zweiten Tag der Open World leerten sich aber die Ausstellungsräume, denn der "Big Boss" von Oracle, Larry Ellison, kam aus Kalifornien angeflogen. In seinem Vortrag konzentrierte er sich hauptsächlich auf seinen neuen Lieb- lingsfeind, IBM: "DB2 unter Unix oder Windows ist doch keine Konkurrenz für uns." Lediglich die Mainframe-Version der IBM-Datenbank stellt seiner Ansicht nach die einzige ernstzunehmende Alternative für Oracles neues Flaggschiff 9i. "Microsofts bestes Produkt ist die X-Box, doch wir sind nicht im Spielemarkt tätig", konnte sich Ellison einen Seitenhieb auf die Redmonder nicht verkneifen.

Als wichtigstes Merkmal von 9i stellte der Oracle-Cheff deren Clus-ter-Fähigkeit dar: "Kunden können sich statt einer 64-CPU-Maschine von Sun 32 Zwei-Prozessor- Server von Compaq anschaffen und erzielen mit unserem Real Application Cluster vergleichbare Leistungswerte, dabei sparen sie sich vier Millionen Dollar."

Doch als einzige Argumentationshilfe zum Wechsel, dürfte dies zu wenig sein. Nicht jeder sieht nun mal die Notwendigkeit, sein Datenbanksystem zu clustern und dafür eine Million Dollar allein für die Hardware auszugeben. Und nicht jeder Kunde verliert gleich mehrere Millionen Dollar, wenn er mal für einen halben Tag nicht auf seine Datenbank zugreifen kann. So zeigen sich auch die Analysten, etwa die von der Meta Group, skeptisch, was die von Ellison noch für dieses Jahr angepeilten 50.000 bis 100.000 neuen 9i-Kunden betrifft.

Keine allzu guten Nachrichten hatte der Oracle-Chef für seine Vertriebspartner übrig: "Der Beratungsbedarf bei unseren Produk- ten sinkt, und was deren Integration in die IT-Landschaft des Kunden betrifft, so genügt es hierbei, auf Standards wie Java oder XML zu setzen." Dies trifft natürlich nur dort zu, wo bei Kunden keine - laut Ellison - "proprietären" Systeme, etwa die von SAP oder Peoplesoft, installiert sind und statt dessen - natürlich - die Applikationen von Oracle laufen.

Dies ist nämlich der Wunsch des Konzernlenkers: eben alles "aus einer Hand" zu liefern. Der so genannten "best-of-breed"-Vorgehens- weise, bei der die in den jeweiligen Bereichen marktführenden Softwareprodukte zum Einsatz gelangen, also zum Beispiel der Applikationsserver von Bea, die Daten- bank von Oracle, ERP-Software von SAP und das CRM-System von Siebel - diesem Modell erteilte Ellison eine klare Absage.

Das gesamte Auto soll seinen Vorstellungen nach von Oracle stammen, und nicht nur der Tank. Dann würde auch die "Ingenieursleis-tung" zur Integration des "Motors" von IBM, der "Klimaanlage" von Microsoft und so weiter nicht mehr benötigt.

Fast Forward doch mit Partnern

Beratungsleistungen werden also laut Oracle immer überflüssiger, da die Software zusehends einfacher zu implementieren sei. Darauf zielt auch die "Fast Forward" getaufte Initiative des Softwerkers ab (siehe auch ComputerPartner 14/2001, Seiten 8 und 12). Immerhin garantiert Oracle dabei dem Kunden eine maximale Implementierungsdauer der Finanzbuchhaltungssoftware von 30 Tagen, in spätestens 60 Tagen soll die elektronische Beschaffungsplattform "Iprocurement" stehen und mit höchstens drei Monaten Projektlaufzeit kalkuliert der Hersteller bei Online-Shops oder CRM-Systemen. Die bisherigen Pilotprojekte hat Oracle komplett in Eigenregie abgewickelt, nun sollen verstärkt Partner mit ins Boot genommen werden, wie Ralf Blaschi, Marketingleiter bei Oracle Deutschland, in Berlin versicherte. Immerhin 19 der ursprünglich 940 angeschriebenen Partner konnten bis dato für Fast Forward gewonnen werden. Innerhalb der nächsten vier bis fünf Monate sollen sie dann so weit ausgebildet sein, dass sie bei Kunden Fast-Forward-Projekte tatsächlich in dem versprochenen Zeitraum stemmen können.

Zum Ende des kommenden Jahres lautet Blaschis Wunsch, 80 bis 90 Fast-Forward-Partner unter Vertrag zu haben. Zwar kann damit der Mittelstand sicherlich auch noch nicht erobert werden, was aber die Gesamtzahl von E-Business-Kunden betrifft, so erhofft sich Oracle hierdurch dem Ziel, in Deutschland die Nummer zwei hinter SAP zu werden, einen Schritt näher gekommen zu sein.

www.oracle.de

ComputerPartner-Meinung:

Wer soll sich nun Oracles neues-tes Produkt, die Datenbank 9i, anschaffen, der Mittelstand? Wohl kaum, das Vorgängermodell 8i ist doch selbst nach Meinung des Herstellers immer noch schnell und leistungsfähig genug. Und die Clus-ter-Funktionen von 9i können in der Tat nur in Großkonzernen ausgereizt werden. Auch die von Oracle angepeilte baldige Migration der eigenen Datenbank-Kunden von der 7er Version auf 9i wird wohl noch etwas auf sich warten lassen, das glauben auch die Analysten. (rw)

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