Lernen Sie von Team-Chef Rudi Völler

17.06.2004
Kennzahlen signalisieren Verkaufsleitern zwar, dass etwas getan werden sollte - aber nicht, was. Um dies zu erfahren, müssen die Vertriebs-Chefs die Arbeitsweise ihrer Mitarbeiter studieren - wie Fußballtrainer. Peter Schreiber * erklärt, wie diese Technik funktioniert.

Wie kann ich die Leistung meiner Verkäufer steigern? Vor dieser Frage stehen Verkaufsleiter immer wieder. Entsprechend viele Konzepte zum Steigern des Verkaufserfolgs gibt es. Die meisten eignen sich für die Verkaufssteuerung nicht, weil die Leistung von Verkaufsleitern primär an den Ergebnissen gemessen wird. Also brauchen sie keine Managementsysteme, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, sondern einfach handhabbare "Instrumente", um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.

Hinzu kommt: Die meisten Managementsysteme versuchen den Erfolg mittels Kennzahlen zu steuern. Dadurch verschiebt sich der Fokus der Betrachtung auf die Erfolgskontrolle. Denn Zahlen dokumentieren nur die Erfolge der Vergangenheit. Aus ihnen geht zwar hervor, ob ein Ziel erreicht wurde, sie zeigen aber nicht, was getan werden sollte, um es zu erreichen.

Aufs Spielfeld blicken, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

Um dies zu erkennen, müssen Vertriebsleiter sich mit den Prozessen befassen, die zu den Zahlen, also Ergebnissen, führen. Ähnlich einem Fußballtrainer wie Rudi Völler: Er steuert den Erfolg seiner "Mannen" bei einem Turnier wie der Europameisterschaft nicht, indem er ihnen vor Beginn jedes Spiels mitteilt: Jungs, ihr müsst mindestens drei Tore schießen und dürft maximal zwei kassieren. Er sitzt vielmehr beim Spiel auf der Trainerbank. Und dort schaut er nicht auf die Anzeigetafel, wo der aktuelle Spielstand steht. Er blickt vielmehr aufs Spielfeld, um zu erkennen, ob seine Spieler zum Beispiel genügend Einsatz zeigen, ein gutes Stellungsspiel praktizieren oder ausreichend über die Flügel spielen. Nur dann kann er ihnen, wenn sie in Rückstand geraten, Tipps geben, wie sie das Spiel noch gewinnen können, und so den kurzfristigen Erfolg beeinflussen.

Entsprechendes gilt für den mittel- und langfristigen Erfolg. Auch um ihn zu beeinflussen, muss ein Trainer das Verhalten seiner Mannen beim Spiel analysieren. Nur so erfährt er, wer wie viele Zweikämpfe gewinnt und wie viele Flanken ankommen. Diese statistischen Daten (also Kennzahlen) allein nützen dem Trainer aber wenig. Denn wie zum Beispiel der Spieler Ballack die Zahl der gewonnenen Zweikämpfe steigern kann, erfährt er erst, wenn er sein Wissen, dass zu wenig Zweikämpfe gewonnen wurden, mit seinen Beobachtungen beim Spiel vergleicht. Erst dann wird klar, ob der Spieler so viele Zweikämpfe verlor, weil er zum Beispiel

- zu langsam ist oder

- ein schlechtes Stellungsspiel praktiziert oder

- ihm der nötige Einsatzwille fehlt.

Folglich erfährt er auch erst dann, was getan werden sollte, damit künftig der gewünschte Erfolg eintritt. (Kenn-)Zahlen zeigen also nur, wo etwas getan werden sollte. Aus ihnen erschließt sich aber nicht, was es zu tun gilt.

Heute den Erfolg von morgen sichern

Ebenso ist es im Verkaufsbereich. Ein Verkaufsleiter, der nur die Zahlen betrachtet, kann den Erfolg seiner Leute nicht beeinflussen. Nur indem er sich mit ihrer Arbeitsweise befasst, kann er ihre Leistung steigern. Ein Beispiel: Der Verkaufsleiter eines Softwareherstellers vereinbart mit einem Außendienstmitarbeiter Anfang Juli, dass dieser im September fünf Softwarelizenzen verkaufen soll. Wenn beide keine weiteren Vereinbarungen treffen, kann der Verkaufsleiter nur hoffen, dass der Mitarbeiter dieses Ziel erreicht. Denn dann bleibt es dem Zufall überlassen, ob der Verkäufer im Juli und August die nötigen Vorarbeiten durchführt, damit er im September sein Ziel erreicht.

Außerdem erfährt der Verkaufsleiter dann erst Ende September, dass der Mitarbeiter das Ziel womöglich verfehlt. Folglich kann er nicht mehr korrigierend eingreifen. Anders ist dies, wenn der Verkaufsleiter schon im Juli seinen Mitarbeiter fragt: "An wen wollen Sie im September fünf Lizenzen verkaufen? Welche potenziellen Kunden haben Sie im Auge?" Dann veranlasst er den Mitarbeiter dazu, darüber nachzudenken, mit welchem Vorgehen er das Ziel erreichen kann und welche Maßnahmen er ergreifen muss - zum Beispiel potenzielle Kunden identifizieren, mit ihnen Kontakt aufnehmen und bei ihnen den Kaufentscheidungsprozess in Gang setzen.

30 Anrufe, drei Präsentationen, ein Auftrag

Dies garantiert aber nicht, dass der Mitarbeiter unbedingt die richtigen Maßnahmen ergreift. Also sollten sich Verkaufsleiter und Mitarbeiter zudem zusammensetzen und analysieren, was es konkret zu tun gilt, damit der gewünschte Erfolg eintritt. Ein probates Mittel hierzu ist, mit den Verkäufern deren Verkaufserfolge der Vergangenheit zu analysieren: Was tat der Mitarbeiter, damit der Erfolg eintrat? Das Ergebnis kann zum Beispiel sein:

- Ich ermittelte zunächst 30 Unternehmen, von denen ich annahm, dass sie einen Bedarf für unsere Software haben könnten.

- Von diesen Unternehmen signalisierten mir sechs, als ich sie anrief, einen akuten Bedarf.

- Mit dreien von ihnen vereinbarte ich einen Präsentationstermin.

- Nach zwei Präsentationen sollte ich ein konkretes Angebot abgeben.

- Jedes zweite Angebote führte zu einem Abschluss.

Liegen diese Infos vor, wird für den Verkäufer nicht nur klar: Erfolg ist machbar. Er kann auch durch eine simple Multiplikation ermitteln, wie viele Telefonate er im Juli führen muss, damit er im September wie geplant fünf Lizenzen verkauft.

Also können Sie als Verkaufsleiter mit dem Verkäufer auch Meilensteine zum Erfolg vereinbaren. Zum Beispiel:

- Ende Juli müssen 150 (5 x 30) Adressen von Unternehmen ermittelt sein, die sich für die Software interessieren könnten.

- Bis zum 10. August sollten all diese Unternehmen kontaktiert sein, damit wir voraussichtlich zu 15 (5 x 3) Präsentationen eingeladen werden. Und:

- Bis zum 30. August sollten zehn Angebote unser Haus verlassen haben.

So zeigen Sie Ihrem Mitarbeiter nicht nur den Weg zum Erfolg, Sie können auch zwischenzeitlich kontrollieren, ob der gewünschte Erfolg voraussichtlich eintritt. Stellen Sie zum Beispiel Ende Juli fest, dass statt der 150 angepeilten Adressen potenzieller Kunden nur 100 ermittelt wurden, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass im September weniger als fünf Lizenzen verkauft werden. Doch das macht nichts. Schließlich bleibt noch ausreichend Zeit, um mit Ihrem Mitarbeiter zu ermitteln, warum dieser Meilenstein nicht erreicht wurde, und durch ergänzende Maßnahmen dafür zu sorgen, dass das Ziel am Ende dann doch noch erreicht wird und das gewünschte Ergebnis vorliegt. Genauso ist es, wenn Sie oder Ihr Mitarbeiter Anfang August feststellen: Wenn es so weitergeht, erreichen wir den Meilenstein 15 Präsentationen bis zum 10. August nicht, weil nicht jedes zehnte, sondern nur jedes 15. Unternehmen mit uns einen Präsentationstermin vereinbart. Auch dann haben Sie noch genug Zeit, um mit Ihrem Mitarbeiter zu analysieren: Kontaktieren wir die falschen Unternehmen oder wird unsere Software beim Telefonkontakt falsch präsentiert? Folglich können Sie mit dem Mitarbeiter auch noch unterstützende Maßnahmen vereinbaren, die das Erreichen des Ziels "Verkauf von fünf Lizenzen im September" sichern.

Steckbrief

Peter Schreiber

Peter Schreiber ist Inhaber des Trainings- und Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld bei Heilbronn (Tel.: 07062 96968; E-Mail: zentrale@schreiber-training.de; Internet: www.schreiber-training.de) und Autor des Buchs "Das Beuteraster - 7 Strategien für erfolgreiches Verkaufen" (Orell Füssli Verlag).

Schritte zum Verkaufserfolg

1. Analysieren Sie mit Ihren Mitarbeitern den Verkaufsprozess und leiten Sie mit ihnen hieraus ab, welche (Arbeits-)Schritte nötig ist, um das geplante Ergebnis zu erzielen. Zum Beispiel: mögliche Kunden ermitteln, diese anrufen, mit ihnen Präsentationstermine vereinbaren usw.

2. Vereinbaren Sie mit Ihren Mitarbeitern auch, welche Maßnahmen sie ergreifen sollen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Zum Beispiel: Aus Adress-Pool 50 Erfolg versprechende Kunden herausfiltern, diese bis zum Termin x anrufen, mit fünf einen Besuchstermin vereinbaren.

3. Vereinbaren Sie mit Ihrem Mitarbeiter Zwischentermine, bei denen Sie prüfen, ob die nötigen Maßnahmen ergriffen wurden und bei denen Sie mit ihnen zusätzliche Aktivitäten vereinbaren, sofern absehbar ist, dass das geplante Ergebnis nicht erreicht wird.

4. Bewerten und honorieren Sie nicht nur die (End-)Ergebnisse Ihrer Mitarbeiter, sondern auch die Qualität und Quantität der Maßnahmen, die sie ergreifen, um diese zu erreichen.

5. Setzen Sie auch Geld als Motivationsmittel ein - selbst wenn viele Management-Gurus das Gegenteil verkünden. Die Praxis zeigt: Es wirkt.

6. Analysieren Sie mit Ihren Mitarbeitern, bevor Sie mit ihnen neue (Verkaufs-)Ziele vereinbaren, wie Ihre bisherigen Verkaufserfolge zu Stande kamen. Dann erkennen sie: Erfolg ist planbar. Außerdem sehen sie, welche Maßnahmen für den Erfolg nötig sind. Folglich können sie ihr Verhalten optimieren - und aus Ihren Verkäufern werden Spitzenverkäufer.

Peter Schreiber

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