LESERBRIEFE

14.06.1996
Sehr geehrter Herr Sicking,vielen Dank für Ihren offenen Brief vom 24.5.96. Obwohl es natürlich ziemlich schockierend ist, beim Aufschlagen Ihrer Zeitschrift einen an sich selbst adressierten Brief zu finden, schmeichelt mir Ihr Interesse an der Firma Toshiba schon ein wenig.

Sehr geehrter Herr Sicking,vielen Dank für Ihren offenen Brief vom 24.5.96. Obwohl es natürlich ziemlich schockierend ist, beim Aufschlagen Ihrer Zeitschrift einen an sich selbst adressierten Brief zu finden, schmeichelt mir Ihr Interesse an der Firma Toshiba schon ein wenig.

Ihr Vergleich zwischen unserer Branche und der Bierindustrie ist auf den ersten Blick ganz pfiffig, hinkt aber bei näherem Hinsehen schon ziemlich stark. Wie jeder weiß, besteht das Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot nur aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Alle diese Komponenten sind meistens ausreichend verfügbar und der Produktionsprozeß ist seit mehreren hundert Jahren bekannt und eingefahren. Erhöhung oder Drosselung der Produktion dürften daher kein großes Problem sein. Auch die Vorhersage des Bedarfs ist nicht allzu schwierig (Biergartensaison, Oktoberfest etc.). Aber selbst dann ist eine Verdoppelung des Außstoßes durch stärkeres Füllen der Gläser kaum möglich, weil es hier natürliche Grenzen gibt, zum Beispiel den maximalen Alkoholpegel des Konsumenten.

In der PC-Industrie und hier speziell bei den mobilen Computern, ist die Lage leider ganz anders. Nach dem Toshiba-Reinheitsgebot besteht ein Notebook im wesentlichen aus CPU, Speicher, LSI-Chips, Festplatte, Bildschirm und Batterien. Das sind die kritischen Komponenten. Der Rest ist in aller Regel beliebig verfügbar. Diese kritischen Komponenten haben teilweise extreme Lieferzeiten, Forecasts müssen bis zu neun Monate im voraus erstellt werden. Bei den RAM- und LSI-Chips zum Beispiel dauert es drei bis vier Monate, bis aus den rohen Siliziumscheiben fertige Chips geworden sind.

Selbst wenn die Produktionskapazität vorhanden wäre, würde es deshalb dennoch drei bis vier Monate dauern, bis sich die Erhöhung der Nachfrage auswirkt. Ähnliches gilt für alle anderen kritischen Komponenten. Verschärfend kommt hinzu, daß es für diese Komponenten nur einen oder maximal zwei Lieferanten gibt. Alle Produktionsprobleme dieser Lieferanten wirken sich deshalb sofort auf die Verfügbarkeit des Endprodukts aus.

Toshiba in Deutschland, aber auch die meisten anderen Landesgesellschaften in Europa, wurden im 1. und 2. Quartal 1996 von einer sprunghaften Erhöhung der Nachfrage überrascht. Der Auftragseingang im 1. Quartal '96 lag 70 Prozent über dem Vorjahreszeitraum und im 2. Quartal (Juni geschätzt) 100 Prozent darüber. Das Marktwachstum vom 1. Quartal 1995 zum 1. Quartal 1996 war dagegen nur 11 Prozent (Dataquest, mobile PC).

Diese extrem erhöhte Nachfrage nach unseren Produkten war so nicht vorhersehbar. Wir haben uns natürlich bemüht, Schritt zu halten und haben die Produktion soweit wie möglich heraufgefahren. Der Umsatz im ersten Quartal '96 lag deshalb 46 Prozent über Vorjahr und im 2. Quartal 120 Prozent über Vorjahr. Dementsprechend haben sich unsere Marktanteile erfreulich entwickelt: 20 Prozent nach Stück und 21 Prozent nach Wert im 1. Quartal laut Dataquest.

Wir sind guten Mutes, daß sich Nachfrage und Verfügbarkeit auf hohem Niveau im 3. Quartal einpendeln werden. Das liegt nicht zuletzt daran, daß Mitbewerber mit neuen Produkten auf den Markt kommen werden, von deren Schwäche wir teilweise profitiert haben. Ihre Verwunderung über unsere Preissenkung kann ich natürlich nachvollziehen. Dazu ist aber zu sagen, daß wir den Preis eines Produktes als langfristiges Marketing-Werkzeug sehen und nicht zur kurzfristigen Generierung von Nachfrage wie zum Beispiel im Retail-Geschäft.

Da Toshiba den weitaus größten Teil der Produkte im Projektgeschäft absetzt, müssen hier bei der Preisgestaltung die langen Entscheidungszeiträume und die langfristige Produktstrategie berücksichtigt werden. Da eine leistungsstärkere Version der Satellite Pro 410CDT mit Ankündigung zum 17. Juni geplant war, diente die Preiskorrektur der Vorbereitung dieser Einführung und ist im Nachhinein vielleicht verständlicher. Ich hoffe, daß dieses doch recht lang geratene Schreiben die aufgeworfenen Fragen in Ihrem offenen Brief beantwortet und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Christoph Selig, General Manager, Toshiba Europe GmbH, Geschäftsbereich PC, Deutschland/Österreich

Zur Startseite