Linguatec/Grundig

11.12.1998

MÜNCHEN: Eine mobile Gesellschaft benötigt mobile Hilfsmittel, um überhaupt mobil sein zu können. Nicht umsonst nennt sich die Verbindung aus der Spracherkennungssoftware von Linguatec und dem Diktiergerät von Grundig "Voice Office mobil". Für Vielschreiber eine verlockende Kombination: Immer und (fast) überall den Text diktieren, daheim das Diktiergerät an den PC stöpseln und den Text vom Computer schreiben lassen. Wie das in der Praxis funktioniert, hat ComputerPartner getestet.Die stabile Verpackung mit seriösem Layout erntet Pluspunkte, denn sie signalisiert: "Ich bin was für Profis." Diesem Credo steht der Preis in nichts nach: satte 798 Mark. Das Grundig-Gerät "DH 2225 STT" wird mit einem praktischen, schwarzen Etui aus Hartkunststoff geliefert. Doch angesichts der bunten, wackeligen Plastikregler und -knöpfe am Diktiergerät verflüchtigt sich der Hauch der Exklusivität.

Dennoch, "Die neue Freiheit", wie es auf einer beigelegten Broschüre zu lesen ist, scheint greifbar nahe. Bei einem Blick in das 83seitige, detaillierte Handbuch fällt auf, daß sich viele Passagen mit der Fehlerbehebung bei der Installation beschäftigen.

Installation mit Hindernissen

Nach dem Einlegen der Installations-CD-Rom können die Lizenzbedingungen zur Freude polyglotter Käufer auf Wunsch in jeder europäischen Sprache durchgelesen werden. Ansonsten "Deutsch" anklicken und sofort auf "Weiter". Wessen Rechner die Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt, bei dem meldet sich Sekunden später die Software gewichtig zu Wort: Ein 166-Megahertz-Pentium oder ein 150-MHz-Pentium mit MMX-Technologie sollten es schon sein. Dazu werden 32 Megabyte Arbeitsspeicher unter Windows 95 oder 48 MB Ram unter NT benötigt. Außerdem fordert die Software rund 85 MB freien Festplattenspeicher, eine soundblaster-kompatible Soundkarte mit 16 Bit, die obligatorischen Lautsprecher für die Tonkontrolle sowie Microsoft Word ab der Version 7.0.

Doch selbst die Mindestvoraussetzungen schützen den User noch lange nicht vor der Raffgier der Software. Im Sinne einer guten Performance ist dieses Verhalten durchaus legitim. "Nicht genügend Speicherplatz!" meldet das System bisweilen und bricht die Installation nach vorheriger Mahnung ab. In ihrer Wut hat sie allerdings übersehen, daß die im Test verwendete 2,5-GB-Festplatte nur zu 25 Prozent belegt ist.

Erste Möglichkeit: alles deinstallieren und von vorne anfangen. Dazu gibt das Handbuch immerhin detaillierte Anweisungen, was, über die automatische Deinstallation hinaus, manuell in der Windows-Registry gelöscht werden muß. Zweite Möglichkeit: flugs an einen anderen PC gehen - wenn denn einer da ist. ComputerPartner testete die Software an drei verschiedenen Rechnern. Ergebnis: An keinem der drei verlief die Installation reibungslos.

Ähnlich widerspenstig zeigte sich die Einrichtung des Mikrofons. Dazu gehören das Einstellen des Aufnahmepegels und das unbedingt erforderliche Sprachtraining, mit dessen Hilfe das individuelle Sprecherprofil erstellt wird. Während dieser Arbeitsschritte zeigte sich die Profilierungssucht zweier Meldungen des Systems: "Der aktuelle Satz wird nicht erkannt" und "Nach Ende des Satzes sind Störgeräusche aufgetreten". Problem erkannt, Gefahr gebannt? Keine der im Handbuch beschriebenen Lösungsansätze zeigte Wirkung. Auch die Einstellungen des Features "Lautstärkenregelung" unter Windows 95 und NT waren korrekt. Linguatec half auf Anfrage weiter: Der aktuellste Treiber für die Soundkarte könne unter Umständen das Problem lösen. Schätzungsweise 70 Prozent der Probleme ließen sich damit lösen, hieß es. Und tatsächlich: Es funktionierte - schade nur, daß dies nicht im Handbuch vermerkt ist.

Mit dem Text des obligatorischen Sprachtrainings wird das individuelle Sprachprofil eines oder mehrerer Anwender erstellt. Während des Trainings erfährt der Anwender nicht nur eine Menge über die Technik von Spracherkennungssystemen, sondern auch über die Stolpersteine, die es für die Software-Entwickler zu überwinden gilt.

Profi-Plappermäuler können zwischen zwei Modi auswählen: entweder die bereits besprochene Kassette abspulen lassen oder den Text über das Mikrofon des Diktiergerätes eingeben. Das System kann direkt in Word gestartet werden. Nun will der Anwender Ergebnisse sehen. Sieht er aber nicht - zumindest nicht die, die er sich wünscht oder erwartet hat. Das System bringt es in der Anfangsphase auf eine Erkennungsrate von geschätzten 60 bis 70 Prozent. Training und nochmals Training ist angesagt, um es eventuell auf die vom Hersteller versprochene Erkennungsrate von maximal 150 Wörtern pro Minute zu trimmen. Da hilft auch das interne Voice-Office-Wörterbuch mit 320.000 Wörtern und das aktive Vokabular von 64.000 Wörtern nicht viel. Wie bei Spracherkennungssystemen üblich, muß zunächst einmal ordentlich Zeit investiert werden, bevor sie eingespart werden kann. Kaum denkbar, daß Profis die Zeit haben, sich Stunden und Tage mit dem Produkt auseinanderzusetzen.. Es ist zu vermuten, daß sie eher ihre Sekretärin bitten, das Band schnell abzutippen. Zumal die Nachbearbeitung des diktierten Textes ebenfalls Zeit beansprucht.

Sefvice as Usual

Die kostenlose Hotline für Händler und Kunden setzt sich immer mehr durch. So wird auch bei Linguatec nur noch der Obolus für die Telefongesellschaft fällig. Ebenfalls kostenlos sind für die Händler Flyer, Broschüren, Demoversionen für die Endkunden, Leerpackungen für das Schaufenster und regelmäßige Infopost. Bei der Vorführversion berechnet der Hersteller allerdings 398 Mark. "Wir werden aber knatschig, falls der Händler diese Version zum regulären Preis verkaufen sollte und wir davon Wind bekommen", betont Kristina Lowatzki, Unternehmenssprecherin bei Linguatec. (mm)

Zwei in Einem: "Voice Office mobil" kombiniert die Spracherkennungssoftware von Linguatec mit einem Diktiergerät von Grundig.

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